Neue Zürcher Zeitung - 08.11.2019

(Steven Felgate) #1

INTERNATIONALE AUSGABE


Freitag, 8. November 2019 FINANZEN 15

Morgen bezahlen wir mit einem Lächeln


Das digitale Bezahlen en twicke lt sich rasant, das ze igen auch die jüngsten Vorstösse vonSIX Payment Services


WERNER GRUNDLEHNER


In der Schweiz kann man neu an den Be-
zahlterminals von SIXPayment Services
mit der chinesischen Smartphone-App
WeChat-Paybezahlen.Das ist für hie-
sige Detaillisten interessant,denn chine-
sischeTouristen wollen nicht mit Kredit-
karte oderBargeld zahlen, sondern be-
vorzugen die AppsWeChat oder Alipay
(das ebenfalls akzeptiert wird). Um mit
WeChat-Paybezahlen zukönnen, muss
man aber über einKonto bei einer chi-
nesischenBank verfügen. Dem Schwei-
zer Privatkunden, der meistkein solches
Konto hat, zeigt dieneuste Entwicklung
jedoch, welcherasantenFortschritte die
Bezahlsysteme machen.


Teure Infrastruktur


Seit einemJahr ist SIXPayment Ser-
vicesTeil des europäischen Marktführers
Worldline. Das französische Unterneh-
men, das in der Schweiz bei 85 000 Händ-
lern rund 140000 Terminals betreibt,
sieht sich im fragmentierten europäi-
schen Markt gemäss Marc Schluep, Ge-
schäftsführer Schweiz, als Schrittmacher:
«Wegen der teuren Infrastruktur ist es ent-
scheidend, ob man 1 oder 10 Milliarden
Tr ansaktionen durchführt.» Zudem wür-
den es Grosskunden wie etwa LouisVuit-
ton begrüssen, wenn sie für ganz Europa
nur einenPartner hätten. «BeiWorldline
geht es nur noch um das Bezahlgeschäft»,
so Schluep. Früher unter demDach der
SIX seienWertschriftenhandel und -ver-
waltung im Zentrum gestanden.
Das Zahlungsgeschäft wandelt sich
schnell, derTr end geht in Richtung «in-
visible payment». Denn niemand zahlt
um des Zahlens willen. Die Zahlung ist
lediglich dieKonsequenz eines vorheri-
gen Entscheids – etwa des Beschlusses,
etwas zu erwerben. In China wird be-
reits mit derTechnologie «Smile to pay»
gearbeitet. Der Käufer tritt vor eine
Kamera und lächelt. Mittels Gesichts-
erkennung wird so die Zahlung ausge-
löst. Doch Chinesen haben einen deut-
lich entspannteren Umgang mitDaten-
schutz als etwaWesteuropäer.
Aber auch Europa bewegt sich.
Das Marktforschungsinstitut Market-


agent.com führteEnde 20 18 eine Um-
frage in der Schweiz durch. DieFrage
lautete: «Stellen Sie sich vor, Siekönn-
ten in Geschäften und Supermärkten
an der Kasse mit einemkontaktlosen
Scan IhrerFinger bezahlen – der Be-
trag wird direkt von IhremKonto abge-
bucht. Für diese Bezahlmethode müss-
ten Sie sich nur einmalig und sicher bei
IhrerBankregistrieren, d. h., IhrFinger-
abdruck wird entsprechend gespeichert
und IhrenBankdaten zugeordnet.Wür-
den Sie diesen Service nutzen, wenn die-
ser von IhrerBank angeboten würde?»
DaserstaunlicheResultat:Jeweils über
50% der befragten Männer undFrauen
können sich das vorstellen.Dabei ist
der Unterschied bei Geschlechtern und
Altersgruppennicht sehrgross. Gemäss
einer Studie vonBain nehmen auch

E-Wallets zu.Dabei handelt es sich um
ein virtuellesPortemonnaie, das es Nut-
zernerlaubt, Guthaben auf digitalen
Plattformen zu speichern und für Zah-
lungen im Internet zu verwenden.

Unabhängigvon derKarte


Das E-Wallet ist ankeinen materiellen
Tr äger wie eine Kreditkarte gebunden.
Nach einer Einzahlung steht der Be-
trag als Guthaben im E-Wallet zurVer-
fügung. Im asiatischenRaum dürften E-
Walletsgemäss derBain-Studie bereits
in denkommenden dreiJahrenBargeld
als das meistgenutzte Zahlungsmittel im
stationären Handel ablösen. ImJa hr 2022
würden weltweit voraussichtlich mehr als
einViertel aller Zahlungen inLäden und
nahezu die Hälfte im Onlinehandel mit-

hilfe der virtuellen Geldbörse erfolgen.
In einer verzwickten Situation befinden
sich Kartenanbieter wie etwaVisa und
Mastercard.Sie wissen, dass das Karten-
geschäft deutlich an Gewicht verlieren
wird, deshalb stossen sie mitAcquiring
und Processing auch ins Abwicklungs-
ge schäft vor. Obwohl die Kartenanbie-
ter riskieren, mit der Entwicklung alter-
nativerLösungen ihre Lizenznehmer,
dieBanken, zu verärgern, investierten
sie auch in neue kartenlose Zahlungs-
arten,so etwa inAccount-to-account-
Lösungen.
US-amerikanische und chinesische
Unternehmen, beispielsweise Alipay,
versuchen ihre Entwicklungen auch
in Europa zu etablieren.Hier mer-
ken sie aber, dass der Markt viel stär-
ker fragmentiert ist und auchregulato-

risch einige Herausforderungen bereit-
hält. Die europäischenLänder wollen
auf der anderen Seite nicht in die Ab-
hängigkeit der USA oder Chinas ge-
raten. Deshalb haben sieben Anbieter
von mobilen Zahlungslösungenim Sep-
tember 2019 die Empsa (European Mo-
bilePaymentSystemsAssociation) aus
derTaufe gehoben.Dazu gehört etwa
nebenSwish aus Schweden, Bluecode
aus Deutschland und Österreich und
MobilPayausDänemark undFinnland
auch die Schweizer LösungTwint, die
vonWorldline weiterentwickelt wird.
Die sieben europäischen Bezahlsysteme
sollenkompatibelgemacht werden, so
dass man mitTwint auch in Spanien und
Schweden bezahlen kann.

Chinesen mögen den QR-Code


Schluep führt aus, dass er im Zusam-
menhang mitTwint oft höre,«kontakt-
los ist schneller und zahlen mit QR-Code
umständlich». Demkönne er entgegen-
halten, dass rund eine Milliarde Chine-
sen sowohl Alipay als auchWeChat-
Pay nutzten. Diese Apps seien nicht in
erster Linie Bezahlanwendungen, son-
dern Life-Style-Apps – die ursprünglich
nicht als Zahlungsanwendungenkon-
zipiert wurden. Mit diesen Apps kann
der Anwender E-Commerce abwickeln,
Restaurantsreservieren,Taxis bestellen
und Arzttermine vereinbaren. Zudem sei
diePerson-zu-Person-Zahlungsmöglich-
keit vonTwint eineFunktion, die viele
Benutzer schätzten und die beimkon-
taktloses Zahlen nicht möglich sei.
«DieTage der Gebühren beireinen
Bezahlvorgängen sind gezählt», konsta-
tiert denn auch derBain-Partner Ingolf
Zies. Das Bezahlen werdeTeil ande-
rer Produkte werden. Bezahldienstleis-
ter müssen deshalbeinen Mehrwert für
ihreKunden schaffen, sei es durch be-
sonders bequeme Bezahlmöglichkeiten,
integrierte Lösungen wieDatenauswer-
tungen undFinanzierungen oderkom-
plette Softwarelösungen einschliesslich
Webshops und betriebswirtschaftlicher
Steuerungsprogramme. Solche Dienste
werden gemässBain in zehnJahren zwi-
schen 50 und 80% der Gewinne von Be-
zahlsystemanbietern ausmachen.

ChinesischeTouristen bezahlen vielfachmit Apps wieWeChat oderAlipay. ALEXANDRA WEY / KEYSTONE

Was Spar er beim Geld von reic hen Familien lernen können


Ein Blick auf die Vermögensverwaltung wohlhabender Familien


MICHAEL FERBER


In Zeiten von Negativzinsen ist die Geld-
anlage besonders anspruchsvoll. In den
vergangenenJahren hat die Situation
am Kapitalmarkt aber dazu geführt,
dass die Aktienkurse und die Immobi-
lienpreise nach oben geschossen sind.
Profitiert haben davon vor allem die
Akteure, die schon länger in solche Anla-
gen investiert haben.Dazugehören zwei-
fellossogenannteFamily-Offices–dies
sind die Anlagevehikel, in denen wohl-
habende Familien ihre Gelder verwal-
ten. Was können SparerundPrivatanle-
ger allenfalls von ihnen lernen?Aus der
neuen Studie desBayerischenFinanz-
Zentrums (BFZ) in Zusammenarbeit
mit den Unternehmen Axa Investment
Managers, Blackrock, Commerzbank
und Noerr LLP lässt sich diesbezüglich
einiges herauslesen. 51Family-Offices
aus der Schweiz, aus Deutschland und
Österreich wurden befragt.


„Beim Blick auf dieVerteilung der
Gelder der Anlagevehikel vermögender
Familien fällt auf, dass diese stark dar-
auf achten, Anlagerisiken zu streuen.


«Family-Offices nutzen die ganze Klavia-
tur von Anlagen», sagtFelix Breuer, Vor-
standsmitglied beim BFZ und einer der
Autoren der Studie. Natürlich ist dabei
zu beachten, dassFamily-Offices Gross-
investoren sind.

„Auffällig ist allerdings, dassFamily-
Offices ihre Gelder – imGegensatz
zu vielen Sparern – stark in Sachwer-
ten anlegen. Sie investieren imDurch-
schnitt 29 % ihrer Anlagegelder in
Aktien und zusätzlich15% in ausser-
börsliches Beteiligungskapital (Private
Equity), und zwar inForm vonFonds
und direkten Investitionen. Hinzu
kommen Anlagen in Immobilien und
Agrarflächen mit einem Anteil von
14%. Festverzinsliche Wertpapiere,
also vor allem Obligationen, haben mit
imDurchschnitt23% einen vergleichs-
weise kleinen Anteil an denPortfolios
derFamily-Offices.Die private Alters-
vorsorge der Niedrigverdienersei in
den vergangenen Jahren durch die
Niedrigzinspolitik der Notenbanken
demontiert worden, schreibtWolfgang
Gerke, emeritierter Professor und Prä-
sident des BFZ, in der Studie.

„Auffälligist das starke Engagement
derFamily-Offices in Private Equity.
Angesichts der Niedrigzinspolitik der
Notenbanken hätten dieVerwalter der
Gelder von vermögendenFamilien in

den vergangenenJahren verstärkt und
gut gestreut in Private Equity investiert,
heisst es in der Studie. Damit hätten sie
zwangsläufig längerfristig höhereRendi-
tenerzielt als Kleinsparer, die stark auf

Sparkonten, Lebensversicherungen und
Staatsobligationen setzen.

„Angesichts des dochrecht sportlichen
Anteils an risikobehaftetenAnlagen er-
staunt, dass 69% der befragtenFamily-
Offices angeben, bei ihnen stehe der
Kapitalerhalt bei den wichtigsten An-
lagezielen an erster Stelle (vgl. Grafik).
Als Antwort auf die niedrigen bis nega-
tivenZinsen gaben die meistenVerwalter
grosserFamilienvermögen an,sie verfolg-
ten einen Mittelweg zwischen höherem
Risiko und niedrigerer Rendite. Breuer
weist indessen darauf hin, dassFamily-
Offices oftmals sehr langfristig inves-
tierten. Ziel sei es zumeist, dasVermö-
gen einerFamilie auchfürkommende
Generationen zu bewahren.

„Family-Offices achteten auch auf die
Kosten ihrer Anlagen, sagt Breuer. Im
Vergleich zur letzten BFZ-Studie ist
der Anteil derFamily-Offices, die güns-
tige Indexfonds und Exchange-Traded
Funds (ETF) nutzen,gestiegen.Nur
20% der Befragten gaben an,keine sol-
chen passiv verwaltetenAnlagevehikel
einzusetzen.

Euro/Fr.
1,09970.09%

Dollar/Fr.
0,99380.14%

Gold($/oz.)
1484,40-0.39%

Erdöl(Brent)
62,380.95%

SMI
10314,29-0.04%

DAX
13268,510.67%

EuroStoxx 50
3703,890.41%
Stand

15.50 Uhr
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