von birgit lotze
Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt– Inder
Isarvorstadt sind die guten Zeiten für Au-
tos vorbei, zumindest wenn man nach den
Voten der Bürgerversammlung am Don-
nerstagabend geht. Roecklplatz – autofrei,
Holzplatz – autofrei, ebenso der Zenetti-
platz, so die Forderungen. Da und dort wur-
den auch einzelne Autoparkplätze zuguns-
ten von Fahrradabstellplätzen oder Bäu-
men zur Disposition gestellt. Der Rad- und
Fußverkehr soll überhaupt mehr Platz be-
kommen: Einstimmig wurde ein Rad- und
Fußweg über die Braunauer Eisenbahn-
brücke gefordert, der eine Radverbindung
zwischen Westpark und Untergiesing er-
möglichen würde. Man hofft im Viertel,
dass die Bahn die 150 Meter lange Brücke
über die Isar endlich öffnet, Anfragen dazu
gibt es seit mindestens 15 Jahren.
Stoff für Diskussionen boten in erster Li-
nie die Änderungen der Verkehrssituation
in der Fraunhoferstraße, „das Lieblings-
thema des Abends“, wie Sitzungsleiterin
Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD)
schon bei der Eröffnung der Versammlung
sagte. Mehr als die Hälfte der mehr als fünf-
zig Anträge bezogen sich darauf. In der
Fraunhoferstraße hatte der Stadtrat nach
einem zügig gefassten Beschluss Parkplät-
ze abgeschafft und dafür einen roten Fahr-
radstreifen anlegen lassen.
Einige Anwohner haben seitdem keine
Gelegenheit ausgelassen, darauf hinzuwei-
sen, dass sie mit der neuen Situation nicht
leben können – vor allem nicht ohne Park-
plätze oder wenigstens kurzfristige Halte-
punkte. Handwerkern, Lieferanten werde
die Zufahrt zu den Häusern und Betrieben
unmöglich gemacht, Betriebe würden an
der Ausübung ihres Geschäfts, gehbehin-
derte Anwohner an der Teilhabe am Stadt-
leben gehindert. Die Stadt solle sofort die
Situation überprüfen – um das „Überle-
ben zu sichern“, forderte ein Antrag. Das
wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ebenso auch Anträge, die darauf abziel-
ten, die Situation wieder rückgängig zu ma-
chen, Haltepunkte für über Sechzigjährige
festzulegen oder die Radstreifen nachts im
Winter parkenden Autos zu überlassen.
Dafür wurde gefordert, die Radwege,
die bislang probeweise installiert sind, dau-
erhaft festzulegen. Zwei Radler seien in
den vergangenen Monaten im Viertel von
Lkw überrollt worden und gestorben, dar-
auf hatte der Vorsitzende des Bezirksaus-
schusses, Andreas Klose (Rosa Liste), zu
Anfang der Versammlung hingewiesen: ei-
ne 32-Jährige auf dem Vorplatz des Haupt-
bahnhofs und ein Schulkind an der Corneli-
usbrücke. „Das sind Zeichen, dass wir im
Fahrradbereich mehr tun müssen.“
Doch ging die Versammlung auch auf
die Sorgen der Anwohner ein. Die Straße
soll sicherer werden. Tempo 30, auch
Grün, mehr Anwohnerparken – letzteres
zwar nicht explizit in der Fraunhoferstra-
ße, aber doch insgesamt im Viertel. Dass
Anträge wie dieser wenig Chancen auf Um-
setzung haben, das machte Peter Geck von
der Abteilung Straßenverkehr-Verkehrs-
management im Kreisverwaltungsreferat
klar. Dieser Wunsch von Anwohnern sei
verständlich, aber andere hätten ihn auch.
„Wenn wir das machen würden, dann brau-
chen Sie kein Auto mehr, weil sie nirgend-
wo mehr parken können.“ Geck wies übri-
gens auf einen Rekord hin: Er habe schon
an vielen Bürgerversammlungen teilge-
nommen, sagte er. Doch 45 Anträge allein
zum Verkehr, das habe er noch nie erlebt.
Mehrere Anträge bezogen sich auf den
seit Sommer anhaltenden Gestank um den
Schlachthof. Die Stadt müsse endlich und
sofort handeln statt endlos zu prüfen, hieß
es. Ein Vertreter des Referates für Umwelt
und Gesundheit erklärte, dass die Fachfir-
ma, die vor zwei Wochen mit dem Einbau
einer Abluftreinigungsanlage beauftragt
wurde, zugesichert habe, dass der Ge-
stank, der von einem Schweineschlachtbe-
trieb ausgeht, im Dezember unterbunden
werde. Einem Antrag, den Schlachthof
doch ganz in Randbezirke Münchens zu
verlegen, wollte dann fast niemand folgen.
Für Aufsehen sorgte ein positiv beschie-
dener Antrag zum Holzplatz. Antragsteller
Eberhard Kaiser plädierte nicht nur für
mehr Grün und das Aussperren der Autos,
sondern auch dafür, „aus dem Holzplatz
tatsächlich einen Holzplatz“ zu machen –
zum Beispiel mit einem Bodenbelag aus
Holzpaneelen wie im alten Hafen von Tel
Aviv – mit Sitzmöglichkeiten aus Holz und
vielleicht einer Pergola-Dach-Konstrukti-
on ähnlich dem Metropol-Parasol in Sevil-
la. Er schlug auch einen Wettbewerb vor,
bei dem Künstler Skulpturen aus Holz für
den Platz entwerfen. „Dann wäre der Holz-
platz kein Trauerspiel mehr, sondern eine
Perle in unserem Viertel.“
Auf Erheiterung und Wohlwollen stieß
der Antrag einer alten Dame, die sich vor ih-
rem Haus an der Wittelsbacherstraße ei-
nen sicheren Zugang zur Isar wünscht. Sie
würde gerne wie früher in der Isar baden.
Eine kurze Steintreppe reiche, „ohne Liege-
möglichkeiten“. Auch damit wird sich die
Verwaltung jetzt beschäftigen.
Maxvorstadt– Die Lausbubengeschich-
ten und andere Schnurren von Ludwig
Thoma liest der Schauspieler Claus Obal-
ski nicht nur, er setzt sie geradezu in Sze-
ne, und zwar an diesem Sonntag, 10. No-
vember, 17.30 Uhr, im Saal der Initiativ-
gruppe an der Karlstraße 50. Die von der
Gruppe Saitengspannmit bayerischer
und irischer Volksmusik begleitete Veran-
staltung findet zugunsten des Projekts
Steppenkind statt, das Nomadenkinder
in der Mongolei unterstützt. Der Eintritt
kostet 15 Euro. son
Erinnerung an Verfolgte
Die Namen ermordeter jüdischer Münchner
verlesen Mitglieder des Bezirksausschusses
Allach-Untermenzing und Schüler des Loui-
se-Schroeder-Gymnasiums am Samstag,
- November, 15 Uhr, auf dem Oertelplatz.
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München– Fünf Millionen Büchereibesu-
cher pro Jahr sprechen eine deutliche
Sprache. Für sie und hoffentlich noch viel
mehr potenzielle Lesefüchse weitet die
Stadt die Samstags-Öffnungszeiten der
Stadtbibliotheken nunmehr flächende-
ckend aus. Der Kulturausschuss des Stadt-
rats hat beschlossen, die notwendigen
Stellen zu schaffen, um nach der ersten
Ausbaustufe nun auch alle übrigen der ins-
gesamt 21 Filialen künftig samstags geöff-
net zu lassen.
Die Arrondierung des Angebots ist eine
Reaktion auf die ausgesprochen erfolg-
reich verlaufenen Probephase. So werden
an Samstagen mittlerweile die meisten
Medien entliehen. Konkret haben seit Ein-
führung der Samstagsöffnung
520000 Besucher das Angebot wahrge-
nommen und 700 000 Medien entliehen.
Ermöglicht wird die Samstagsöffnung al-
lerdings nicht nur durch eine Stellenmeh-
rung, sondern auch durch eingeschränkte
Öffnungszeiten am Montag.
Freuen dürfen sich auch Bücherfreun-
de aus dem Münchner Osten. Denn das
Netz der Stadtteilbibliotheken wird dort
dichter geknüpft. Für eine neue Stadtbü-
cherei in der Messestadt Riem am Elisa-
beth-Castonier-Platz hat der Kulturaus-
schuss des Stadtrats ebenfalls Konzepti-
on und Finanzierung gebilligt. Ausgangs-
punkt der neuen Filiale ist eine überdurch-
schnittlich steigende Bevölkerungszahl:
Der Stadtteil wird größer, dichter und vol-
ler, zugleich altert die Bewohnerschaft.
Im April 2018 ist deshalb bereits der Spa-
tenstich für das neue Quartierszentrum er-
folgt, das auch die Bücherei enthalten soll.
Mit der Eröffnung rechnet Kulturreferent
Anton Biebl in der zweiten Jahreshälfte
- In der neuen Bücherei mit öffentlich
zugänglich Flächen von 721 Quadratme-
tern und einem Lesegarten im Innenhof
soll die Aufenthaltsqualität eine besonde-
re Rolle spielen. „Die Kundinnen und Kun-
den sollen in die Lage versetzt werden, die
Bibliothek aktiv zu nutzen und zu bele-
ben“, sagt der Kulturreferent. Stunden in
der Bibliothek sollten die Besucher als
„Quality time“, also als qualitätsvolle Zeit,
im Alltagsleben verspüren.
Noch nicht klären konnte der Kultur-
ausschuss, wie Leser künftig für die Benut-
zung der öffentlichen Drucker, Kopierer
und Computer zahlen sollen. Die Fachbe-
hörde schlägt dafür Kassenautomaten
vor – als „Standard einer kundenfreundli-
chen und zeitgemäßen Bibliothek“. Ob
dies in Zeiten von Handy-Apps und kon-
taktlosem Bezahlen tatsächlich der tech-
nologisch letzte Schrei sei, wurde in der
Sitzung allerdings angezweifelt.
Damit muss sich nun die Stadtrats-Voll-
versammlung auseinandersetzen. Dort-
hin haben die Kulturausschussmitglieder
diese Beschlussvorlage vertagt.
thomas kronewiter
Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt–Zum
Gedenken an die Opfer der Reichspo-
gromnacht will die Geschichtswerkstatt
Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt mit dem
Bezirksausschuss am Sonntag, 10. No-
vember, von 16 Uhr an vor dem Staatsthe-
ater am Gärtnerplatz Lebensgeschichten
von Menschen erzählen, die damals im
Viertel daheim waren. Erinnert wird zum
Beispiel an die drei Schwestern Betty,
Emilie und Mathilde Landauer, die sich
für Frieden, Acht-Stunden-Tag und Frau-
enwahlrecht einsetzten, an den in die
USA emigrierten Physiker Albert Ein-
stein, der im Viertel aufwuchs, und an die
Ärzte Alice und Friedrich Bilski, die im
Haunerschen Kinderspital wirkten. lo
Nymphenburg– 35 000 Geschenkpäck-
chen senden deutsche Kinder bundes-
weit bei der jährlichen Aktion „Kinder hel-
fen Kindern“ nach Serbien zu bedürfti-
gen Kindern und Jugendlichen. Um den
Transport zu finanzieren, lädt die Advent-
gemeinde Nymphenburg zu einem Bene-
fizkonzert mit demBavaria-Quintettfür
Samstag, 9. November, von 17 Uhr an in
die Gemeinderäume an der Tizianstra-
ße 18 ein. Das Bläser-Ensemble spielt un-
ter anderem Kompositionen von Danzi,
Haydn und Tschaikowsky. Der Eintritt ist
frei, um Spenden für das Hilfsprojekt
wird gebeten. brju
Eine Abluftanlage soll
den Gestank aus
dem Schlachthof abmildern
von berthold neff
D
rei auf einen Streich: Manchmal
kann die städtische Bürokratie so
richtig effektiv sein. Im Jahre
1947 zum Beispiel hat man es im Rathaus
geschafft, für eine Straße im fernen Solln
einen Namen zu finden, der rein theore-
tisch gleich drei Vertretern einer Künst-
lerfamilie gilt, den Morgensterns. Offizi-
ell ist die Morgensternstraße, die unver-
mittelt im Niemandsland an der südwest-
lichen Stadtgrenze beginnt und sich von
dort nach Nordwesten vorarbeitet, nach
dem deutschen Landschaftsmaler Carl
Ernst Morgenstern benannt, der 1847 in
München geboren wurde und später Pro-
fessor an der Kunstgewerbeschule in
Breslau war.
So berühmt wie sein Vater Christian
Ernst Bernhard Morgenstern, ein bedeu-
tender Landschaftsmaler der Hambur-
ger Schule, wurde er nicht. Dieser, 1805
geboren, war 1830 nach München gekom-
men und machte sich durch seine Gemäl-
de aus dem Alpenvorland – vom Chiem-
see über den Starnberger See bis nach
Dachau – schnell einen Namen. Seine
Werke schmücken große Museen, wie die
Hamburger Kunsthalle oder das Museo
Thyssen-Bornemisza in Madrid. Er wur-
de 1867 auf dem Alten Südlichen Fried-
hof beerdigt.
Es war ihm nicht mehr vergönnt, die
Geburt seines Enkels Christian zu erle-
ben, der 1871, vier Jahre später, in Schwa-
bing zur Welt kam und mit der Malertra-
dition der Morgensterns brach: Er wurde
Dichter. Mit zehn Jahren verlor der kleine
Christian seine Mutter Charlotte an die
Tuberkulose, und auch er sollte letzten
Endes dieser Krankheit erliegen, nach vie-
len Kuraufenthalten, mal in Davos, dann
in Arosa, Bad Reichenhall oder Meran. In
der Villa Helioburg in Untermais, das seit
1924 zu Meran gehört, starb er am
- März 1914, im Alter von 42 Jahren. Die
Nachwelt kennt ihn vor allem wegen sei-
ner humoristisch-scharfsinnigen Gedich-
te, den „Galgenliedern“ zum Beispiel. In
einem davon geht es um einen Latten-
zaun, dem der Zwischenraum abhanden
kam, weil ein Architekt daraus ein großes
Haus baute, was für den Zaun das Ende
bedeutete. „Der Architekt jedoch ent-
floh/ nach Afri – od – Ameriko.“
Maxvorstadt– Gabriel Faurés Requiem
für Sopran solo, gemischten Chor und Or-
chester sowie Ola Gjeilos „Sunrise Mass“
trägt der Münchner Markus-Chor am
Sonntag, 10. November, in St. Markus an
der Gabelsbergerstraße 6 vor. Die Schau-
spielerin Ulrike Kriener rezitiert dazu
Texte unter anderem von Christoph
Schlingensief, Astrid Lindgren und Tols-
toi. Das Konzert „Vom Dunkel ins Licht“
beginnt um 18 Uhr; Karten zu zwölf bis
27 Euro gibt es vorab bei München Ticket
sowie an der Abendkasse. son
Altstadt– Viele jüdische Bürger, die den
Verbrechen im Dritten Reich zum Opfer
gefallen sind, standen vor und während
der Herrschaft der Nationalsozialisten
für demokratische Werte ein. Mit Na-
mensnennungen und der Lesung ausge-
wählter Biografien würdigt eine Gedenk-
veranstaltung am Sonntag, 10. Novem-
ber, solche jüdischen Münchner. Ihre Na-
men werden von 11.30 bis 14.30 Uhr am
Gedenkstein an der Herzog-Max-Straße
hinter dem Künstlerhaus gelesen. An die-
sem Ort stand bis 1938 die alte Hauptsyn-
agoge der Stadt, die als eine der ersten
Synagogen von den Nationalsozialisten
zerstört wurde. Die Lesung unter dem
Motto „Demokratische Vorbilder“ gestal-
ten unter anderem Kulturreferent Anton
Biebl, Charlotte Knobloch, die Präsiden-
tin der Israelitischen Kultusgemeinde
München und Oberbayern, und Hans-Joa-
chim Heßler, Präsident des Bayerischen
Obersten Landesgerichts. brju
In Ruhe schmökern
Nach erfolgreicher Probephase sollen künftig alle Filialen der Stadtbibliothek am Samstag geöffnet sein
Karossen im Rückwärtsgang
Bei derBürgerversammlung für die Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt gibt es ein klares Votum für autofreie Plätze.
Und an dem roten Radstreifen in der Fraunhoferstraße wird nicht gerüttelt – um die Sicherheit zu erhöhen
Ludwig Thoma
und Volksmusik
Erinnerung an
jüdische Nachbarn
Spenden für
Weihnachtspäckchen
Vor einem Jahr saniert und mittlerweile samstags geöffnet: die Laimer Stadtteil-
bibliothek an der Fürstenrieder Straße. FOTO: CATHERINA HESS
Rund um das
historische Pissoir
am Holzplatz im
Glockenbachviertel
parken Autos. Geht es
nach der großen Mehrheit
der Bürger, werden
mehrere Plätze in der
Isarvorstadt autofrei.
Ein Anlieger will
den Holzplatz tatsächlich
zum Holzplatz machen –
mit Holzpaneelen wie in
Tel Aviv (unten) und
mit Kunst –
aus Holz natürlich.
FOTOS: STEFANIE PREUIN, PRIVAT
Requiem
mit Schlingensief
Demokratische
Vorbilder würdigen
Würdigung für den Landschaftsmaler
Carl Ernst Morgenstern.FOTO: SCHELLNEGGER
Mittlerweile werden
samstags die meisten
Medien entliehen
DEFGH Nr. 259, Samstag/Sonntag, 9./10. November 2019 PGS R7
STADTVIERTEL
VIERTEL-STUNDE
Drei Künstler,
ein Name
ZENTRUM
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Münchner Stadtgeschichten.
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