von meike schreiber
Frankfurt –Werverstehen will, warum
die Deutsche Bank seit Jahren von Skandal
zu Skandal taumelt, muss sich vor allem
das Spitzenpersonal anschauen: Viele Ma-
nager, die schon lange für die Bank arbei-
ten, sind früher oder später in die Nähe be-
trügerischer Systeme geraten, sei es Um-
satzsteuerbetrug, die Manipulation von
Zinssätzen, Geldwäsche und vieles mehr.
Dabei konnte ihnen die Justiz oft nichts vor-
werfen, und den Karrieren hat es – bis auf
einige Ausnahmen – auch nicht geschadet.
Man könne schließlich nicht einfach die
„ganze Firma von heute auf morgen aus-
tauschen“. Das ist stets die Erklärung aus
den Frankfurter Doppeltürmen.
Aber auch bei Neueinstellungen hat das
größte deutsche Geldhaus offenbar kein
gutes Händchen. Für Ärger in der Beleg-
schaft sorgt derzeit die Einstellung von Ul-
rich M., neuer Leiter Informationstechnik
für Privatkunden in Deutschland – ein
ebenso wichtiger wie gut bezahlter Posten.
Der Werdegang von Ulrich M. jedoch
wirft die Frage auf, ob die Deutsche Bank
neues Spitzenpersonal ausreichend über-
prüft, bevor man dort Verträge unter-
schreibt. Andernfalls nämlich hätte der
Bank auffallen müssen, dass Ulrich M. bei
seinem früheren Arbeitgeber eine eher un-
rühmliche Rolle gespielt hat: Mitte 2018
nämlich war der Manager als Geschäftsfüh-
rer der Bundeswehr-IT-Tochter BWI ge-
schasst worden, nachdem seine Verwick-
lung in die Berateraffäre der Bundeswehr
herausgekommen war. Wie aus Prüfberich-
ten hervorgeht, welche das Bundesverteidi-
gungsministerium bei Wirtschaftsprüfern
und Anwälten von Deloitte in Auftrag gege-
ben hat, vergab M. zwei Aufträge an die
McKinsey-Tochter Orphoz mit einem Volu-
men von insgesamt 5,5 Millionen Euro oh-
ne die vorgeschriebene öffentliche Aus-
schreibung. Strafrechtlich relevante Ver-
stöße fanden die externen Prüfer demnach
zwar nicht, weil der BWI durch die illegal
vergebenen Verträge kein Vermögensscha-
den entstanden sei. Doch schon der Ver-
stoß gegen die Vergabegesetze rechtfertig-
te aus Sicht von Deloitte die Abberufung
M.s vom Geschäftsführerposten, heißt es
in dem Gutachten, das derSZvorliegt, und
über welches dasHandelsblattzuerst be-
richtet hatte. Die Vergabe der Aufträge sei
als „Pflichtverletzung der Geschäftsfüh-
rung“ zu qualifizieren. Der Manager muss-
te das BWI daher ohne Abfindung verlas-
sen. Ein Sprecher des BWI wollte zu den
Gründen, Herrn M. abzuberufen und zu
kündigen zwar keine Auskünfte geben, be-
stätigte aber, dass er nach Beschluss des
Aufsichtsrats „freigestellt, ordentlich ge-
kündigt und die Kündigung des Arbeitsver-
trages fristgerecht vollzogen worden ist“.
In der Belegschaft sorgt der Vorgang
auch deshalb für Verärgerung, weil Ulrich
M. dort kein Unbekannter ist. Er arbeitete
schon einmal sieben Jahre bis 2005 als IT-
Chef der Privatkundensparte, musste Insi-
dern zufolge aber gehen, weil man nicht zu-
frieden war mit seiner Leistung.
Dennoch hatte er nun wohl einflussrei-
che Fürsprecher. Dem Vernehmen nach
soll Zvezdana Seeger, im Vorstand der Pri-
vatkundenbank für IT zuständig, den Ma-
nager empfohlen haben. Vizekonzernchef
Karl von Rohr, bis Juli Personalvorstand,
soll die Einstellung durchgewunken ha-
ben, ohne auf eine ausreichende Prüfung
zu bestehen. Ein Sprecher wies die Vorwür-
fe zurück. Die Einstellung sei gründlich ge-
prüft worden. „Aufgrund der vorliegen-
den, öffentlich zugänglichen Informatio-
nen gab es keinen Grund, Herrn M. nicht
einzustellen“, sagte der Sprecher. Der Ma-
nager selbst beantwortete eine Anfrage zu
den Vorwürfen nicht.
Aber nicht nur der neue IT-Chef sorgt in
der Belegschaft für Stirnrunzeln, auch die
Bestellung von Michael Ilgner wirft Fragen
auf. Der Manager ist derzeit Chef der Deut-
schen Sporthilfe und soll im März 2020 das
Amt des Konzern-Personalchefs überneh-
men und später sogar in den Konzernvor-
stand einziehen. Vorstandschef Christian
Sewing ist Mitglied des Aufsichtsrats der
Sporthilfe und kennt Ilgner seit Langem.
An dessen Integrität zweifelt zwar nie-
mand, wohl aber an seiner Qualifikation.
Als Chef der Deutschen Sporthilfe, einer
Stiftung, die Leistungssportler fördert, ist
Ilgner für gerade einmal 40 Mitarbeiter zu-
ständig; künftig aber für 90 000 Angestell-
te. Zudem muss er einen umfangreichen
Stellenabbau rund um den Globus verhan-
deln und dabei stets die Bankregulierung
im Blick behalten. Volker Brühl, Professor
am Center for Financial Studies an der Goe-
the-Universität Frankfurt, sieht die Ernen-
nung daher kritisch: Frischer Wind von au-
ßen könne zwar neue Kräfte freisetzen. Al-
lerdings seien die Anforderungen gerade
an einen Bankvorstand aus Sicht der Fi-
nanzaufsicht sehr hoch. „Trotz aller Unter-
stützung durch Stäbe wird auch in der Per-
sonalfunktion ein fundiertes Wissen im
Banking, Arbeitsrecht, Regulierung und
Compliance erwartet. Er sei daher „ge-
spannt, wie die Aufsicht mit dieser Perso-
nalie umgeht“. Tatsächlich kann Ilgner
erst in den Vorstand wechseln, wenn die
Aufsicht seine Bestellung genehmigt, wo-
für man sich in der Bank ein bis zwei Jahre
Zeit geben will. Ob die Bankenaufseher der
Europäischen Zentralbank (EZB) dann zu-
stimmen werden, ist aber ungewiss.
Ohnehin hat die Bankführung neuer-
dings Erfahrung damit, sich dort eine Ab-
fuhr zu holen. Aufsichtsratschef Paul Ach-
leitner hatte unlängst auf Wunsch der
Großaktionäre aus Katar den Schweizer
Banker Jürg Zeltner für den Aufsichtsrat
vorgeschlagen, allerdings ohne sich die in-
formelle Zustimmung der Aufsicht zu be-
sorgen. Weil Zeltner zugleich Chef einer an-
deren Bank ist, konstatierte man dort ei-
nen Interessenkonflikt. Nun wird Zeltner
das Gremium verlassen müssen.
Zuweilen haben dubiose Geschäfte
der DeutschenBank dann doch spürba-
re Folgen für die Verantwortlichen: In
Italien hat ein Gericht am Freitag-
abend hohe Haftstrafen gegen Ex-Füh-
rungskräfte der Deutschen Bank und
der Bank Nomura ausgesprochen, weil
sie der italienischen Bank Monte dei
Paschi geholfen haben, Konten zu fäl-
schen und Märkte zu manipulieren.
Das Gericht verurteilte Michele Faisso-
la, bis 2015 Chef der Vermögensverwal-
tung der Deutschen Bank, zu einer
Haftstrafe von fast fünf Jahren, wäh-
rend Giuseppe Mussari, Ex-Chef der
Monte de Paschi mehr als sieben Jahre
bekam. Außerdem muss die Deutsche
Bank Gewinne erstatten und Strafe
zahlen. Mit rund 70 Millionen Euro
liegt die Summe aber unter der Forde-
rung der Anklage. Offen ist, ob die Be-
teiligten in Berufung gehen. MESC
Bürotürme der Deutschen Bank in Frankfurt: Das Management
hat nicht immer ein glückliches Händchen, wenn es darum geht, neues
Spitzenpersonal einzustellen. Das könnte ein Grund für
die vielen Skandale des Konzerns sein.FOTO: KRISZTIAN BOCSI/BLOOMBERG
Die Pflichten
verletzt
Die Deutsche Bank baut nicht nur Stellen ab, sondern
heuert auch Manager von außen an. Zwei der
Neuzugänge sorgen intern allerdings für Kritik
Großer Sprung: Der neue
Personalchef war zuvor nur für
40 Mitarbeiter verantwortlich
DEFGH Nr. 259, Samstag/Sonntag, 9./10. November 2019 HF3 WIRTSCHAFT 29
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Am Montag, 11. November 2019.