Innovationen und Gründer
DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, NR. 210
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läuft Gefahr, trotz guter Produkte und eines zügi-
gen Markteintritts Schiffbruch zu erleiden.“
Digitalisierung und globalisierte Märkte haben
die Wirtschaft in einen wahren Geschwindigkeits-
rausch versetzt. Immer kürzer werden Innovati-
onszyklen. Wer seine Idee im Verborgenen bis ins
letzte Detail ausarbeitet und monatelang an Pa-
tenten feilt, wird vielleicht von mutigeren Konkur-
renten überholt. „Ideen müssen schnell in ein
Produkt mit klarem Kundennutzen überführt
werden“, sagt Start-up-Experte Borek. Ein über-
hasteter Markteintritt allerdings kann auch schon
das Ende bedeuten. „Wenn sich Unternehmen
nicht um den Schutz ihres geistigen Eigentums
kümmern, riskieren sie im schlimmsten Fall, von
Nachahmern aus dem Markt gedrängt zu wer-
den“, sagt Stephan Mixa, Patentanwalt der Kölner
Kanzlei Bauer Vorberg Kayser. „Zudem drohen
teure Rechtsstreitigkeiten.“
Kein falsches Wort beim Pitch
Zunächst müssen Gründer klären, welcher gesetz-
liche Schutz für sie überhaupt infrage kommt.
Wer sein Geschäft auf eine technische Erfindung
stützt, kann sich um ein Patent bemühen. Aller-
dings ist Diskretion gefragt: „Sobald technische
Details etwa bei Pitches verraten oder in Power-
point-Präsentationen gezeigt werden, ist der Weg
zum Patent verbaut“, sagt Mixa. Denn das verletze
das Kriterium der Neuheit, das das Patentamt prü-
fe. Geht es dagegen um die Optik der Produkte,
stoppt der Designschutz Nachahmer. Auch bei Fir-
men- oder Produktnamen, für die das Marken-
recht gilt, rät Patentanwalt Mixa zu Aufmerksam-
keit – und einer umfassenden Recherche, was
schon angemeldet worden ist: „Wird die Nutzung
untersagt, weil bestehende Rechte verletzt wer-
den, dann müssen Produkte oder sogar die Gesell-
schaft umbenannt werden – und es drohen Scha-
densersatzforderungen. Das ist der Worst Case.“
Wie wichtig Schutzrechte für die Finanzierung
sind, hat Martin Huber erlebt, Gründer und Ge-
schäftsführer des Düsseldorfer Start-ups Poligy. Er
hat ein Patent angemeldet für einen zweilagigen
Kunststoff, der sich unter Wärme verbiegt und so
Strom erzeugen kann. „Für Poligy ist das Patent
extrem wichtig – zum Beispiel, um Investoren zu
gewinnen“, sagt Huber. Das Patent sichere die Kon-
trolle bei der Vermarktung in wichtigen Regionen
wie Europa, Nordamerika oder Ländern wie China
und Indien – für Investoren unverzichtbar. Um
Kosten zu sparen, hat Wirtschaftschemiker Huber
nach dem Studium das Patent selbst geschrieben –
und für den Feinschliff einen Anwalt dazugeholt.
Sobald Investoren ins Spiel kommen, müssen
junge Firmen Rechte an ihrem geistigen Eigentum
nachweisen können, bestätigt Start-up-Mentor Se-
bastian Borek. „Wenn die Unternehmen Kapital
aufnehmen wollen, kommt häufig die Panik: Wem
gehört eigentlich das Know-how?“ Risikokapital -
geber seien bei dieser Frage besonders aufmerk-
sam. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten
Gründer die Entwicklung von Innovationen von
Anfang an dokumentieren, sagt Borek.
Zu besonderer Vorsicht rät Borek, wenn externe
Experten mithelfen, Know-how aufzubauen. Er be-
richtet vom Fall eines Start-ups, das nachträglich
Verträge mit freiberuflichen Entwicklern schließen
wollte, die am Code für eine Software mitgeschrie-
ben hatten. Investoren verlangten solche Abma-
chungen. „Das war extrem schwierig, weil die Zu-
sammenarbeit nicht immer im Guten auseinander-
gegangen ist“, so Borek – am Ende gelang nach
aufwendigen Verhandlungen doch eine Einigung.
Geheimhaltungsvereinbarungen und klare Rege-
lungen für den Umgang mit geistigem Eigentum im
Projektrahmenvertrag nennt Anwalt Mixa als
Muss: „Wenn man mit einem Projektpartner zu-
sammenarbeitet, findet man im Idealfall jeman-
den, der einem die Rechte an der Entwicklung
komplett überträgt.“ Andernfalls sollte man zumin-
dest Nutzungsrechte vereinbaren.
Auch wer seine Produkte oderr Services über Li-
zenzen vertreibt, braucht rechtliche Klarheit. Mar-
tin Huber will auf diesem Weg den Absatz seines
Energie erzeugenden Kunststoffs an Industriebe-
triebe beschleunigen. „Wir selbst sind nur in der
Lage, ein bis zwei solcher Projekte pro Jahr umzu-
setzen“, sagt er. „Wenn wir Lizenzen an andere
Firmen vergeben, macht es unser Geschäftsmo-
dell viel skalierbarer.“
Wenn Start-ups mit etablierten Unternehmen in
der Entwicklung gemeinsame Sache machen, lau-
ern weitere Fallstricke, warnt Sven Greulich, Part-
ner der Anwaltskanzlei Orrick: „Damit Kooperati-
onsprojekte keine rechtlichen Probleme nach sich
ziehen, muss klar geregelt sein, wer geistiges Ei-
gentum nutzen darf: einerseits, was schon vorher
bestand und für die Zusammenarbeit offengelegt
wird – und andererseits, was in dem Rahmen erst
entsteht.“
In der Praxis allerdings zeigen sich die gestan-
denen Partner oft wohlwollend und locken viel-
versprechende Gründer mit dem Recht, gemein-
same Ideen zu nutzen. „Wir sehen vielfach etab-
lierte Unternehmen, die im Rahmen von
Kooperationsprojekten mit jungen Firmen relativ
großzügig mit Blick auf gemeinsam entwickeltes
geistiges Eigentum vorgehen“, so der Experte für
Corporate Venture Capital.
Die etablierten Unternehmen überlassen den
Start-ups laut Greulich entweder die kompletten
Rechte – teils mit Rücklizenzen an sich selbst.
Oder sie gewähren ihnen unwiderrufliche Lizen-
zen. „Hintergrund ist, dass diese etablierten Un-
ternehmen mit den besten jungen Firmen zusam-
menarbeiten“, sagt Greulich. Deren Furcht vor Zu-
griff auf geistiges Eigentum wird so zerstreut.
Regelmäßig aber unterschätzen noch immer die
Partner die Bedeutung von Verträgen. „Wir sehen
leider auch häufig, dass gar nichts geregelt wird“,
so Greulich. Streit ist dann programmiert.
Bernhard Pierel
Wenn
Start-ups
Kapital
aufnehmen
wollen,
kommt häufig
die Panik:
Wem gehört
das
Know-how?
Sebastian Borek
Geschäftsführer
Founders Foundation
Stolz auf die eigenen Ideen
Für wie innovativ halten Start-ups
ihre Produkte? 1
Kategorien mit den meisten
Patent-Anmeldungen
in Deutschland2
Veränderung
42 % zum Vorjahr
Sehr innovativ
16 %
Eher innovativ
5 %
Eher nicht innovativ
1 %
Nicht innovativ
1 %
Überhaupt
nicht innovativ
36 %
Innovativ
100 %
Transport
Elektrische
Maschinen
Maschinen-
elemente
Messtechnik
Motoren,
Pumpen,
Turbinen
+5,8 %
+2,3 %
-6,3 %
+, %
-6,6 %
12 273
7 420
5 8 71
4 979
4 274
1) Umfrage unter 1 345 deutschen Start-ups 2018, Rundungsdifferenzen; 2) 2019
HANDELSBLATT Quellen: KPMG, DPMA
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