Die Welt Kompakt - 31.10.2019

(Brent) #1

8 POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,31.OKTOBER


Ruholla Zam


S


eit Mitte Oktober dieses
Jahres befindet sich der
iranische Journalist RRRu-u-
holla Zamin Haft. Zam, der aus
dem französischen Exil einen
verschlüsselten Nachrichten-
dienst über die App Telegram
betrieb, wurde anscheinend bei
einer privaten Reise nach Bag-
dad entführt. Wie die Irani-
schen Revolutionsgarden am 14.


Oktober mitteilten, sei der
„Konterrevolutionär“ dank ei-
nes „komplexen und professio-
nellen Einsatzes“ festgenom-
men worden. In einem Nach-
richtenbeitrag, der noch am sel-
ben Tag im iranischen Staats-
fffernsehen ausgestrahlt wurde,ernsehen ausgestrahlt wurde,
legte Zam in Handschellen ein
Schuldbekenntnis ab. Er be-
dauere seine Taten zutiefst und
bereue es, „ausländischen Re-
gierungen und insbesondere
Frankreich vertraut zu haben“.
AAAuf Amad News, so der Nameuf Amad News, so der Name
seines Nachrichtendienstes,
dem zwischenzeitlich mehr als
1 ,4 Millionen Menschen folgten,
hatte Zam zuvor wiederholt
über politische Korruptionsfälle
im Iran berichtet. Bereits im De-
zember 2017 hatte die iranische
Regierung die Betreiber von Te-
legram deshalb dazu angehal-
ten, den Kanal zu blockieren.



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FFFreeree


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In Kooperation mit
REPORTER OHNE GRENZEN


Ein Informant im Versteck des
IS-Anführers Abu Bakr
al-Baghdadi hat zum Erfolg des
US-Militäreinsatzes gegen den
Extremistenchef beigetragen.
Der Informant sei ein Funktio-
när der Dschihadistenmiliz ge-
wesen, berichtete die
„Washington Post“. Er habe
präzise Informationen über
al-Baghdadis wechselnde Auf-
enthaltsorte sowie den Grund-
riss des Anwesens geliefert, das
am vergangenen Wochenende
von US-Elitesoldaten angegrif-
fen worden war. Im Verlauf des
Einsatzes tötete der IS-Chef
sich selbst, indem er in einem
Tunnel eine Sprengstoffweste
zündete. Der Informant sei
während des Angriffs nahe der
Ortschaft Barischa in Nordwes-
ten Syriens anwesend gewesen,
berichtete die Zeitung.


Spitzel verriet


Versteck von


al-Baghdadi


H

alil Arkan ist aufge-
bracht. Der ganze
drahtige Körper des
Bauarbeiters ist in Be-
wegung, sein dunkel gebräuntes
Gesicht zeigt Wut. „Da auf der
anderen Seite leben unsere Ver-
wandten!“, ruft Arkan und zeigt
in die Richtung, wo ein Stachel-
drahtzaun seinen Heimatort Nu-
saybin in Türkei von Kamischli
auf der syrischen Seite der Gren-
ze trennt. Beide Orte sind mehr-
heitlich von Kurden bewohnt.
„Wir sind Geschwister“, sagt Ar-
kan. „Wir bekommen ihr Leiden
aus wenigen Hundert Metern
Entfernung mit.“

VON TUNCA ÖGRETEN
AUS ISTANBUL

Aber es scheint, als gelte seine
eigentliche Wut nicht der türki-
schen Armee, die die kurdischen
Gebiete auf der anderen Seite er-
obert hat, sondern der größten
türkischen Oppositionspartei:
„Wenn die CHP nicht für den Mi-
litäreinsatz gestimmt hätte, wür-
den jetzt unsere Verwandten
nicht sterben“, sagt Arkan. Die
Kurden dürften die CHP nie wie-
der unterstützen, komme, was
wolle. Aber seinen wirklichen Na-
men möchte er nicht veröffentli-
chen lassen. Nein, auch kein Foto.
Die Angst wächst, auch bei den
Kurden in der Türkei.
Die türkische Offensive gegen
die Kurden in Nordsyrien hat
weltweit Kritik und mitunter Ent-
setzen hervorgerufen. Die kur-
disch-arabische SDF-Miliz, gegen
die der türkische Präsident Recep
Tayyip Erdogan vorgeht, war ein
wichtiger Verbündeter im Kampf
gegen die Terrorgruppe IS. Ihr
Gebiet galt als besonders stabil
und wenigstens ansatzweise de-
mokratisch regiert. Weil Erdogan
einen Großteil der syrischen
Flüchtlinge aus der Türkei in dem
Gebiet ansiedeln will, fürchten
Beobachter eine Bevölkerungsver-
schiebung oder gar ethnische Säu-
berungen im von vielen Kurden
bewohnten Nordosten Syriens.
AAAber auch in der Türkei führt dieber auch in der Türkei führt die
Invasion zu neuem Druck auf die
KKKurden. Auf allen Ebenen.urden. Auf allen Ebenen.
Die prokurdische Oppositions-
partei HDP hat sich vom ersten
Tag an klar gegen die Offensive
gestellt. Gegen mehrere ihrer Ab-
geordneten wird deswegen er-
mittelt. Die Bürgermeisterinnen
der Städte Hakkari, Nusaybin
und Ercis bei Van wurden abge-
setzt, inhaftiert und durch kom-
missarische Verwalter ersetzt.
Auch kurdische Bürgerinnen
und Bürger der Türkei sind justi-
ziellen Sanktionen ausgesetzt.
Mehr als 200 Menschen wurden
dafür festgenommen, dass sie in
den sozialen Medien Kritik an der
Operation geübt oder auch nur
auf zivile Todesopfer hingewie-
sen hatten. 30 Personen wurden
wegen Terrorpropaganda inhaf-
tiert. Regierungsnahe Medien be-
zeichnen quasi jeden, der gegen
den Krieg ist, als Landesverräter.
Aber der Bruch hat auch die
große Politik erreicht. Etliche
Kommentatoren mutmaßten, Er-
dogan verfolge mit der Offensive

letztlich vor allem innenpoliti-
sche Ziele – nämlich die Spaltung
des breiten Oppositionsbündnis-
ses aus HDP und CHP, das Erdo-
gans AKP bei den Kommunal-
wahlen wichtige Großstädte ab-
gejagt hatte. Denn nur dank der
Leihstimmen von HDP-Wählern

konnte die CHP die
Bürgermeisterämter in Istanbul,
Ankara und Antalya erobern.
Nun wolle Erdogan die beiden
Parteien gegeneinander ausspie-
len, damit diese Allianz nicht ir-
gendwann seine eigene Macht be-
drohen könne, so vermutete man

zu Beginn der Offensive. Die CHP
wwwürde auf keinen Fall als Unter-ürde auf keinen Fall als Unter-
stützerin der kurdischen YPG da-
stehen wollen, die als Ableger der
in der Türkei verbotenen kurdi-
schen Arbeiterpartei PKK gilt. Die
CHP war letztlich gezwungen, die
Militäroffensive mitzutragen.

AFP

/ YASIN AKGUL

Das geteilte Leid


Erdogans Offensive gegen die syrischen Kurden erhöht auch den


Druck auf die Kurden in der Türkei. Hunderte wurden bereits


verhaftet – das hat Auswirkungen auf das Oppositionsbündnis


Die Anerkennung des Völker-
mords an den Armeniern durch
das US-Repräsentantenhaus
hat zu neuen Spannungen
zwischen den USA und der
Türkei geführt. Der türkische
Präsident Recep Tayyip Erdo-
gan reagierte erbost und sagte
in einer Rede in Ankara, der
Beschluss sei die „größte Belei-
digung unseres Volkes“. Der
Schritt habe keinen Wert und
werde von der Türkei nicht
anerkannt. Die Türkei bestellte
zudem den US-Botschafter
David Satterfield ein. Auch ein
Treffen von Erdogan und US-
Präsident Donald Trump steht

womöglich auf der Kippe.
Das US-Repräsentantenhaus
hatte eine Resolution verab-
schiedet, in der es heißt, die
USA würden den Völkermord
an den Armeniern anerkennen
und die Tötung von 1,5 Millionen
Armeniern durch das Osma-
nische Reich verurteilen. Demo-
kraten und Republikaner
stimmten mit überwältigender
Mehrheit für den Beschluss –
und das in einer Zeit, in der sich
die beiden politischen Lager mit
Blick auf das mögliche Amts-
enthebungsverfahren gegen
US-Präsident Trump eigentlich
unversöhnlicher denn je gegen-

überstehen. Die Türkei als
Nachfolgerin des Osmanischen
Reiches gesteht den Tod von
3 00.000 bis 500.000 Arme-
niern während des Ersten Welt-
krieges ein und bedauert die
Massaker. Eine Einstufung als
Völkermord weist sie jedoch
strikt zurück. Erdogan sagte,
man wolle eine Vertreibung
als Genozid darstellen, und
betonte, im islamischen Glau-
ben sei ein Völkermord strikt
verboten.Während des Ersten
Weltkrieges waren Armenier
unter anderem auf Todes-
märsche in die syrische Wüste
geschickt worden.

Völkermord-Votum: USA erzürnen Erdogan
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