Annegrets Abstieg
Veränderung der Zustimmungswerte
gegenüber Januar 2019
Quelle: Infratest dimap für ARD-Deutschlandtrend,
jeweils rund 1000 Befragte; Schwankungsbreite zwischen 1,4 und 3,1%
–50,0 %
23%
–5,4 %
53%
–3,5 %
23%
0
–20
–40
–60
Union (Sonntagsfrage) Angela Merkel
Annegret Kramp-Karrenbauer
Jan. Juni Okt.
Zustimmungswert
im Oktober
dem Urwahlantrag eine Rampe in Rich-
tung Kanzlerkandidatur zu bauen.
Kuban streitet dies ab. »Der Urwahl -
antrag hat nicht das Ziel, eine bestimmte
Person zum Kanzlerkandidaten zu ma-
chen, sondern die Basis zu motivieren«,
sagt er. »Es ist einfach nicht mehr zeitge-
mäß, dass einige wenige über die Kanzler-
kandidatur entscheiden.«
Das jüngste Bundestreffen der JU in
Kramp-Karrenbauers alter Wirkungsstätte
Saarbrücken geriet jedenfalls zur Krö-
nungsmesse für Merz. »Er ist mein
Wunschkandidat und auch der Favorit der
Parteibasis«, schwärmt Kiefer.
Große Chancen hat der Urwahlantrag
indes nicht. Die CSU hat ihn bereits zu-
rückgewiesen, deshalb ist auch in Leipzig
mit einer Niederlage zu rechnen. »Meiner
Meinung nach hat sich das bisherige Ver-
fahren, nämlich die Absprache zwischen
den Spitzen von CDU und CSU, bewährt«,
sagt der saarländische Ministerpräsident
Tobias Hans. Eine verfrühte Personaldis-
kussion sei kontraproduktiv. »Die Sozial-
demokraten sind uns doch dabei ein mah-
nendes Beispiel. Wir dürfen deshalb nicht
die gleichen Fehler machen und uns selbst
demontieren.«
»Das ist die Kritik eines Außenseiters«,
sagt der CDU-Mann Oliver Wittke über
Merz. »Er hat bislang weder in der Partei
noch in der Wirtschaft ein Amt mit Ver-
antwortung übernommen, bei dem es da-
rum geht, unterschiedliche Flügel zusam-
menzuführen und zu einem gemeinsamen
Handeln zu kommen«, warnt Wittke. Al-
lein dies lasse an seiner Kanzlerfähigkeit
zweifeln.
Auch der Mann,der derzeit am wenigsten
sagt, aber das größte Problem für Anne-
gret Kramp-Karrenbauer darstellt, wird
auf absehbare Zeit keine Revolte anzetteln.
Armin Laschet gefällt sich in der Rolle des
Mahners. »Wir sollten solche Dinge in Zu-
kunft absprechen«, sagte der nordrhein-
westfälische Ministerpräsident am Montag
im CDU-Präsidium nach Angaben von
Teilnehmern. Er meinte den Vorschlag
Kramp-Karrenbauers, eine Schutzzone in
Nordsyrien einzurichten.
Es war nicht das erste Mal, dass Laschet
seine Distanz zur Vorsitzenden deutlich
machte. Wenn die CDU-Chefin strauchelt,
ist Laschet gern mit Kritik zur Stelle,
natürlich immer sachbezogen. Als sie sich
missverständlich zur Meinungsfreiheit im
Netz äußerte, kam von Laschet: »Mei-
nungsfreiheit ist ein hohes Gut.«
Der Stil ist nicht elegant, aber wirkungs-
voll. Sollte Kramp-Karrenbauer scheitern,
hätte der Aachener als Chef des größten
Landesverbands wohl die besten Chancen
auf eine Kanzlerkandidatur. Er bringt Re-
gierungserfahrung im bevölkerungsreichs-
ten Bundesland mit und ist der einzige
Kandidat des liberalen Flügels. Im konser-
vativen Teil der Partei stößt er immer noch
auf Ablehnung, aber nicht annähernd so
wie Angela Merkel. Auch deshalb nicht,
weil er sich in seinem Kabinett durchaus
Hardliner an die Seite gestellt hat, wie In-
nenminister Herbert Reul.
Laschet hat indes ein großes Problem:
Er kann nur mithilfe von Kramp-Karren-
bauer Kanzlerkandidat werden. Gegen die
Vorsitzende würde er nicht kandidieren,
dazu fehlt ihm der Mut. Eine Niederlage
würde zudem das vorläufige Aus für seine
bundespolitischen Ambitionen bedeuten.
Es wäre möglicherweise auch der Anfang
von seinem Ende in NRW. Hier sieht man
es nicht gern, wenn die Staatskanzlei nur
als Sprungbrett für das Kanzleramt dienen
soll – vor allem, wenn es misslingt.
Laschet muss also warten, bis Kramp-
Karrenbauer so geschwächt ist, dass sie
selbst einsieht, keine Chance auf die Kan-
didatur zu haben.
Am Ende einer harten Woche wagt sich
Kramp-Karrenbauer noch einmal ins Herz
der Merz-Bewegung: Ein stickiger Konfe-
renzsaal in einem Mercure Hotel bei Düs-
seldorf, rund 350 Zuhörer sind gekommen.
Die CDU Kaarst-Büttgen hat eingeladen,
gemeinsam mit der Jungen Union und der
Mittelstandsunion MIT – zum Abschied
schenkt man der Chefin eine Packung Be-
ruhigungstee.
»AKK« findet, dieser Termin sei »ein
tolles Zeichen: Wenn wir mehr miteinan-
der reden und weniger übereinander, dann
kommen wir auch nicht da hin, wo die
Sozialdemokraten gerade sind«.
Als am Ende einer aus dem Publikum
fragt, wer denn die politische Verantwor-
tung für die letzten Wahlniederlagen über-
nehme, strafft sich »AKK« auf der Bühne.
Die Ostverbände hätten selbst die Konse-
quenzen gezogen, sagt sie. »Und wer im-
mer meint, dass die Bundespartei und ich
die Verantwortung tragen, der hat auf dem
Parteitag die Chance, das zu beantragen.
Ich verweigere mich keiner Abstimmung.«
So leicht werden ihre Feinde sie nicht los.
Melanie Amann, Felix Bohr, Anna Clauß,
Lukas Eberle, Florian Gathmann,
Martin Knobbe, Ralf Neukirch,
Michael Sauga, Cornelia Schmergal,
Gerald Traufetter, Steffen Winter
DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019 35
HC PLAMBECK
Unionspolitiker Kramp-Karrenbauer, Mohring: »Ungeeignet als Kanzlerkandidatin«
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