Focus - 02.11.2019

(Barré) #1
MITTELSTAND

gespräche finden – wenn überhaupt – am
Telefon statt. Mehr Flexibilität geht nicht.
Was für Gewerkschaften klingt wie ein
Albtraum, ist für die modernen akade-
mischen Tagelöhner gerade reizvoll: Sie
arbeiten gern am Abend, an Wochenen-
den, an Feiertagen. Dann bleibt in der
Woche genug Zeit fürs Studium. Und wer
sowieso nicht weiß, ob er im nächsten
Semester vielleicht ins Ausland geht,
braucht keine langfristigen Verträge.
Die Unternehmen wiederum organi-
sieren sich bequem Hilfe, wenn besonders
viel zu tun ist. „Ohne einen professio-
nellen Vermittler ist die Suche nach
flexiblen Mitarbeitern ein viel auf-
wendigerer Prozess“, sagt Eckhard
Köhn, einer der Geschäftsführer
von Studitemps. Personaldienst-
leistungen sind nicht neu; sie
online anzubieten auch nicht.
Aber die Konzentration auf Stu-
denten ist ein lukratives Allein-
stellungsmerkmal. Seit der Grün-
dung 2008 ist die Firma schnell
gewachsen. Heute arbeiten fast 400
feste Mitarbeiter an 23 Standorten in
Deutschland. 2018 machte Studitemps
74 Millionen Euro Umsatz. Umsatzwachs-
tum: im Schnitt 35 Prozent pro Jahr.
In Online-Foren finden sich aber neben
Lob auch Beschwerden über die Zeitar-
beitsfirma. Die Studenten ärgern sich vor
allem über Mängel in der Kommunikati-
on. „Auf Anfragen wird nur geantwortet,
wenn es simple Anliegen sind“, schreibt
einer. „Ich habe von Studitemps selbst
noch nie jemanden kennengelernt“, be-
schwert sich ein anderer.
Geschäftsführer Köhn bezeichnet diese
Probleme als „Wachstumsschmerzen“. Er
und seine Mitarbeiter versuchen, Prozesse
und Strukturen zu verbessern, transparent
und ansprechbar zu sein trotz des Wachs-
tums. Aber klar, Studitemps geht es um
Masse. Je mehr Abschlüsse, desto mehr
Geld. Für jede vermittelte Arbeitsstunde
erhält Studitemps eine Provision. Köhn,
50, selbst übrigens arbeitete zu Uni-Zeiten
als Zeitungsträger, Telefonverkäufer und
Müllmann. Heute sagt er: „Ich habe bei
jedem Job etwas dazugelernt.“ n

AMELIE MARIE WEBER

DIE FIRMA Studitemps GmbH
GRÜNDUNG 2008 in Köln
UMSATZ 74 Millionen Euro (2018)
MITARBEITER 375
KUNDEN u. a. Fossil, Deutsche Bahn, Media Markt

66 FOCUS 45/2019

Der Personalvermittler Studitemps ist Deutschlands größter


Arbeitgeber für Studenten und nutzt die Vorteile von Zeitarbeit


Die Lückenfüller


C


hristopher Meder hat den
schönsten Nebenjob der Welt.
Findet er jedenfalls. Der 26-Jäh-
rige studiert Wirtschaftsinge-
nieurwesen und fährt Luxusau-
tos durch München. BMW, Mer-
cedes, Maserati – er kennt sie alle. Und das
Beste: Dafür bekommt Meder sogar noch
Geld, 10,50 Euro pro Stunde. Wann immer
es sein Uni-Stundenplan zulässt, sitzt er
hinter dem Steuer und fährt für einen

bekannten Autovermieter Fahrzeuge zu-
rück an ihre Mietstation. „Dieser Job“,
sagt er, „macht wirklich Spaß.“
Das Kölner Zeitarbeitsunternehmen
Studitemps hat ihm zu diesem Traum-
job verholfen. Die Firma wächst schnell,
die Nachfrage ist groß. In einer Volks-
wirtschaft, die nahezu Vollbeschäftigung
erreicht hat, sind Arbeitskräfte gefragt.
Auf jedem Level. Studitemps vermittelt
jeden Monat etwa 8000 studentische Mit-
arbeiter an mehr als 1000 Unternehmen.
Das Geschäft läuft immer besser.
Das System ist einfach. Die Studenten
geben online an, wann und was sie ar-
beiten wollen, Studitemps kennt die Vor-
stellungen der Firmen und vermittelt die
passenden Stellen. Verträge laufen nie
länger als sechs Monate, manche werden
auch nur für einen Tag abgeschlossen.
Die Papierform entscheidet, Vorstellungs-

Vier Männer, eine Mission
Andreas Wels, Eckhard Köhn, Benjamin
Roos und André Swientek (v. l.)
wollen den Erfolg ihrer jungen Zeitarbeits-
firma weiter vorantreiben

Made in
Germany
Der Mittelstand
im FOCUS

SERIE, TEIL 23

JOHANNES B. KERNER
Exklusiv fotografiert
für HÖRZU

Einer, der


zu Hause hat


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