Hun Sen
Angst vor dem Putsch
A
uf die Ankunft seines Erzfeindes hat
sich Kambodschas Langzeitherr-
scher Hun Sen gründlich vorberei-
tet: Er schickte zusätzliche Truppen an die
Grenzen, ließ Schießübungen abhalten und
Dutzende Regierungsgegner festnehmen. Es
ist ein Vorgeschmack auf einen Macht-
kampf, der auch dazu führen könnte, dass
sich Modeketten wie H&M und Primark
nach neuen Fabriken umsehen müssen.
Grund für die Aufregung in Kambodschas
Regime ist die Ankündigung des Oppositi-
onsführers Sam Rainsy, nach Jahren im Exil
am Wochenende zurück in seine Heimat zu
kehren. Hun Sen, der sich seit 1985 mit zu-
nehmend autoritären Methoden an der
Macht hält, fürchtet nach eigenen Worten
einen Putsch. Aktivisten werfen dem 67-jäh-
rigen Regierungschef hingegen vor, Kambo-
dscha in eine Diktatur verwandelt zu haben.
Eine Eskalation im Streit zwischen Hun
Sen und Sam Rainsy könnte massive wirt-
schaftliche Konsequenzen haben. Die EU
will mit Blick auf Rückschritte bei Demokra-
tie und Menschenrechten in Kürze über
Sanktionen gegen das Land entscheiden.
Kambodscha droht das Recht zu verlieren,
die meisten seiner Waren zollfrei in die EU
zu exportieren. Hartes Durchgreifen gegen
die Opposition – wie die angekündigte Ver-
haftung Rainsys – könnte der EU womöglich
keine andere Wahl lassen, als das Regime
abzustrafen. Die EU ist Kambodschas größ-
ter Handelspartner und kaufte zuletzt Wa-
ren im Wert von 5,5 Milliarden Dollar – vor
allem Textilien. H&M und Primark ließen
bereits durchblicken, bei einem Ende der
Zollvergünstigungen Produktion aus dem
Land abzuziehen. Die Europäische Handels-
kammer sieht 90 000 Jobs in Kambodscha
in Gefahr.
Offen ist noch, ob es Rainsy wirklich nach
Kambodscha schafft. Am Donnerstag wollte
er zunächst von Paris nach Thailand fliegen
- wurde aber nicht ins Flugzeug gelassen.
Aufgeben will er nicht: „Ich werde jetzt ver-
suchen, ein Ticket in ein anderes Nachbar-
land zu bekommen“, sagte er. „Mein Volk
wartet auf mich. Wir müssen die Diktatur in
Kambodscha zu Fall bringen.“ Mathias Peer
Regierungschef
Hun Sen: Staatli-
che Inszenierung
und Realität klaf-
fen auseinander.
REUTERS
Mein Volk
wartet auf
mich.
Wir müssen
die Diktatur in
Kambodscha
zu Fall bringen.
Sam Rainsy
Oppositionsführer
BusinessLoungeLounge
Verfolgen: Fatou Bensouda, Chefanklägerin
beim Internationalen Strafgerichtshof, spricht im
New Yorker Sicherheitsrat über die Lage in Liby-
en. Sie fordert die Auslieferung des Diktatoren-
sohns Saif al-Islam al-Gaddafi. Ihm werden Ver-
brechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.
Vermasseln: Der er-
folgsverwöhnte Soft-
bank-Chef Masayos-
hi Son muss in Tokio
Rückschläge einräu-
men. Der japanische
Tech-Investor fährt
nach einer teuren
Rettungsaktion für
den amerikanischen
Bürovermieter We-
Work und andere
Fehlschläge erst-
mals seit 14 Jahren
Quartalsverluste
ein. Er habe die
Situation bei We-
Work „in vielerlei
Hinsicht falsch“
eingeschätzt, be-
kannte Son.
V f b h R m T n R d B W F m Q e S W H e k
Ausgezeichnet:Der Health-i-Award prämierte in
Berlin Ideen für die Gesundheitsbranche. Von
links: Markus Schlobohm (Techniker-Krankenkas-
se), Sven Jungmann (Founders Lane) und Axel
Wehmeier (Hausärztliche Vertragsgemeinschaft).
Ausgezeichnet:Der Health i Award prämierte in
Verändern:Vor der Siemens-Jahrespressekonfe-
renz stellen sich Finanzchef Ralf Thomas, CEO
Joe Kaeser und Vorstand Michael Sen (v.l.) den
Fotografen. Der Konzern steht vor massiven Um-
bauten und will seine Energiesparte abspalten.
Verändern:VorderSiemens Jahrespressekonfe
dpa, AP, AFP, imago images
Kambodschas Regierungschef gerät
unter Druck. Zudem droht die EU
mit Sanktionen – sie würden die
Textilindustrie massiv treffen.
AP
Liliana Segre
Unter Polizeischutz
S
ie ist seit anderthalb Jahren Senatorin
auf Lebenszeit und eine gefragte Zeit-
zeugin in Italien. Oft tritt die 89-jähri-
ge Mailänderin Liliana Segre im Fernsehen
und in Schulen auf, um über den Holocaust
zu berichten. Jetzt haben die Sicherheitsbe-
hörden ihrer Stadt entschieden, sie unter
Polizeischutz zu stellen. Zu groß war die
Zahl der Schmähungen, Drohungen und Be-
leidigungen in den sozialen Medien. Rund
200 antisemitische Hassnachrichten soll sie
täglich erhalten haben.
Liliana Segre ist Überlebende des Holo-
causts. Am 30. Januar 1944, mit 14 Jahren,
wurde sie aus Mailand nach Auschwitz-Bir-
kenau deportiert. Noch heute ist auf ihrem
Arm die eintätowierte Häftlingsnummer des
Konzentrationslagers sichtbar. Sie überlebte
als eine der wenigen die Gräuel.
Als vor Kurzem bekannt wurde, dass Ho-
locaust-Leugner in ihrer Wortwahl immer
aggressiver auftreten, richtete der Senat in
Rom einen Sonderausschuss gegen Intole-
ranz, Rassismus und Antisemitismus ein. Al-
lerdings enthielten sich die oppositionellen
Mitte-rechts-Parteien der Abstimmung. Seit-
dem wird das Thema kontrovers diskutiert.
Nicht nur Politiker sind besorgt darüber,
dass sich im Internet der Hass ausbreitet wie
eine Epidemie. „In welchem Land leben
wir, wenn Liliana Segre Polizeischutz erhält,
nur weil sie Jüdin ist?“, fragt der Leitartikler
von „La Repubblica“. „Dafür müssen wir
uns als Bürger schämen.“Regina Krieger
Die italienische Senatorin und
Holocaust-Überlebende wird ab
sofort bewacht. Ursache ist die
antisemitische Hetze gegen sie.
Liliana Segre: Täglich
bis zu 200 antisemiti-
imago images sche Hassbotschaften.
Namen des Tages
1
WOCHENENDE 7./8./9. NOVEMBER 2019, NR. 216^71