Der Spiegel - 02.11.2019

(Brent) #1
138 DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019

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rederick Forsyth, Jahrgang 1938, ist der Praktiker unter
den Thrillerautoren. Er war ein Mann des britischen
Auslandsgeheimdienstes, außerdem Pilot, und er legt
großen Wert auf Recherche und Detailtreue. Die literarische
Ambition eines John le Carré, dessen Gespür für die Ambi-
valenzen der menschlichen Seele, teilt er nicht. Sein Metier
sind mittelkomplizierte Politthriller, bei denen man auch et-
was lernt über die große, weite Welt – vor allem, sich keinen
Illusionen hinzugeben. Forsyths Romane sind geeignet für

Menschen, die mit Belletristik nichts anfangen können und
für Sachbücher nicht genügend Geduld aufbringen. Man be-
kommt verlässliche Informationen, folgt einer mäßig auf -
regenden Handlung und fühlt sich rundum gut unterhalten –
das ist ja eine Leistung.
In seinem neuesten Werk, »Der Fuchs«, klingt bei aller
existenzialistischen Abgeklärtheit aber auch eine nostalgi-
sche Note an.
Der Held Sir Adrian Weston, Geheimdienstmann und Spe-
zialberater des Premierministers, ist – wie immer bei Forsyth –
ein weltgewandter Erzähler. Im Sound des melancholischen
Humanisten schildert er, wie kompliziert das Leben der Gu-
ten in einer bösen Welt sein kann. Er weiß, wo der Hase und
der im Titel versprochene Fuchs langlaufen, kennt die Ge-
schichte der Geheimdienste, der britischen Bürokratie und
teilt dem staunenden Leser mit, wie es zugeht in den Kulissen
gegenwärtiger Machtpolitik. Wladimir Putin, Donald Trump
und Theresa May kommen vor, allerdings in einer ausgesteu-
erten Version: Der Russe mit den »eiskalten Augen« gibt

Frederick Forsyth: »Der Fuchs«. Aus dem Englischen von Rainer Schmidt.
C. Bertelsmann; 320 Seiten; 20 Euro.

gern Mordaufträge, den beiden anderen gönnt Forsyth groß-
zügig Einsicht und Urteilskraft. Bei einem Termin im Oval
Office überzeugt Weston Präsident Trump von einem kom-
plexen Plan und bewegt ihn in kurzer Zeit dazu, ein brisantes
Dokument zu unterschreiben – allein mit der Kraft guter Ar-
gumente. Wie weit darf Fiktion gehen?
Die übrigen handelnden Personen des Romans sind Mittel
zum Zweck. Der 18-jährige Luke, Codename »Fuchs«, ist
ein Computergenie mit Asperger und damit schon voll -
ständig beschrieben. Seine Funktion in der Welt dieses
Buchs ist es, die Computer der Bösen auszutricksen, so-
dass ihre Raketen explodieren, ihre Schiffe auf Grund lau-
fen und ihre Konten sich wie von Zauberhand leeren. Dann
fluchen und wüten sie, vermögen aber nichts gegen das
»hochleistungsfähige Gehirn eines blonden englischen Jun-
gen« auszurichten. Fortan wollen sie Luke töten, und da-
von erzählt das Buch: Luke hackt, die Russen, Nordkorea-
ner, Iraner und Co. trachten ihm nach dem Leben. Luke
hat auch eine Mutter, Sue. Sie trennt sich von Lukes Vater
und verliebt sich in den Personenschützer ihres Sohnes,
den Forsyth in feiner An spielung an ein hochwohlgebore-
nes Brüderpaar Harry Williams nennt.
Selbstverständlich spielt dieses Buch
in einer Männerwelt. Wenn Forsyth
sich denkt, was wohl das andere Ge-
schlecht denkt, klingt das so: »Sie ge-
dachte, die neue Mrs. Harry Williams
zu werden, und sie wusste, neben einer
gut aussehenden und entschlossenen
Frau sah eine Exocet-Rakete jederzeit
aus wie ein schlecht designter Feuer-
werkskörper.«
Der wahre Held in diesem Roman
aber ist das britische Beamtentum in
den weitverzweigten Branchen zwi-
schen Geheimdiensten, Forschungs -
abteilungen und dem Militär. Man
kennt und hilft sich im Club und im
Pub. Politiker kommen und gehen, die
alten Verbindungen aus Schule, Uni
und Wehrdienst bleiben. Hier prakti-
ziert man die Kunst der »stillen Ein-
flussnahme« und verhindert schon mal
den ein oder anderen Skandal. Gibt es
auch im Establishment Verräter an
Krone und Vaterland? Schon – aber dann nur, wenn dem
verzweifelten Mann die einzige Tochter entführt wird, sich
in der Gewalt albanischer Schergen befindet.
In der Welt von Forsyth geht es den balkanischen Übel -
tätern spornstreichs an den Kragen, da kommt nicht die
Polizei, sondern gleich die Armee: »Soldaten können sehr
wütend werden, wenn jemand ein Kind bedroht.« Dass die
britische Armee nicht auf der ganzen Welt und insbesondere
in Nordirland nicht von allen so gesehen wird, kommt in die-
sem Kosmos nicht vor.
Forsyths Roman über die multipolare Welt, in der sich diverse
Mächte digital bekriegen, ist eigentlich eine Erinnerung an die
Zeit, in der westliche Überlegenheit einherging mit einem uni-
versalistischen Sendungsbewusstsein. Das war zwar schon da-
mals eine Fiktion, aber sie hat durchaus ansprechende Züge.
Tatsächlich gibt es die Welt nicht mehr, die Forsyth be-
schwört. Der Westen ist nur noch eine Behauptung, der ame-
rikanische Präsident zeigt sich gegen jedermann uneinsichtig,
Putins globales Machtspiel ist erfolgreich. Und das Verei-
nigte Königreich, an das Forsyth mit der Loyalität des ehe-
maligen Beamten glaubt, ist eben nur noch in diesem Roman
gut und groß.Nils Minkmar

Kultur

MATT BLEASE / GUARDIAN


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BuchkritikIn Frederick Forsyths neuem Thriller
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Briten ein letztes Mal die globalen Bösen aus.
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