Die Welt - 02.11.2019

(Brent) #1
Erbsenpüree ist die wichtigste Zutat für die Burger-Pattys von Beyond Meat – Rote-Bete-Saft für eine blutige Farbe und Raucharomen für echten Grillgeschmack komplettieren die veganen Bratlinge

GETTY IMAGES

/ LACAOSA

D


er Absturz von 240 auf 80
Dollar ist brutal. Ein Bör-
senverlust von mehr als
neun Milliarden inner-
halb von drei Monaten
spricht Bände. Schnell wird das Ende
von Beyond Meat – des großen Börsen-
lieblings – und das Aus des ganzen neu-
en Ernährungstrends herbeigeredet.
„Die Veggie-Burger-Revolution gerät
ins Stottern“ oder so ähnlich lauten die
Schlagzeilen. Es werden Analysten zi-
tiert, die die Beyond-Meat-Aktie herun-
terstufen, weil sie „offenbar Fleisch-
esser sind“.

VON NANDO SOMMERFELDT
UND HOLGER ZSCHÄPITZ

Und hier offenbart sich, dass ein neu-
er ökonomischer und ökologischer
Trend völlig missverstanden wird. Viele
halten den Aktienkurs von Beyond Meat
für das ultimative Trendbarometer der
Fleischlosära.
Tatsächlich ist das US-Unternehmen
so etwas wie der Pionier der Branche.
Es stellt Fleisch her, das kein Fleisch ist,
aber genauso schmeckt. Die Produkte
werden auf Pflanzenbasis hergestellt.
Für die Burger, das Hack oder auch die
Hähnchennuggets werden die pflanzli-
chen Ressourcen quasi direkt genutzt –
ohne vorher an Rind, Schwein oder
Hähnchen verfüttert zu werden. So
wird nicht nur auf das Tierleid verzich-
tet, es werden auch Ressourcen wie
Wasser und Land geschont sowie schäd-
liche Treibhausgase vermieden.
Der Irrtum dieser Ernährungsrevolu-
tion liegt bei der Identifikation der Ziel-
gruppe. Es sind gerade nicht die viel zi-
tierten Vegetarier oder Veganer, die Bey-
ond und Co. kaufen sollen und werden.
Es sind die Milliarden Fleischesser, die
gern Fleisch konsumieren, doch dabei
ein zunehmend schlechtes Gewissen ha-
ben. Flexitarier heißt diese Fleisch-
essergeneration. Sie treiben einen ge-
sellschaftlichen Wandel voran, der mit
der Transformation des Autosektors zu
saubereren und umweltfreundlicheren
Antrieben und Transportdienstleistun-
gen vergleichbar ist. Kein Mensch würde
das Ende der Elektromobilität ausrufen,
nur weil die Aktie des E-Pioniers Tesla

einbricht – was schon oft genug gesche-
hen ist. Genauso wenig ist die Aktie von
Beyond Meat der passende Indikator zu
den Aussichten der Ernährungswende.
„Nachhaltigkeit wird immer relevan-
ter, da die Verbraucher, vor allem die
Millennials und Generation Z, sich der
Schäden, die die Nahrungsmittelproduk-
tion für den Planeten verursacht hat, be-
wwwusst geworden sind“, erklären dieusst geworden sind“, erklären die
Branchenexperten der Investmentbank
Barclays. Sie glauben, dass „alternatives
Fleisch“, wie sie es nennen, das Potenzi-
al hat, in den Mainstream zu gehen, in-
dem es alle Menschen, nicht nur Vegeta-
rier anspricht, da die Ernährung immer
mehr „flexitär“ wird. Laut Daten des
Analysehauses Kantar, werden beispiels-
weise in Großbritannien 92 Prozent aller
pflanzenbasierten Mahlzeiten von nicht
veganen „Flexitariern“ konsumiert.
Der globale Rindfleischkonsum ist ei-
ne der größten Umweltbedrohungen für
den Planeten. Kühe tragen mehr zu den
globalen Treibhausgasemissionen bei
als Autos, wobei die durchschnittliche
Kuh täglich bis zu 500 Liter Methan
emittiert.
Fast die Hälfte der weltweiten Ernte
wird benötigt, um die Tierpopulation zu
ernähren, die aus rund 1,4 Milliarden
Rindern, 1 Milliarde Schweinen, 20 Mil-
liarden Geflügel und 1,9 Milliarden
Schafen, Lämmern und Ziegen besteht.
Tatsächlich sind die Ressourcen, die
die Tierhaltung verschlingt, gewaltig –
und entsprechend groß das Einsparpo-
tenzial durch Akteure wie Beyond Me-
at. Laut einer Veröffentlichung des
„Economist“ werden beispielsweise für
ein Kilogramm Rindfleisch 100 Kilo-
gramm Treibhausgase emittiert. Dazu
werden mehr als 1400 Liter Trinkwas-
ser verbraucht. Außerdem ist eine
Nutzfläche von 326 Quadratmetern
notwendig. Für ein Kilo pflanzliche
Burger liegen die Werte drastisch tiefer.
3,5 Kilogramm CO 2 , knapp zehn Liter
Wasser und 2,7 Quadratmeter Fläche
werden verbraucht.
Die Zahlen zeigen, wie ineffizient die
Produktion von Fleisch ist. Der höchste
Landverbrauch und viel Energie gehen
dafür drauf, die Tiere auf der Weide he-
rumlaufen zu lassen und den Aufbau
von Knochen und Hufe zu fördern, die

gar nicht für den Fleischkonsum benö-
tigt werden. Laut OECD-Daten wird
knapp die Hälfte der weltweiten Ernte
für die Tierfütterung verwendet. Nur 37
Prozent für die Ernährung der Mensch-
heit selbst. Da das ökologische Denken
und Handeln der Konsumenten – zu-
mindest in der westlichen Welt – immer
präsenter wird, steigt die Lust auf die
fleischlose Alternative.
Deshalb sind sich alle Experten einig,
dass dem Fleischlosmarkt eine große
Zukunft bevorsteht. Anzeichen für ein
vorzeitiges Ende der gerade begonne-
nen Ära sieht niemand. Allenfalls könn-
te es passieren, dass die Zahl der Flexe-
tarier nicht so schnell wächst wie heute
prognostiziert. Die Barclays-Analysten
erwarten, dass der Markt für alternative
Fleischprodukte von heute 14 auf 140
Milliarden Dollar in zehn Jahren
wächst. „Das Potenzial ist größer, als
wir es vor zehn Jahren für die Elektro-
mobilität prophezeit haben.“
Viele Experten halten den neuen Er-
nährungstrend ökonomisch und gesell-
schaftlich für ähnlich bedeutend wie
die Mobilitätswende. Und auch diese
hatte mit Tesla ein Gesicht, und auch
hier gab und gibt es immer wieder
Rückschläge, die Zweifler sofort als En-
de eines Megatrends deuteten. Das Bei-
spiel des Elektropioniers von Gründer
Elon Musk zeigt eine weitere Analogie.
Immer wieder hieß es, dass ein so klei-
ner Akteur es gar nicht schaffen kann,
die großen Spieler des Marktes gar
nicht auf Dauer aufscheuchen und an-
treiben kann – oder ihnen sogar gefähr-
lich wird. Zu übermächtig und gleich-
zeitig zu behäbig agieren die etablier-
ten Spieler. Doch genau wie Elon Musk
treibt auch Beyond-Meat-Gründer Et-
han Brown die Branche vor sich her.
Egal ob Nestlé, Kraft oder Tyson Foods,
jeder wichtige Lebensmittelmulti hat
inzwischen erkannt, dass er bei diesem
neuen Trend mitmachen muss. Doch
folgt man der Tesla-Theorie, muss der
Markteintritt der Großen keineswegs
das Aus für den Pionier bedeuten. Bey-
ond Meat hat den Vorteil, ohne Altlas-
ten die neue Fleischloswelt zu erschaf-
fen und andauernd zu verbessern. Die
etablierten Anbieter leben in ihrer an-
gestammten Firmenkultur, sie müssen

intern mit Widerständen kämpfen, sich
nach außen um alte Lieferbeziehungen
kümmern. Außerdem können sie sich
nicht mit voller Kraft auf die neue Welt
stürzen, sondern müssen Ressourcen
auch für andere Geschäftsbereiche zur
Verfügung stellen. Genau das erklärt
auch, warum der Onlinehändler Ama-
zon in der digitalen Welt so groß wer-
den konnte, obwohl in der analogen
Handelswelt große Konzerne wie Wal-
mart existieren. Auf dem Weg zur füh-
renden Onlinemacht wurde Amazon
immer wieder für gescheitert erklärt.
„Amazon.bomb“ titelte beispielsweise
das renommierte Anlegermagazin „Bar-
ron’s“. Ein Irrtum, wie sich heute zeigt.
Dabei ist Beyond Meat schon heute
mehr als eine vage Wette auf die Zu-
kunft. Das Unternehmen hat im vergan-
genen Quartal sogar erstmals in seiner
erst zehnjährigen Geschichte einen Ge-
winn erwirtschaftet. Gleichzeitig wur-
den die Umsatzprognosen kräftig ange-
hoben. Knapp eine halbe Milliarde Dol-
lar will Brown im kommenden Jahr mit
seinen Fleischersatzprodukten erwirt-
schaften. Um auf Nummer sicher zu ge-
hen, hat sich Beyond Meat genügend
Rohstoffe gesichert, um auch eine Milli-
arde umzusetzen.
Denn die richtig großen Geschäfte
und Umsatztreiber stehen unmittelbar
bevor. So hat sich der Fast-Food-Riese
McDonalds noch immer keinen Fleisch-
loslieferanten ausgesucht. Doch fallen
die Pilotprojekte mit Beyond Meat in
Kanada positiv aus, könnte es auf eine
Liaison hinauslaufen. Allein dieser Deal
würde nach Berechnungen der Invest-
mentbank Goldman Sachs Beyond einen
zusätzlichen Jahresumsatz von rund 100
Millionen Dollar bringen. Darüber hi-
naus arbeitet der Fleischloskonzern in
den USA mit Dunkin’ Donuts und der
Franchisekette Kentucky Fried Chicken
zusammen. Im Bereich Fast Food konn-
te Beyond Meat den Umsatz zuletzt
mehr als verdoppeln. Auch im Einzel-
handel ist die Wachstumsgeschichte mit
einem Plus von fast 90 Prozent intakt.
Im wahren Leben wird also deutlich,
dass es beim fleischfreien Zeitalter um
mehr geht als um Börsenkurse. Der Hy-
pe mag vorüber sein. Die Ära beginnt

mehr geht als um Börsenkurse. Der Hy-
pe mag vorüber sein. Die Ära beginnt

mehr geht als um Börsenkurse. Der Hy-

gerade erst.

DAS


GRÜNE FLEISCH


LEBT


Mit dem Börsenabsturz des Veggie-Pioniers


Beyond Meat wird bereits das Ende


des neuen Ernährungstrends ausgerufen.


Dabei lehren die Beispiele wie Tesla oder


Amazon, dass echte ökonomische


Revolutionen nicht linear verlaufen


Mai ���� Okt. ����

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Geplatzte Kurshoffnungen


Quelle: Bloomberg

Börsenkurs von Beyond Meat in Dollar

Rind

Schwein
Huhn

99,

12,
9,

Emission Treibhausgase
kg CO� pro kg Liter pro kg Quadratmeter pro kg

Wasserverbrauch Landverbrauch

Fleisch

Fleisch-ersatz

Beyond
Burger
Impossible
Burger

3,

3,

1451

1796
660

9,

107

326
7,

6,

2,

2,

Ökologischer Fußabdruck


Quelle: The Economist

Emissionen und Verbrauch pro Kilogramm Fleisch/Fleischersatz

11


02.11.19 Samstag, 2. November 2019DWBE-HP


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    Belichter: Farbe:Belichter: Farbe:Belichter:


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Probleme beim Recycling Seite 15


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