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Wirtschaft
Autoindustrie
BUND befürchtet hohe Jobverluste
Naturschutzverband sieht Arbeitsplätze durch mehr Produktivität und neue Antriebe bedroht.
Der technische Umbruch in der Autoindustrie könnte
deutlich mehr Arbeitsplätze kosten als bislang angenommen.
Zu diesem Schluss kommt eine Modellrechnung des Pforz -
heimer Wirtschaftsprofessors Rudi Kurz im Auftrag des
Naturschutzverbands BUND. Demnach drohen in den
nächsten zehn Jahren 360 000 Jobs in der deutschen Auto -
industrie verloren zu gehen.
Das Szenario ist erheblich pes simistischer als etwa die Pro -
gnose des Fraunhofer-Instituts IAO, die mit maximal 125 000
weniger Jobs bis 2030 rechnet. Das liegt daran, dass Kurz
von deutlich negativeren Annahmen ausgeht: Zwischen 2020
und 2030, kalkuliert er, verschwänden 150 000 von insge-
samt ungefähr 800 000 Jobs in der Auto industrie allein
durch Fortschritte bei der Produktivität. Weitere 160 000
Stellen würden hinfällig, weil bei Elektroautos weniger Teile
benötigt werden als bei Fahrzeugen mit Verbrennungs -
motor – und damit auch weniger Beschäftigte, die sie produ-
zieren. 50 000 Stellen dürften der Modellrechnung zufolge
durch öffentliche Verkehrsmittel und neue Mobilitätsdienste
wegfallen. Von der Politik fordert Kurz deshalb, sie müsse
»Voraussetzungen schaffen, damit auf lange Sicht neue Jobs
jenseits des Mobilitätssektors entstehen«. MHS, SH
»Ich bin ja wohl in der Lage, mir selbst einen Kaffee zu holen.« ‣S. 70
DER SPIEGEL Nr. 45 / 2. 11. 2019
Thomas-Cook-Pleite
Warnungen ignoriert
Die Bundesregierung hatte bereits 2016
konkrete Hinweise, dass die gesetzliche
Absicherung der Kundengelder bei der
Pleite eines deutschen Reisegroßveranstal-
ters nicht ausreicht. Trotzdem weigerte
sie sich, die Deckelung der Haftungsgren-
ze auf 110 Millionen Euro pro Versicherer
und Jahr aufzuheben. Das geht aus Unter-
lagen der Grünenfraktion im Bundestag
hervor, die erst kürzlich vergebens ver-
sucht hatte, das zu ändern. Als Folge dro-
hen deutsche Kunden der insolventen
Touristikfirma Thomas Cook nun auf
einem Teil der Kosten für ihre gebuchten
Reisen sitzen zu bleiben. Bereits im Juli
2016 hatte die Verbraucherzentrale Bun-
desverband der Regierung geraten, den
Betrag deutlich anzuheben. Es sei »nur
glücklichen Umständen zu verdanken«,
warnten die Experten, dass es bislang »zu
keinen Großinsolvenzen« gekommen sei.
Ähnlich besorgt äußerte sich im Dezem-
ber 2016 auch der Bundesrat in einer
Expertise. »Die Höchstgrenze wurde vor
über 20 Jahren festgelegt«, rügten die Ver-
fasser, und sei trotz Inflation und gestiege-
ner Umsätze nicht aufgestockt worden.
Das Versäumnis der Regierung könnte es
den gebeutelten Thomas-Cook-Kunden
nun erleichtern, ihre kompletten Anzah-
lungen über eine Staatshaftungsklage
einzufordern. Ein erstes Verfahren könnte
demnächst der Verband unabhängiger
selbstständiger Reisebüros (VUSR)
anstrengen. Dessen Vorsitzende, Marija
Linnhoff, hatte schon im Februar vor
einer möglichen Pleite von Thomas Cook
gewarnt, war zunächst aber belächelt wor-
den. Im August ließ sie eine Bekannte auf
Rechnung des Verbands eine Reise mit
Thomas Cook im Herbst buchen. Der Fall
dient nun als Basis für die Klage. DID, GT
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