Die Welt Kompakt - 06.11.2019

(Brent) #1

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M


illionen Deutsche
glauben an einen
Engel. Mit dem
schützenden Him-
melsbewohner wirbt die Spar-
kassen-Tochter Provinzial für
ihre Policen. Und auch andere
Anbieter versprechen ihren
Kunden, ein starker Partner an
ihrer Seite zu sein (Axa), die Al-
lianz stellte einst gar ein festes
Bündnis mit dem Glück in Aus-
sicht.


VON ANNE KUNZ

Laut Verbraucherschützerin
Bianca Boss vom Bund der Ver-
sicherten sind solche Erwar-
tungen aber übertrieben. Eine
Versicherung sei kein Rundum-
schutz, der bei jedem Malheur
im Alltag einspringe. Stattdes-
sen gehe es vor allem darum,
existenzielle Risiken abzusi-
chern. Schäden, die aus eigener
Tasche gezahlt werden könn-
ten, sollte man hingegen nicht
versichern.
Unter den Policen, auf die
sich Verbraucher konzentrieren
sollten, ist zuerst die Privat-
haftpflicht zu nennen. Boss
vom Bund der Versi-
cherten rät, nicht zu
knausern und eine
Police mit einer De-
ckungssumme von
mindestens 15 Mil-
lionen Euro abzu-
schließen. „So hohe
Schäden sind eher
unwahrscheinlich,
doch Statistik hilft nicht, wenn
man betroffen ist“, sagt Peter
Grieble von der Verbraucher-
zentrale Baden-Württemberg.
Auch er empfiehlt, die De-
ckungssumme möglichst hoch
zu wählen, um in schweren
Ausnahmefällen geschützt zu
sein.
Grieble weist zudem darauf
hin, dass die private Haftpflicht
nicht allumfassend ist. So sind
Schäden durch Tiere nicht ein-
geschlossen. Vor allem Besitzer
von Hunden oder Pferden soll-
ten eine extra Tierhaftpflicht-
versicherung abschließen.
Familien mit Kindern unter
sechs Jahren sollten eine Police
wählen, die auch deliktunfähige
Personen versichert. Ansonsten
kann es sein, dass der Geschä-
digte auf den Kosten sitzen
bleibt. Nur wenn die Eltern


nachweislich ihre Aufsichts-
pflicht verletzt haben, besteht
nämlich ein Anspruch gegen-
über ihnen und damit ihrer
Haftpflichtversicherung.
Ansonsten haftet niemand,
da das Kind bis zum siebten
Jahr deliktunfähig ist. So regelt
es das Gesetz. In der Nachbar-
schaft oder im Freundeskreis
könnte dies aber für Streit sor-
gen, weswegen die Eltern den
Schaden in vielen Fällen aus ei-
gener Tasche zahlen. Durch den
Ausschluss der „Einrede bei De-
liktunfähigkeit“ können sie das
vermeiden.
Auch der Schutz vor dem
Verlieren fremder Schlüssel ist
in bestimmten Fällen empfeh-
lenswert – etwa bei Menschen,
die ehrenamtlich tätig sind.
Sinnvoll kann zudem eine
Forderungsausfalldeckung sein.
Diese zahlt, wenn es zu einem
Schaden durch Fremdverschul-
den kommt, der Verursacher
aber über alle Berge ist oder die
Summe nicht aufbringen kann,
weil er eben nicht versichert
ist.
Auch die eigene Immobilie
sollten Verbraucher durch eine
umfassende Police
schützen – schließ-
lich ist das eigene
Haus für viele Men-
schen die größte In-
vestition ihres Le-
bens. Umso mehr
kann es sich rächen,
bei der Gebäude-
haftpflichtspolice zu
knausern und auf den Elemen-
tarschutz zu verzichten, ob-
gleich dieser relativ teuer ist.
Der Elementarschutz sichert
Schäden ab, die durch Unwet-
ter entstehen. Durch den Kli-
mawandel ist insbesondere die
Gefahr von Überschwemmun-
gen und Erdbeben gestiegen.
Grieble von der Verbraucher-
zentrale Baden-Württemberg
warnt allerdings vor Tarifen,
bei denen die Anbieter die Ge-
samtleistung für solch dramati-
sche Ereignisse begrenzen.
„Wenn ein Versicherer nur ein
paar Hundert Millionen Euro
für ein Erdbeben bezahlt, ist
das viel zu wenig aus meiner
Sicht. Das kann dramatische
Folgen haben – Großschäden
werden nur teilweise beglichen,
und die Betroffenen bleiben auf
hohen Kosten sitzen.“

Auch Starkregen wird immer
häufiger – und kann jeden tref-
fen. Gerät zu schnell zu viel
Wasser in die Kanalisation,
steigt die Gefahr eines Rück-
staus, der insbesondere private
Immobilien trifft. „Der Regen
aus der Kanalisation dringt
dann durch Toiletten- und Kel-
lerabläufe in das Haus und
sorgt teilweise für große Schä-
den. Die Bausubstanz wird
durch Feuchtigkeit stark ange-

griffen, und aufwendige Trock-
nungsaktionen sind notwendig.
Das kann teuer werden“, sagt
Grieble. Solche Fälle hätten in
den vergangenen Jahren deut-
lich zugenommen.
Immobilienbesitzer, die mit
Öl heizen, sollten zudem die Ri-
siken von Gewässerverunreini-
gung versichern. Bei Mehrfami-
lienhäusern ist eine Grundbe-
sitzerhaftpflicht sinnvoll, nur
bei Einfamilienhäusern springt

nämlich die private Haftpflicht
ein, wenn sich jemand auf dem
Grundstück verletzt.
Versicherungen für die Brille,
das Handy oder die neue
Waschmaschine scheinen nicht
übermäßig teuer und für den
Alltag äußerst nützlich. Schließ-
lich ist die Wahrscheinlichkeit,
das neue Smartphone fallen zu-
lassen, deutlich höher, als dass
das Haus durch ein Erdbeben
beschädigt wird. Verbraucher-
schützer und Finanzberater
rümpfen aber angesichts der an-
gebotenen Policen die Nase. In
ihren Augen sind die Prämien
angesichts des relativ niedrigen
Werts der versicherten Gegen-
stände und deren raschen Wert-
verfalls starküberteuert.
„Das Wichtigste ist zu priori-
sieren“, sagt Grieble. „Manche
Verbraucher haben so viele Po-
licen von irgendwas, dass sie
gar kein Geld mehr für die
wichtigen Sparten haben.“ Zu
Hause stünden dicke Ordner
mit zahlreichen Verträgen. „Sie
fühlen sich gut geschützt – aber
das stimmt in Wahrheit gar
nicht, denn gegen die existen-
ziellen Risiken sind sie nicht
abgesichert“, sagt Grieble.

GETTY IMAGES/ FRANKRAMSPOTT

Immer auf der


sicherenSeite


Versicherungen sind wichtig, um


existenzielle Risiken abzusichern. Allerdings


gibt es einige Fallstricke, die Verbraucher


beachten müssen. Und manche Policen


sind einfach nur teuer und überflüssig


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