Hannover– Irgendwann formuliert Tere-
sa Enke einen entscheidenden Satz, sie
sitzt beim Podiumsgespräch auf der Büh-
ne des Theaters am Aegi in Hannover und
sagt, kein bisschen resignativ: „Der Fuß-
ball wird immer so bleiben. Der Fußball ist
so, und die werden sich nie mit Wattebäll-
chen beschmeißen.“ Damit sorgt sie für ei-
nen Moment der Klarheit an diesem
Abend, Teresa Enke, die ein Talent dafür
hat, anteilnehmend und gleichzeitig sehr
zupackend formulieren zu können.
Teresa Enke ist die Witwe des Torwarts
Robert Enke, der sich vor zehn Jahren, am
- November 2009, das Leben genommen
hat. Enke war depressiv, er hätte sich in ei-
ner Klinik behandeln lassen müssen, aber
Enke stand im Kader der Nationalmann-
schaft und war Kapitän von Hannover 96,
so einer kann nicht wochenlang ohne Erklä-
rung von der Bildfläche verschwinden.
„Ich glaube, die Klinik wäre seine Rettung
gewesen“, sagt Teresa Enke, aber ihr Mann
hielt die Fassade aufrecht. Wie würden
Fans, Medien, Gegner denn umgehen mit
einem depressiven Profi? Enke ging nicht
in die Klinik, spielte weiter Fußball, spielte
gut. Nichts aus seinem Inneren drang nach
außen, nichts durfte nach außen dringen.
Auch das führte zur Katastrophe.
Im Theater am Aegi sind Fans mit
96-Kutte und ein paar Stars und ehemali-
ge Stars des Betriebs, viele davon mit Han-
nover-Bezug. Die Trainer und Manager
Mirko Slomka, André Breitenreiter, Jörg
Schmadtke, auch der ehemalige DFB-Prä-
sident Reinhard Grindel. Gibt es jetzt mehr
von dieser sogenannten Menschlichkeit,
die angemahnt worden war von den Red-
nern bei der Trauerfeier damals im Stadi-
on von 96? „Fußball ist nicht alles. Fußball
darf nicht alles sein“, hatte der damalige
DFB-Präsident Theo Zwanziger gesagt.
„Denkt auch an das, was in den Menschen
ist – an ihre Zweifel, ihre Schwächen.“
Was ist eigentlich anders geworden seit
Enkes Tod, gibt es jetzt mehr von dieser so-
genannten Menschlichkeit? Das ist die Fra-
ge des Abends, sie steht auch programma-
tisch über einem Dokumentarfilm aus der
NDR-Reihe „Sportclub Story“, der in einer
Preview gezeigt wird: „Robert Enke – auch
Helden haben Depression“ heißt der Halb-
stünder von Henning Rütten (Sendeter-
min: 10. November, 23.45 Uhr im NDR,
schon jetzt steht er in der Mediathek). Der
Film ist berührend und bereichernd für sol-
che, die glauben, Enke hätte zeitlebens
und ständig gegen die Depression ankämp-
fen müssen. So war es gerade nicht, es gab
seltene Phasen, in denen die Krankheit
sichtbar Besitz von ihm ergriff. Aber weite
Teile seines Lebens war Enke der ausbalan-
cierte Mann, den seine Frau im Film und
auf dem Podium beschreibt. Nicht extro-
vertiert, aber auch der Introvertierte kann
ein fröhlicher, offener Mensch sein, gerade
der Introvertierte. Wie wirkte er? „Total
selbstsicher, selbstbewusst, das hat man in
jeder Trainingseinheit gespürt“, sagt im
Film sein Freund und Mitspieler Per Merte-
sacker, „er wollte mehr aus sich rausholen,
er wollte mehr aus anderen rausholen.“
Die Leute glauben immer, dass es das ei-
ne Ereignis gibt, das jemanden aus der
Spur bringt, dieses eine hoch verlorene
Spiel oder diesen einen Todesfall in der Fa-
milie, aber so einfach ist es nicht. Und na-
türlich gibt es auch leidgeprüfteste Men-
schen, die keine Depression ausbilden.
Was ist denn jetzt anders geworden? An-
ders geworden ist, und die Robert-Enke-
Stiftung mit der Vorsitzenden Teresa Enke
hat da viel bewirkt: Es gibt Adressen, Tele-
fonnummern, Ansprechpartner für Sport-
ler, die spüren, dass sie mit Druck und
Angst nicht mehr klarkommen. „Wir hat-
ten das damals eben nicht“, sagt Teresa En-
ke, inzwischen existiert ein Netzwerk aus
Sportpsychologen und Sportpsychiatern.
Es ist deutschlandweit gespannt – und
führt bestenfalls dazu, dass nicht nur die
Wettkampftauglichkeit eines Athleten wie-
derhergestellt wird.
Was nun aber nicht anders geworden
ist, ist der Umgang der Öffentlichkeit mit
den Stars, das betrifft einen Teil der Medi-
en und einen Teil des Publikums, beson-
ders jenen, der sich im Internet auskotzt.
Fußball, man muss sich da nichts vorma-
chen, ist im Leben vieler Menschen der Be-
reich, wo sie all das rauslassen können,
was sie anderswo mühevoll beherrschen
müssen. Und kein Fußballer wird diesen
Idioten gegenüber etwas von sich preisge-
ben, schon gar keine Schwäche.
Zehn Jahre nach dem Tod von Robert En-
ke hat sich also viel geändert und zugleich
nichts, zu dieser ambivalenten Bilanz pass-
te der Ehrengast, der im Theater am Aegi
aufgeboten war. Teresa Enke hat sich Uli
Hoeneß gewünscht, der sich – diesen Ein-
druck teilte sie mit ihrem Mann – immer
so eindrucksvoll vor seine Spieler stellt.
Der Bayern-Präsident ist tatsächlich nach
Hannover gekommen, trotz des Theaters
gerade an der Säbener, das spricht für ihn.
Und natürlich spricht für ihn der Umgang
seinerzeit mit dem ebenfalls depressiven
Sebastian Deisler, dem sie bei Bayern so-
gar einen offenen Vertrag angeboten ha-
ben, er hätte jederzeit wieder einsteigen
können, aber er schaffte es nicht.
Uli Hoeneß erzählt von einem Trainings-
lager in Dubai, Deisler rief immer bei ihm
auf dem Zimmer an, er wollte reden. Dann
redeten sie, Deisler wollte aufhören mit
Fußball. „Er hat immer eine Flasche Bier
getrunken. Er hat dann gesagt: ‚Herr Hoe-
neß, es geht nicht mehr. Ich kann nicht
mehr.‘“ Einmal redeten sie bis halb fünf
morgens, Hoeneß hatte eine Suite in die-
sem Hotel, zwei Schlafräume, er bot Deis-
ler an, im zweiten Zimmer zu übernachten,
dann wäre er ja in seiner Nähe. „Um halb
neun bin ich aufgewacht, da lag er schlum-
mernd in diesem Bett. Ich habe ihn ge-
weckt und gesagt: ‚Um neun Uhr ist Früh-
stück, geh mal runter‘“, sagt Hoeneß. An
dem Tag habe Deisler hervorragend trai-
niert. „Ich dachte, jetzt haben wir es ge-
schafft.“
Wenige gibt es, die so etwas so glaub-
haft und vollkommen unverkitscht erzäh-
len können wie Uli Hoeneß. Aber anderer-
seits war es dieser Hoeneß, der vor nicht
langer Zeit über seinen ehemaligen Spieler
Juan Bernat gesagt hat, der habe „einen
Scheißdreck“ zusammengekickt, bei Me-
sut Özil war die Diagnose kürzer: „Dreck“.
Nicht, dass so eine Beschimpfung einen
jungen Menschen in die Krise stürzen wür-
de, so simpel ist es nicht. Trotzdem fragt
man sich, wie ein so fürsorglicher Mann
wie Hoeneß gleichzeitig so rüde sein kann.
Aber: „Der Fußball ist so, und die wer-
den sich nie mit Wattebällchen beschmei-
ßen“, hat Teresa Enke gesagt. Vom Publi-
kum gab es später für sie eine Standing
Ovation. holger gertz
München– Esist für einen Fußballlehrer
nicht der schlechteste Gedanke, das zu pro-
bieren, was schon unter Pep Guardiola
funktioniert hat. So sehen das vermutlich
die meisten Fußballlehrer der Welt, nur
Pep Guardiola nicht, der ja den Selbstzwei-
fel zur Kunstform erhoben hat; aber für Gu-
ardiola ist der beste Trainer der Welt auch
nicht Guardiola, für ihn ist das Marcelo
Bielsa, der Argentinier, von dem er sich in
vielen Fragen des Fußballs hat schulen las-
sen. Unter anderem in der Frage, wo Javier
Martinez gut Fußball spielen kann.
Als Guardiola im Sommer 2013 als Trai-
ner zum FC Bayern kam, stellte er diesen
Martinez, der auf der Position vor der Ab-
wehr ein wesentlicher Stabilisator auf dem
Weg zum Titel in der Champions League
war, in die Innenverteidigung. Dorthin al-
so, wo Martinez einst unter Bielsa bei Athle-
tic Bilbao gespielt hatte. Zwei Jahre später,
im Sommer 2015, berichtete Martinez,
dass Guardiola ihn „mit 200 Videos unter-
richtet habe“, was vermutlich eine unge-
naue Angabe war; 200 Videos schaut Guar-
diola üblicherweise an einem normalen
Wochenabend. Martinez sagte auch: „Pep
hat mich gelehrt, die Rolle des Innenvertei-
digers ganz anders zu spielen als unter Mar-
celo Bielsa, bei dem ich Manndeckung ge-
spielt hatte.“ Der Gedanke, Martinez nun
wieder dort einzusetzen, wo dieser schon
Bielsa und Guardiola überzeugt hatte, ist al-
so gleich zu Beginn ein überzeugender Ge-
danke von Hansi Flick an seinem ersten Ar-
beitstag als Trainer des FC Bayern.
Andererseits: Bleibt ihm überhaupt so
viel anderes übrig?
Bielsa bei Bilbao und auch Guardiola
beim FC Bayern konnten Martinez in die In-
nenverteidigung verschieben, weil sie den
Luxus hatten, mit einem Spieler zu arbei-
ten, der auf mehreren Positionen einge-
setzt werden kann; vor allem Guardiola hat-
te außerdem den Luxus, dass er einen Ka-
der trainierte, der ihm mehrere Varianten
ließ. Für den neuen Bayern-Trainer Hansi
Flick ist der Innenverteidiger Javier Marti-
nez dagegen kein Luxus. Es ist fast schon ei-
ne Notwendigkeit.
Niklas Süle: monatelang verletzt. Lucas
Hernández: wochenlang verletzt, vielleicht
auch monatelang. Jérôme Boateng: für
zwei Spiele in der Liga gesperrt, das erste
davon ist das am Samstag gegen Borussia
Dortmund. Übrig bleibt Flick von den soge-
nannten etatmäßigen Innenverteidigern
allein Benjamin Pavard, der aber in den ver-
gangenen Wochen oft unsicher wirkte.
Flick übernimmt eine Abwehr, die als sol-
che kaum noch zu erkennen ist.
Die Fehler in der Defensive, die fehlen-
de Abstimmung in der Rückwärtsbewe-
gung, das war eines der großen Themen in
den letzten Wochen von Flicks Vorgänger
Niko Kovac, es bleibt auch vor dem ersten
Spiel des neuen Trainers zentral. Die „pri-
märe Aufgabe“ sei es, „besser zu verteidi-
gen“, sagt Joshua Kimmich. Das Verteidi-
gen „im Verbund“ habe zuletzt nicht funkti-
oniert, „deswegen haben wir so viele Ge-
gentore bekommen“. Es dürfe nicht sein,
fordert er, dass die Bayern „pro Spiel drei
Tore schießen müssen, um das Spiel zu ge-
winnen“. Und Flick will von seiner Mann-
schaft sehen, dass sie kompakt ist, aber
auch, „dass sie die Initiative ergreift, nach
vorne verteidigt, den Ball haben will“.
Das Spiel an diesem Mittwoch gegen
Piräus sieht Flick im Verbund mit dem
Spiel gegen Dortmund; er wird daher wohl
schon gegen Piräus auf Boateng verzich-
ten. Und er verrät, dass er auf Martinez set-
zen werde, ansonsten „können Sie da nix
herauskitzeln“. So viel allerdings dann
doch: Ob Martinez in der Innenverteidi-
gung spielen werde? Flick sagt: „Ja.“
Um Martinez herum baut Flick also sei-
ne Abwehr zusammen. Die konservativste
Variante wäre es dabei, Pavard neben Mar-
tinez in der Mitte zu lassen, Kimmich auf
rechts zu stellen und auf links David Alaba.
Vor der Abwehr spielen dann aber weder
Martinez noch Kimmich, also keiner der
beiden Spieler, die die beste Absicherung
versprechen. „Bei den Positionen will ich
nichts vorwegnehmen“, sagt Kimmich am
Dienstag geheimnisvoll. Und Kimmichs Po-
sition lässt Flick dann auch tatsächlich
nicht aus sich herauskitzeln.
Der frühere Sechser Flick schätzt die
Sechser-Qualitäten von Kimmich sehr, ge-
nauso wie die von Martinez; bei der konser-
vativsten Variante müsste er die für ihn at-
traktivsten Spieler aufseinerPosition aber
übergehen. Denkbar wäre daher, dass Ala-
ba als Innenverteidiger spielt und links hin-
ten Alphonso Davies – allerdings war dies
auch die Lösung beim 1:5 in Frankfurt.
Oder Flick gibt in der Innenverteidigung
dem Talent Lars Lukas Mai eine Chance. In
beiden Fällen könnte Pavard nach rechts
rücken und Kimmich ins Mittelfeld. Den
19-jährigen Mai hatte Kovac konsequent
ignoriert; junge Spieler aufzubauen, ist in
München nicht als Kernkompetenz von Ko-
vac aufgefallen. Hansi Flick dagegen hat
sich seinen Namen auch als Talentförderer
gemacht. benedikt warmbrunn
von christof kneer
München– Natürlich mag auch Hansi
Flick Anekdoten, jeder Fußballer mag das.
Die Anekdoten, die Flick erzählt, unter-
scheiden sich von den Anekdoten anderer
Fußballer aber dadurch, dass er nicht zwin-
gend der Held der Geschichte sein muss.
„Es gibt den schönen Spruch: Herz schlägt
Talent, der trifft auf mich voll zu“, sagt Han-
si Flick etwa, wenn er über seine fußballeri-
schen Qualitäten spricht, die ihn immer-
hin mal für fünf Jahre zum FC Bayern ge-
führt haben. In diesen fünf Jahren stand
dieser bescheidene Mensch übrigens auch
mal machtlos auf der Torlinie und ließ ei-
nen Hackenball von Rabah Madjer passie-
ren. 1987 war das, die Bayern verloren das
Landesmeister-Finale gegen Porto 1:2. Ob
er noch mal erzählen könne, wie das war
mit Madjers Tor, wurde Flick mal gefragt,
und er antwortete: Ach, bitte nicht so viel
Vergangenheit. Er lebe in der Gegenwart.
Wenn Fußballer ein Plädoyer fürs Hier
und Jetzt halten, haben sie meistens entwe-
der keine Lust auf eine gescheite Antwort,
oder sie weichen aus, oder beides. Und na-
türlich musste auch Flick am Dienstag ein
bisschen die Flucht antreten, als er vor
dem Champions-League-Auftritt gegen
Olympiakos Piräus (Mittwoch, 18.55 Uhr)
erstmals als Interimschef des FC Bayern
vor den Reportern saß. Alles, was komme,
interessiere ihn „null“, antwortete Flick al-
so auf die Reporterfrage, ob er sich auch
ein längeres Engagement als Trainer des
FC Bayern vorstellen könne. Er sei „keiner,
der in Vergangenheit oder Zukunft lebt“,
die Gegenwart sei für ihn entscheidend –
Floskeln, klar, aber eben auch: Flick. Er
tickt so. Als bekennender Pragmatiker will
er sich weder ablenken noch das freundli-
che Gemüt ruinieren lassen von etwas, was
er nicht oder nur wenig beeinflussen kann.
Trotzdem kann man keineswegs be-
haupten, dass Hansi Flick im Momentnur
ans nächste Spiel denkt, wie es die Mutter
oder womöglich sogar Großmutter aller
Floskeln nahelegt. Hansi Flick denkt ans
nächste Spiel und an das danach.
Für die Spiele gegen Piräus und Dort-
mund hat er jetzt erst mal den Auftrag der
Vereinsführung erhalten, und so hat Flick
beschlossen, beide Partien im Paket zu coa-
chen. Im aktuellen Fall bedeutet das offen-
bar, dass er im ersten Spiel eine Elf bringt,
die sich fürs zweite Spiel schon mal einspie-
len darf. Javier Martinez und Thomas Mül-
ler würden spielen, das könne er verraten,
sagte Flick und meinte: in beiden Partien.
Flick weiß, was jeder neue Trainer weiß,
der ein Team im laufenden Betrieb über-
nimmt: dass er keine Zeit hat. So wird Flick
keinesfalls versuchen, die Welt oder gar
den Fußball neu zu erfinden, er wird den
Spielern zu vermitteln versuchen, was sie
zuletzt vermisst haben: Stabilität, Sicher-
heit und ein gutes Gefühl. Deshalb das Be-
kenntnis zum seriösen Martinez, den er in
die Abwehr stellen wird, deshalb auch Mül-
ler, ein Erfolgsgarant aus guten, alten Ta-
gen – kleine Handgriffe, die ihm nebenbei
noch die Unterstützung der Kurve und so-
wieso von Uli Hoeneß einbringen.
„Ein tolles Training“ habe er mit der
Mannschaft absolviert, erzählte Flick, er
sei „sehr, sehr zufrieden“ mit den Spielern,
überhaupt hätte ihn die Qualität der Mann-
schaft schon in seiner Zeit als Assistent fas-
ziniert. Auch solche Sätze gehören zum So-
forthilfeprogramm eines schnellen Ein-
greifhansi, in diesem Fall sowieso: Intern,
dort aber recht vernehmlich, haben sich
die Spieler zuletzt über die Hier-die-Spie-
ler-und-dort-der-Trainer-Rhetorik von Ni-
ko Kovac beklagt; mit Befremden regis-
trierten die Profis, wie Kovac über individu-
elle Fehler der Spieler referierte. Flick hin-
gegen gilt als Coach, „der einen guten
Draht zu den Spielern haben“ will, wie er
sich am Dienstag versehentlich selbst lob-
te, aber natürlich weiß er auch, dass man
als Assistent leichter der nette Onkel sein
kann als in verantwortlicher Rolle.
Am Dienstag saß aber ein Hansi Flick
auf dem Podium, der sich erheblich von je-
nen übervorsichtigen Hansi Flicks unter-
schied, die als Jogi Löws Berufsassistenten
viele Jahre auf den Podien der Welt saßen.
Am Dienstag saß dort oben ein präsenter
Coach, der zwar weiterhin den bewährten
Teamplayer geben und den neuen, alten As-
sistenten Hermann Gerland auch gerne
konsultieren wird – der neue Chef hat aber
in aller Bescheidenheit schon auch gesagt,
dass er jetzt die Verantwortung trage, und
zwar „gerne und ohne Weiteres“. Und er
hat seine Spieler sehr demonstrativ in die
Pflicht genommen, „jeder einzelne, nicht
nur Manuel Neuer und Robert Lewandow-
ski“, müsse auf Weltklasse-Niveau spielen,
sagte Flick zum Beispiel.
Es klingt immer noch seltsam, wenn
Spieler „Hansi“ zum Vorgesetzten sagen,
man könne „den Hansi“ nachher selber fra-
gen, sagte Joshua Kimmich am Dienstag
mal (in München sagen die Spieler sonst
immer „Trainer“ zum Trainer bzw. „Herr
Heynckes“). Der Hansi ist aber offenbar
entschlossen, das kleine „i“ am Namensen-
de durch ein großes „I“ zu ersetzen.
Sollte Flick die beiden Spiele souverän
durchcoachen, stehen die Chancen nicht
schlecht, dass die Bayern gemäß Hoeneß-
Logik den Trend zum Friend machen und
Flick erst mal weiter Chef sein lassen. Paral-
lel werden die Bosse die Optionen prüfen,
sie werden über Ralf Rangnick debattieren
und die Mitarbeitermassen, die ihn übli-
cherweise begleiten; sie werden überle-
gen, ob Arsène Wenger als Übergangstrai-
ner Sinn ergeben könnte oder ob man sich
an den jungen Xabi Alonso herantraut. Ein
erfolgreicher Übergangstrainer Flick könn-
te ihnen aber helfen, auf die vertraglich ge-
bundenen Thomas Tuchel (Paris) oder Erik
ten Hag (Amsterdam) zu warten. Ten Hag
hat den Bayern bereits freundliche Worte
gewidmet, aber auch klargemacht, dass er
nicht vor Sommer 2020 zur Verfügung ste-
he. Und Tuchel ließ ausrichten, er sei
„nicht interessiert, weil ich Trainer in Paris
bin“. Was aber ein grundsätzliches Interes-
se nicht ausschließt, etwa für den Fall, dass
er mal nicht mehr Trainer in Paris ist.
Am Ende seines ersten Auftritts als Chef
hat Hansi Flick noch bestätigt, dass Robert
Lewandowski sich einem Eingriff an der
Leiste unterziehen müsse, „dass es irgend-
wann mal gemacht werden muss, ist klar“.
Lewandowski werde sich aber „gut überle-
gen, ob er seinen Lauf jetzt unterbrechen
soll“. Sehr pragmatisch gedacht: Ein erfolg-
reicher Lewandowski erhöht die Chancen,
dass auch der Trainer Flick erfolgreich ist.
Pferdesport
Nurdie fittesten Tiere dürfen
zu den klimatisch heftigen
Sommerspielen 2020 25
Sport inBayern
60-Coach Daniel Bierofka gibt auf,
Nürnberg und Schweinfurt
wechseln die Trainer 26
Hoeneßerzählt von einem
Trainingslager in Dubai; Deisler
rief an, er wollte reden
DEFGH Nr. 256, Mittwoch, 6. November 2019 HMG 23
Robert Lewandowski muss
operiert werden – die einzige
Frage ist nur noch: wann?
Instabil wie zuletzt 2008
Liga-Bilanz desFC Bayern nach dem 10.Spieltag
„Der Fußball ist so, und die werden sich nie mit Wattebällchen beschmeißen“
Was ist eigentlich anders geworden seit dem Tod des Torwarts Robert Enke vor zehn Jahren? Zumindest die Prävention bei Depression hat sich verbessert, sagt Ehefrau Teresa Enke
Vorwärts in die Gegenwart
Der Berufsassistent Hansi Flick präsentiert sich in München als Chef, der genau weiß, was jetzt bei Bayern zu tun ist.
Dass er länger als zwei Spiele bleiben möchte, sagt er nicht – gibt aber durchaus zu erkennen, dass er es sich zutraut
Geheimnis
um Kimmich
Trainer Flick versucht, die nicht vorhandene Abwehr zu stärken
Neunundzwanzigeinhalb Jahre ist es her, als der Spieler Hansi Flick (oben, Mitte)
im Mai 1990 von FC-Bayern-Präsident Fritz Scherer (links) und vom damaligen
Manager Uli Hoeneß im Olympiastadion verabschiedet wurde –
mit einem Geschenkgutschein, der auch „ein Nachmittagstraining mit dem
Deutschen Meister“ beinhaltete. Am Dienstag betrat Flick, 54, den Trainingsplatz
erstmals als FCB-Chefcoach, begleitet von seinem Interimsassistenten
Hermann Gerland (Bild unten, links).FOTOS: EISSNER / IMAGO, RUIZ / IMAGO
SPORT
16 Gegentore nach zehn Bundesliga-Spieltagen
- dasist zu diesem Zeitpunkt die schlechteste
Defensiv-Bilanz des FC Bayern seit Herbst 2008,
damals unter Trainer Jürgen Klinsmann.
Saison-
Saison Platz Tore Punkte ende
08/09 4. 22:16 18 (2.)
09/10 5. 17:9 18 (1.)
10/11 7. 12:10 15 (3.)
11/12 1. 26:3 22 (2.)
12/13 1. 30:4 27 (1.)
13/14 1. 22:6 26 (1.)
14/15 1. 23:3 24 (1.)
15/16 1. 33:4 30 (1.)
16/17 1. 24:6 24 (1.)
17/18 1. 24:7 23 (1.)
18/19 3. 18:11 20 (1.)
19/20 4. 25:16 18
„Ich glaube, die Klinik wäre seine Ret-
tung gewesen“, sagt Teresa Enke. Ihr
Mann blieb lieber im Tor. FOTO: SIELSKI/IMAGO
HEUTE
Vorgesehen für Hauptrollen in den Hansi-Flick-Trainerwochen: die Nationalspieler
JoshuaKimmich (vorne) und Leon Goretzka. FOTO: HASSENSTEINER/GETTY