KULTUR DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,31.OKTOBER2019 SEITE 20
Z
uletzt lief es ja nicht
mehr so rund. Das trot-
zige Ausstellungshaus,
das seit Hitlers Zeiten
einen schweren Steinschlaf
schläft und sich wie im Traum al-
le Wechsel der voranstürmenden
Kunstgeschichte gefallen lassen
muss, produziert seit Jahren
Schlagzeilen, dass man mit dem
Protokoll gar nicht mehr nach-
kommt. Erst ging es nur um Bäu-
me, die weg sollten, um umstrit-
tene Sanierungskonzepte des Bü-
ros Chipperfield. Dann wurde
Okwui Enwezor krank. Dann
schied der charismatische Direk-
tor aus. Auch der Hauptkurator
Ulrich Wilmes ging. Mitarbeiter
wurden als Scientologen ver-
dächtigt, andere sexueller Über-
griffe bezichtigt.
VON HANS-JOACHIM MÜLLER
Allmählich war die Liste amt-
lich beglaubigter Verfehlungen
komplett und Bernhard Spies,
der kaufmännische Direktor, fast
allein. Was ihm umso mehr Mut
machte, das Enwezor-Erbe ent-
schlossen abzutragen. Die Über-
nahme einer Joan-Jonas-Ausstel-
lung von der Tate ließ er gerade-
so absagen wie Adrian Piper, die
ihre Moma-Schau in München
zeigen wollte. Unlängst warf er
noch höchstselbst Ai Weiwei aus
dem Haus, als er den Künstler
beim unangemeldeten Solidar-
protest gegen die angedrohten
Mitarbeiter-Kündigungen antraf.
Soweit der Lagebericht aus
München. In der Zwischenzeit
weiß man zumindest, wie es wei-
tergeht. Andrea Lissoni soll die
verfahrenen Münchner Dinge
richten. Der 49jährige Mailänder
war lange an der Tate in London,
wo er auch die Joan-Jonas-Aus-
stellung verantwortet hat, die sie
in München nicht mehr wollten.
Nun hat er bis zu seinem
Amtsantritt im April nächsten
Jahres Zeit, über die bestmögli-
che Rehabilitation des leicht ver-
kommenen Hauses nachzuden-
ken. Bis dahin ist auch Bernhard
Spies noch ein bisschen da. Und
vor allem ist Bernhard Spies’
Hinterlassenschaft da – eine
wuchtige Markus-Lüpertz-Aus-
stellung als auftrumpfender Joan
Jonas-Ersatz, wie ihn Okwui En-
wezor nie auf seiner Agenda ge-
duldet hätte.
Also noch einmal die hallen-
den Marmorfliesen auf und ab,
über die schon so viele Reitstiefel
marschiert sind. Eigener Ein-
gang, eigenes Motto („Über die
Kunst zum Bild“), Festschrift,
Mausoleums-Stille. Vermutlich
gibt es keine höheren Museums-
säle in Deutschland. Lüpertz’
dreiteiliges Hochformat „Canyon
- dithyrambisch“ aus dem fernen
Jahr 1968 misst, wenn es sich
ganz aufrichtet, neunmeteracht-
zehn. Passt gerade rein.
Selbst über den Portalen und
Durchlässen ist noch genügend
Platz für Bilder im Mammutfor-
mat. Von tief unten schaut man
nach oben. Denn so hat es der
Maler gewollt, dass man immer-
zu aufschaut zu ihm. Und wenn
doch einmal die unwahrscheinli-
che Zeit kommen sollte, die vor
seinen Bildern lieber die Augen
niederschlägt, der Name wird
bleiben als ehernes Größenmaß.
Weshalb man nicht kleinlich
sein will, aber den Eindruck muss
man schon loswerden. Es ist eine
seltsame Nostalgie-Veranstal-
tung – mit diesem komischen
Odeur, das Wintermäntel an sich
haben, die man aus der Sommer-
einlagerung holt. Als sei man bei
einer feierlichen Depot-Eröff-
nung. Das Werk war lange weg,
bis es jetzt im Herbst des Hauses
der Kunst wiederbelebt werden
soll. Alles Bilder, mit denen man
MAXIMILIAN GEUTER
KUNST
Seltenes Mozart-Bild
unterm Hammer
Wolfgang Amadeus Mozart gilt
als Wunderkind und Tausend-
sassa: In Paris wird am 27.No-
vember ein seltenes Porträt
aus der Jugendzeit des öster-
reichischen Komponisten ver-
steigert, das eine ganz andere
Facette seiner Persönlichkeit
zeigt, wie das Auktionshaus
Christie’s mitteilte. Auf dem
Gemälde vom Januar 1770
blickt der 13-jährige Mozart
den Betrachter ernst an, im
Hintergrund ist ein Cembalo
zu sehen.
Köln zeigt
Rembrandt
Das Wallraf-Richartz-Museum
in Köln zeigt ab Freitag eine
Ausstellung zum 350. Todestag
Rembrandts (1606–1669). Rem-
brandt van Rin, der am 4. Ok-
tober 1669 starb, gilt als einer
der bedeutendsten nieder-
ländischen Künstler des Ba-
rock. Unter dem Titel „Inside
Rembrandt. 1606–1669“ sind
bis zum 1. März insgesamt 63
Rembrandt-Werke zu sehen.
KOMPAKT
A
m31. Oktober begeht
man in Deutschland
traditionell einen der
höchsten kirchlichen Feierta-
ge: Halloween. Kinder verklei-
den sich als Martin Luther,
werfen Kürbisse auf vorbeifah-
rende Autos und rufen: „Wa-
rum rülpset und furzet ihr
nicht, hat es euch nicht ge-
schmacket?“ Dieser Ausspruch
stammt wohl nicht vom defti-
gen Reformator und Bibel-
übersetzer, sondern von Wins-
ton Churchill. Das tut der Hal-
loween-Begeisterung hierzu-
lande aber keinen Abbruch, im
Gegenteil. Jugendliche ver-
bringen die Nacht zum 31. in
Buchhandlungen, weil sie auf
eine neue Ausgabe der Bibel
warten, dem Kultbuch der Hal-
loween-Jünger. Glockenläuten
ist tagsüber verboten, statt-
dessen klingeln bei den Einzel-
händlern die Kassen, die mit
Zusatzeinnahmen von 320
Millionen Euro rechnen dür-
fffen. Das Halloween-Fieber haten. Das Halloween-Fieber hat
inzwischen sogar die USA er-
reicht, wo man auch schon an-
dere urdeutsche Bräuche wie
den Valentinstag adaptiert hat.
Dort ist es Sitte, dass am 31.
Oktober ein Truthahn den
Präsidenten begnadigt, der
zum Dank ein Jahr weiterre-
gieren darf.
Zippert
zappt
KOLOSSALE Leere
Seit Jahren liefert das Münchner Haus der Kunst nur
Problemschlagzeilen. Bis der neue Direktor kommt,
behilft man sich mit Lüpertz. Über ein seltsames Interregnum
Markus-Lüpertz-Schau „Über die Kunst zum Bild“
VG BILD-KUNST, BONN 2019
/ MAXIMILIAN GEUTER