8 POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,6.NOVEMBER
Ahmed Mohamed
S
eit dem 17. Oktober die-
ses Jahres wird der Jour-
nalist Ahmed Mohamed
von den Behörden der halbau-
tonomen Region Puntland im
nordöstlichen Somalia festge-
halten. Mohamed, der bis vor
Kurzem den Radiosender Radio
Daljir leitete, soll sich der „öf-
fentlichen Aufstachelung“ und
der „üblen Nachrede“ schuldig
gemacht haben. Anlass ist wo-
möglich ein Beitrag, den der
Sender Anfang September aus-
strahlte. Darin war über das
Schicksal eines Häftlings be-
richtet worden, der in Polizei-
gewahrsam zu Tode gefoltert
worden sein soll.
Mohamed war bereits Ende
September vor ein Militärge-
richt zitiert worden. Dieses hat-
te sich kurz darauf allerdings
für nicht in der Lage erklärt, ei-
nen Zivilprozess zu führen.
Trotzdem zwangen die Behör-
den den Journalisten wenig
später, seinen Job niederzule-
gen, und nahmen ihn fest. Ar-
naud Froger, Chef des Afrika-
Büros von Reporter ohne Gren-
zen, forderte die somalische
Regierung dazu auf, „Druck auf
die Behörden in Puntland aus-
zuüben und auf eine Freilas-
sung von Mohamed zu drin-
gen“. Auf der Rangliste der
Pressefreiheit von Reporter oh-
ne Grenzen liegt Somalia auf
Platz 164 von 180 Ländern.
RSF
#Free
them
all
FFFreeree
them all
In Kooperation mit
REPORTER OHNE GRENZEN
N
ach der Aufkündigung
des Pariser Klima-
schutzabkommens
durch die US-Regierung hat die
Bundesregierung den Zusam-
menhalt der anderen Staaten
im Kampf gegen die Erderhit-
zung beschworen. Der formale
Schritt der USA sei keine Über-
raschung mehr, teilte Bundes-
umweltministerin Svenja
Schulze mit. Das sei „zwar be-
dauerlich“, aber ein „Allein-
gang“. Denn anders als befürch-
tet habe es keinen Dominoef-
fekt gegeben. „Der Rest der
Welt steht zusammen beim Kli-
maschutz“, sagte die SPD-Poli-
tikerin. Die Europäische Union
zeigte sich ebenfalls enttäuscht
von den USA.
Klimaabkommen:
US-Ausstieg
ist besiegelt
D
er Friedhof von Derik
liegt einige Kilometer
aaaußerhalb des Stadt-ußerhalb des Stadt-
zentrums – mitten in
der Wüstensteppe. Es ist ein Meer
von Gräbern, das am frühen
AAAbend im leuchtenden Rot der un-bend im leuchtenden Rot der un-
tergehenden Sonne besonders ein-
drucksvoll wirkt. Mehr als 1000
Gräber sind in langen Reihen sym-
metrisch angeordnet. Sie sind aus
grauen Marmor gefertigt und zei-
gen Fotos der Toten; lachende jun-
ge Männer und Frauen, die für die
kurdische YPG-Miliz im Kampf ge-
gen den Islamischen Staat (IS) ge-
fffallen sind. Wie in Derik gibt es inallen sind. Wie in Derik gibt es in
jeder Stadt Nordsyriens diese letz-
ten Ruhestätten für die „Märty-
rer“, wie sie genannt werden. Ins-
gesamt starben 11.000 Kämpfer im
Krieg gegen die Extremisten.
VON ALFRED HACKENSBERGER
AUS DEIREK/NORDSYRIEN
Seit Beginn der türkischen Inva-
sion in Nordsyrien am 9. Oktober
gibt es erneut Tote. Und wie in De-
rik muss in vielen Städten der
Friedhof für die Opfer ausgebaut
werden. Ankara will die von ihr als
„„„Terrorbande“ eingestufte YPGTerrorbande“ eingestufte YPG
mit allen Mitteln zerschlagen und
eine Sicherheitszone in Nordsy-
rien einrichten. Eine Gruppe von
Frauen steht schweigend an einem
der etwa 50 neuen Gräber, die im
behelfsmäßig erweiterten Teil des
Friedhofs von Derik bislang nur
mit Ytongbausteinen markiert
sind. Das Grab ist liebevoll mit gel-
broten Blumen und grünen Blät-
tern aus Plastik dekoriert. Die
Frauen zünden Kerzen an und set-
zen sich auf den steinigen Erdbo-
den. Nach einer Weile der Stille
stehen sie auf und beten gemein-
sam. Es sind Freundinnen, und da-
runter ist auch die Mutter von
Havrin Khalaf, der jungen kurdi-
schen Politikerin, die hier ihre
letzte Ruhestätte gefunden hat.
KKKhalaf war am 12. Oktober eineshalaf war am 12. Oktober eines
der ersten Opfer der syrischen Re-
bellen, die die Türkei als Hilfstrup-
pen bei ihrer Militäroffensivein
Nordsyrien einsetzt.
Diese Milizen sind überwiegend
radikalislamistisch, und viele ma-
chen aus ihrer Sympathie für al-
Qaida oder das IS-Kalifat keinen
Hehl. Die erst 35-jährige kurdische
AAAktivistin fiel ihnen bei einemktivistin fiel ihnen bei einem
Hinterhalt auf der Verbindungs-
straße M 4 in die Hände. Kämpfer
der Ahrar al-Scharkija-Miliz miss-
handelten sie schwer, bevor sie ih-
ren Körper mit einer Gewehrsalve
durchsiebten. Die Rebellen im
Dienste Erdogans rächten sich auf
besonders brutale Weise an ihr,
weil sie für den Gegenentwurf des
Frauenbilds steht, das die Islamis-
ten haben. Sie trug kein Kopftuch,
sie setzte sich für die Gleichbe-
rechtigung der Frauen ein und en-
gagierte sich außerdem auch für
Minderheiten, die nicht kurdisch
waren. Die Islamisten wollten mit
ihrem Tod auch den Traum Nord-
syriens von einer autonomen und
selbstverwalteten Gesellschaft eli-
minieren. Souad Mustafa, die Mut-
ter von Havrin, trägt ein langes
Kleid aus schwarzem Samtstoff
und dazu ein schwarzes Tuch eng
um ihren Kopf gewickelt. Sie wirkt
wie versteinert. Auch später, bei
ihr zu Hause in Derik im Wohn-
zimmer eines einstöckigen Hau-
ses, ändert sich am Gesichtsaus-
druck der 62 Jahre alten Frau we-
nig. Mustafa ist noch immer ge-
schockt. Als Erstes sagt sie: „Ich
möchte, dass die Täter, die meiner
Tochter das angetan haben, best-
raft werden. Sie müssen dafür be-
zahlen.“ Zu den Verantwortlichen
zählt Mustafa, die in der Nachbar-
schaft familiär „Mutter Souad“ ge-
nannt wird, auch den türkischen
Präsidenten Recep Tayyip Erdogan
und US-Präsident Donald Trump.
Erdogan habe die brutalen Dschi-
hadisten engagiert, und US-Präsi-
dent Donald Trump habe den An-
griff durch seinen Verrat erst mög-
lich gemacht. Sie meint damit den
AAAbzug der US-Truppen aus dembzug der US-Truppen aus dem
Grenzgebiet, mit dem Trump
üüüberraschend grünes Licht für dieberraschend grünes Licht für die
türkische Offensive gegeben hatte.
Mehr als zehntausend syrische Re-
bellen stehen auf der Lohnliste
Ankaras. Die türkische Armee trai-
nierte und rüstete sie aus. Unter
ihrer Führung wurden die Milizio-
näre bereits bei zwei Invasionen in
Syrien als Bodentruppen einge-
setzt. Dabei spielt es für die Türkei
keine Rolle, dass diese Milizionäre
üüüberwiegend radikale Islamistenberwiegend radikale Islamisten
und an Kriegsverbrechen beteiligt
sind, wie internationale Men-
„Sie wollten meine
TTTochter einfachochter einfach
auslöschen“
Kurdische Frauen sind weltweit ein Symbol für Stärke
und Unabhängigkeit – und eine Provokation für Islamisten.
Nach dem Abzug der USA aus Nordsyrien wurde die
kurdische Frauenrechtlerin Hevrin Khalaf brutal ermordet.
Unser Reporter hat ihre Mutter getroffen
Soad Mustafa am
Grab ihrer Tochter
Hevrin Khalaf
SEBASTIAN BACKHAU