Der Tagesspiegel - 09.11.2019

(Darren Dugan) #1
13 Tage bis zum Mauerfall – Der DDR-Staatsrat
beschließt die Reisebeschränkungen in die CSSR,
die Tschechoslowakische Sozialistische Repu-
blik, vom 1. November 1989 an aufzuheben. Ab
jetzt können DDR-Bürger Ausreiseanträge stel-
len. Bis dato sitzen in den Gefängnissen, wie dem
Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit in
Hohenschönhausen, etwa 2000 politische Häft-
linge. Der häufigste Vorwurf: Republikflucht. Am
Abend wird für jene Gefangenen eine Amnestie
verkündet. Weil die Freiheit in einem unfreien
Staat wenig nützt, wollen viele Häftlinge trotz-
dem im Gefängnis bleiben.

12 Tage bis zum Mauerfall – Viele nutzen ihre
Chance auf ein neues Leben im Westen: In der
vergangenen Nacht sind 750 Flüchtlinge aus der
DDR in Bayern angekommen. Zum ersten Mal
steht ein Interview mit einem Oppositionellen in
einer offiziellen DDR-Zeitung: „Der Morgen“,
gleichzeitig Zentralorgan der Liberal-Demokrati-
schen Partei Deutschlands, hat ein Gespräch mit
Rolf Henrich vom „Neuen Forum“ veröffentlicht.
Er fordert ein neues Wahlgesetz und wünscht
sich eine „Gesellschaft, in der es tatsächlich um
Kooperation geht, um Brüderlichkeit“.

11 Tage bis zum Mauerfall – Die Übersiedler aus
der DDR sorgen für wirtschaftlichen Auf-
schwung in der Hotelbranche. Weil vielerorts die
kommunalen Unterkünfte bereits belegt sind, lo-
gieren jetzt statt Urlaubern Flüchtlinge als Dauer-
mieter in Hotels und Pensionen. In Nord-
rhein-Westfalen wurden etwa 50000 Menschen
in provisorischen Unterkünften, sogenannten
„Übergangsheimen“, untergebracht. Die Zahl der
belegten Fremdenverkehrsbetten in Hotels und
Ferienheimen schätzen Experten in dem Bundes-
land auf 15000 bis 45000.

27.10.1989


10 Tage bis zum Mauerfall – Es ist Montag, und
so versammeln sich in mehreren Städten wieder
Massen an Menschen, um für Demokratie und
friedliche Veränderungen auf die Straße zu ge-
hen. Allein in Leipzig protestieren an diesem
Abend rund 200000 Menschen. Von Ignoranz
der DDR-Spitzen gegenüber Protest und Auf-
bruchsstimmung zeugt eine Forderung des Präsi-
denten des Turn- und Sportbundes des DDR,
Klaus Eichler: Er wolle sich weiter um die Austra-
gung der Olympischen Spiele im Jahr 2004 in
Leipzig bemühen, sagt er bei einer Diskussion
mit Leipziger Studierenden. Dass es sich bei der
Idee ursprünglich um ein Hirngespinst Hone-
ckers handelte, der damit dem Wunsch aus dem
Westen nach einer Gesamt-Berliner Olympia-Be-
werbung entgegenhalten wollte, ignoriert Eich-
ler. Am Ende finden die Spiele in Athen statt und
werden dort mit einem fulminanten Feuerwerk
eröffnet.

28.10.1989


9 Tage bis zum Mauerfall – Die Ministerin für
Volksbildung, Margot Honecker, tritt zurück, und
der stellvertretende DDR-Volksbildungsminister
Günther Fuchs erteilt eine Absage an ideologi-
sche Indoktrination von Lehrenden. Weiterbil-
dungen im Fach Marxismus / Leninismus werden
ab jetzt ausgesetzt. Die Gewerkschaft Unterricht
und Erziehung fordert das Ende „kleinlicher Be-
vormundung“. Der Tagesspiegel schreibt: „Der
Staatsbürgerkunde-Lehrer solle jetzt selbst ent-
scheiden, welche Stoffeinheiten er nicht behan-
dele.“

29.10.1989


8 Tage bis zum Mauerfall – In Moskau treffen
Egon Krenz und Michail Gorbatschow aufeinan-
der. Gleichzeitig tritt die Aufhebung der Reisebe-
schränkungen in die CSSR in Kraft. Die bundes-
deutsche Botschaft in Prag verzeichnet an diesem
Mittwoch bis 10 Uhr bereits mehr als 300 Ge-
flüchtete. Und auch in West-Berlin bleibt der An-
drang an DDR-Übersiedlern hoch. Am Wochen-
ende wurden 140 Flüchtlinge und 159 legal aus-
gereiste ehemalige DDR-Bürger gezählt. Am Mon-
tag trafen 160 Flüchtlinge in Tegel ein, für Diens-
tag waren weitere 121 Personen angekündigt.
200 Plätze sind bereits in den Messehallen 6 und
7 belegt. Bis Mitte Dezember stehen insgesamt
750 Plätze zur Verfügung. Die letzte Turnhalle
wird derweil von Betten geräumt, damit der
Sportunterricht wieder beginnen kann.

3 Tage bis zum Mauerfall – Die SED-Führung fei-
ert den 72. Jahrestag der Oktoberrevolution, „als
wäre nichts geschehen“. An den Grenzübergän-
gen gibt es derweil einen neuen Rekord: Von
Sonnabend bis Montag sind 23200 Menschen
aus dem Osten in die Bundesrepublik ausgereist.
Die Aufnahmelager sind überfüllt. Auf dem Sen-
deplatz des abgesetzten „Schwarzen Kanals“ wird
zum ersten Mal eine neue Sendung namens „Klar-
text“ ausgestrahlt. „Ist Leipzig noch zu retten?“ –
Es ist die erste Dokumentation über den Häuser-
verfall in Leipzig, die im DDR-Fernsehen zu se-
hen ist. In der 25-minütigen Produktion werden
die für den Verfall Verantwortlichen gestellt und
Anwohnerinitiativen interviewt.

30.10.1989


7 Tage bis zum Mauerfall – In Dresden treffen
der Hamburger Bürgermeister Henning Vosche-
rau und Hans Modrow, der Dresdner SED-Be-
zirksparteichef, aufeinander. Die beiden verbin-
det eine Städtepartnerschaft. Im Mittelpunkt des
rund zweistündigen Gesprächs steht die aktuelle
politische Situation der DDR. Modrow erwartet
von der bevorstehenden Tagung des Zentralkomi-
tees eine Fortführung des Reformprozesses. Vo-
scherau zeigt sich im Anschluss an das Gespräch
beeindruckt von der Geschwindigkeit des Verän-
derungsprozesses. Es liege in der Verantwortung
bundesdeutscher Politiker, Zurückhaltung und
eine „Nichtanspruchshaltung“ an den Tag zu le-
gen. „Man darf sich nicht aufdrängen und einen
Patentrezeptexport betreiben“, sagt Henning Vo-
scherau.

2 Tage bis zum Mauerfall – Die DDR-Regierung
tritt zurück, und die Justiz setzt ein Zeichen für
die Opfer des politischen Regimes: Das Oberver-
waltungsgericht beschließt, dass ein DDR-Häft-
ling, der wegen „asozialen Verhaltens“ und öffent-
licher Herabwürdigung „unter Missachtung staat-
licher und gesellschaftlicher Symbolik“ zu einem
Jahr und sechs Monaten verurteilt worden war,
Häftlingshilfe erhält. Dem Mann war in der DDR
„Arbeitsscheue“ vorgeworfen worden. Aber die
gerichtliche Entscheidung revidiert das Urteil: Es
gebe keinen Zwang zur Einordnung in „sozialisti-
sche Arbeitskollektive“, Schikanen müsse man
als Arbeiter nicht hinnehmen, so die richterliche
Begründung.

31.10.1989


6 Tage bis zum Mauerfall – Während Egon Krenz
in einer Ansprache an die DDR-Bürger die Re-
formpolitik als unumkehrbar bezeichnet, wird in
der DDR immer mehr sag- und schreibbar. Eine
Journalistin der Zeitung der Ost-CDU „Union“
sagt dem Tagesspiegel: „Wir können seit einigen
Wochen schreiben, was wir wollen, aber diesen
Anforderungen sind wir gar nicht gewachsen.
Wir kennen unsere Rechte nicht.“ Für sie sei es
völlig ungewohnt, plötzlich den Polizeichef Dres-
dens interviewen zu können. „Das ist noch so et-
was Hohes für uns, manchmal denke ich, ich
träume.“ Eine Sprecherin des Neuen Forums
fasst die Situation zusammen: „Die Leute müssen
erst einmal wieder Selbstbewusstsein lernen. Sie
müssen merken, dass sie nicht gleich bestraft wer-
den, wenn sie ihre Meinung sagen.“ Währenddes-
sen muss sich das Neue Deutschland für eine be-
sonders abwegige Propagandalüge über die an-
gebliche Entführung eines DDR-Bürgers in die
Bundesrepublik entschuldigen. Die Zeitung hatte
im Spätsommer immer wieder groteske Darstel-
lungen der Massenflucht und Demonstrationen
veröffentlicht.

1 Tag bis zum Mauerfall – Das Politbüro be-
schließt seinen Rücktritt. Hans Modrow soll als
neuer Ministerpräsident vorgeschlagen werden.
Die SED-Basis demonstriert und fordert inhaltli-
che Korrekturen. Die SED verkündet, sie wolle
sich auch freien Wahlen stellen. Gleichzeitig kom-
men fast 11000 Flüchtlinge an einem Tag über
die CSSR in die Bundesrepublik. Das bedeutet
für die DDR unter anderem: Arbeitskräfteman-
gel. Um diesen einigermaßen auszugleichen, sol-
len nun Stasi-Mitarbeiter „arbeiten statt bespit-
zeln“, wie der Tagesspiegel titelt. In dem Artikel
heißt es: „Das Ministerium hat in Anbetracht drin-
gender Erfordernisse Sofortmaßnahmen beschlos-
sen, wonach 385 Angehörige dieser Organisation
produktive Arbeiten ausführen sollen.“

1.11.1989


5 Tage bis zum Mauerfall – Während der Alexan-
derplatz voller Hunderttausender Demonstran-
ten ist, verlassen die ersten DDR-Flüchtlinge die
BRD-Botschaft in Prag und steigen in Sonderzüge
Richtung Bundesrepublik. Im West-Berliner Be-
zirk Steglitz kümmert man sich derweil um die
Integration der dort lebenden Übersiedler aus
Ost-Berlin und der DDR. In einem Wohnheim an
der Benzmannstraße startet die Volkshochschule
mit der Arbeiterwohlfahrt ein neues Integrations-
programm in Form eines Wochenendseminars.
Rund zwanzig Übersiedler sollen dort bis Weih-
nachten Tipps zur Arbeits- und Lebenssituation
im Westen erhalten als auch Kontakte knüpfen.
Nach den einführenden Wochenendseminaren
sind „Kompaktseminare“ über zwei Wochen vor-
gesehen, die Themen wie Arbeiten, Wohnen, Ver-
braucherkunde und Bildungssystem behandeln,
ferner vertiefende Einzelveranstaltungen mit Be-
ratungen durch Experten. Dieses erste Integrati-
onsprogramm kostet rund 8500 Mark und wird
aus Mitteln der Volkshochschule finanziert.

6.11.1989


2.11.1989


4 Tage bis zum Mauerfall – An diesem Wochen-
ende reisen mehr als 10000 DDR-Bürger in den
Westen aus, am bayerischen Grenzübergang in
Schirnding stehen die Ausreisewilligen kilometer-
weit mit ihren PKWs Schlange. Währenddessen
werden Regimekritiker im Osten von den Ereig-
nissen überfordert. Bei den ersten Thüringer
Theatertagen fällt ein vorbereitetes Kabarettpro-
gramm der Gruppe „Die Arche“ aus, weil die Ko-
miker es zurückgezogen haben. Der Grund: „Es
war unaktuell geworden.“ Die „Wende“ in der
DDR habe die Kabarettisten „hart getroffen“, sagt
Rolf Dreher, der Chef der Gruppe. Hubert Kross,
Chefdramaturg am Theater in Nordhausen, sieht
den Grund darin, dass andere Medien ihrer Auf-
gabe nun gerecht würden. Kabarettisten hätten
dafür bisher den Ersatz geliefert.

7.11.1989


3.11.1989


8.11.1989


23 Tage bis zum Mauerfall – Am Morgen stellt
der Ministerratsvorsitzende Willi Stoph im Polit-
büro den Antrag, „den Genossen Honecker von
seiner Funktion als Generalsekretär zu entbin-
den“. Der Sturz, geplant von einer Gruppe um
Egon Krenz, Sekretär des Zentralkomitees,
kommt für den DDR-Chef überraschend. Er
werde ihm zufolge keine Probleme lösen, son-
dern allein zeigen, dass „wir erpressbar sind“,
sagt Erich Honecker. Seiner eigenen Absetzung
stimmt er trotzdem zu. Egon Krenz soll als neuer
Generalsekretär vorgeschlagen werden. Und Ho-
necker verlässt das Büro.


4.11.1989


22 Tage bis zum Mauerfall – Das Zentralkomitee
wählt Egon Krenz als Nachfolger von Erich Hone-
cker zum Generalsekretär der SED. Während
sich an der Spitze des Staates die Ereignisse über-
schlagen, mahlen die Mühlen an Berlins Grenz-
übergängen heute extrem langsam. Besucher aus
dem Westen müssen sich auf lange Wartezeiten
einstellen. Mittendrin, am Übergang Bahnhof
Friedrichstraße, ein Redakteur des Tagesspiegels.
Nach zwei Stunden verliert er das Interesse an ei-
ner Einreise nach Ost-Berlin, wendet sich entspre-
chend an einen Grenzkontrolleur, um ihm mitzu-
teilen, dass er wieder gehen möchte. Dieser fragt
ihn wiederum: „Sie wollen also ausreisen?“ Nein,
entgegnet der Befragte. Schließlich sei er ja noch
nicht einmal eingereist. Nachdem er endlich
seine Papiere wieder in den Händen hält, fragt er,
ob das alles vielleicht mit Honecker zu tun habe.
Darauf der Kontrolleur: „Damit hat das nichts zu
tun, werden Sie nicht anmaßend.“


5.11.1989


21 Tage bis zum Mauerfall – Am späten Abend
klettern am Brandenburger Tor fünf Männer von
der Westseite auf die Mauer und werfen Pflaster-
steine auf Ost-Berliner Gebiet. Die Antwort der
Grenztruppen kommt aus einem Wasser-
schlauch. Nach Feststellung der Personalien
durch die britische Militärpolizei dürfen die Män-
ner wieder gehen. Kein Einzelfall. Immer wieder
wird die Mauer für Randale, als Sport- oder
Kunstobjekt genutzt.


17.10.1989


20 Tage bis zum Mauerfall – Während in Ost-Ber-
lin Oberst Gerhard Lauter vom Innenministerium
der DDR beauftragt wird, ein neues Reisegesetz
auszuarbeiten, flüchtet in der Nacht auf den 20.
Oktober 1989 ein junger Mann über die nieder-
sächsische Grenze in den Westen – er ist der fünf-
zigste in diesem Jahr. Einer Mitteilung des Grenz-
schutzkommandos Nord zufolge überwand der
21-Jährige die Sperranlagen unbemerkt und un-
verletzt. Im vergangenen Jahr wurden am selben
Grenzabschnitt 35 Flüchtende registriert.


18.10.1989


19 Tage bis zum Mauerfall – In Prenzlauer Berg
stehen aufgrund von baulichen Mängeln und Ver-
fall rund 7800 Wohnungen leer. 1400 davon will
man bis 1990 wieder vermietbar machen. Nicht
in ihre Häuser, sondern auf die Straße gehen an
diesem Tag Tausende von Demonstranten in
Ost-Berlin. Gemeinsam bilden sie Hand in Hand
eine kilometerlange Menschenkette, die vom Pa-
last der Republik bis zum Polizeipräsidium in der
Keibelstraße reicht. Der Ost-Berliner Oberbürger-
meister Erhard Krack und SED-Politbüromitglied
Günter Schabowski treten ihnen vor der Volks-
kammer entgegen. Schabowski spricht sich dafür
aus, „politische Konflikte nur mit politischen Mit-
teln“ zu lösen.


19.10.1989


18 Tage bis zum Mauerfall – Mitarbeiter der Um-
weltbibliothek drucken im Kohlenkeller der Zi-
onskirch-Gemeinde in Ost-Berlin die fünfte Aus-
gabe der Untergrundzeitung „telegraph“. Die
erste Ausgabe war am 10. Oktober erschienen.
4000 Exemplare waren innerhalb von 20 Minu-
ten ausverkauft. 2000 wurden nachgedruckt. Die
Macher bezeichnen die Versprechen der Regie-
rung als „Scheinreformen“ und „Volksberuhigun-
gen“.


20.10.1989


17 Tage bis zum Mauerfall – Einen Tag vor der
Sitzung der Volkskammer, bei der SED-Chef
Egon Krenz zum Staatsratsvorsitzenden gewählt
werden soll, versammeln sich in Leipzig rund
300000 Demonstranten zur größten Protest-
kundgebung in der Geschichte der DDR. Sie for-
dern Reisefreiheit und freie Wahlen. Eine ihrer
Parolen: „Egon, wer hat uns gefragt?“ Zum ersten
Mal berichtet auch das DDR-Fernsehen vom Ort
des Geschehens.


21.10.1989


„Egon Krenz, hier kommt


die Konkurrenz! Protestplakat am 4. November 1989


16 Tage bis zum Mauerfall – Am Vormittag wird
es amtlich: Die Volkskammer wählt in einer öf-
fentlichen Sitzung Erich Honecker ab und Egon
Krenz zum neuen Staatsratsvorsitzenden. „Vieles
war neu an diesem Dienstag für die DDR“,
schreibt der Tagesspiegel, so etwa die Gegenstim-
men und Enthaltungen bei der Wahl von Krenz,
der im Anschluss im Stile Gorbatschows vor die
wartenden Schaulustigen tritt. Seine erste Rede
bleibt „bei aller Konzilianz im Ton unverbindlich
bei der Sache“. In Ost-Berlin versammeln sich am
Abend Tausende Menschen zum Protest gegen
die Wahl von Krenz: „Egon Krenz, hier kommt
die Konkurrenz!“

22.10.1989


15 Tage bis zum Mauerfall – Der neue
DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz ist um
Kontakt mit Bundeskanzler Kohl bemüht und
stellt ein baldiges Telefonat der beiden in Aus-
sicht. Nach einem Treffen mit dem FDP-Frakti-
onsvorsitzenden Wolfgang Mischnick in Ost-Ber-
lin geht Krenz bei einem halbstündigen Pressege-
spräch – einem Novum in Ost-Berlin – zudem
auch auf Fragen westlicher Journalisten zum
Thema Opposition und Mauer ein. Während
Krenz damit frischen Wind in den öffentlichen
Umgang mit den Problemen seines Landes
bringt, weist Stasi-Chef Erich Mielke eine er-
höhte Kampfbereitschaft und das Tragen der
Schusswaffen an.

Karl-Eduard von Schnitzler, Propaganda-
Profi des DDR-Fernsehens, moderierte
die Sendung „Der schwarze Kanal“.

Lernen inmitten vieler Graustufen.
Blick auf einen Schulhof in der Rigaer
Straße in Friedrichshain im Jahr 1988.

Die Thüringer Kabarett-Gruppe
„Die Arche“ karikierte jahrelang
die SED-Führung und das DDR-Regime.

Nackt in den Ruinen des Sozialismus.
Eine Studentin aus Leipzig entblößt sich
bei einer Kunstaktion.

23.10.1989


14 Tage bis zum Mauerfall – Das erste Telefonge-
spräch zwischen Bundeskanzler Kohl und dem
neuen SED-Vorsitzenden Krenz findet statt: Man
will politisch zusammenarbeiten. Günter Scha-
bowski trifft sich unterdessen als erster SED-Poli-
tiker mit Mitbegründern der demokratischen Bür-
gerbewegung „Neues Forum“. Das Gespräch ver-
läuft „sachlich und konstruktiv“, wie der beim Ge-
spräch anwesende Professor Jens Reich berich-
tet. Schabowski wolle eine „neue Politik und sich
über die Breite des politischen Spektrums infor-
mieren“. Ob es einen echten Dialog zwischen Op-
position und DDR-Führung geben kann, bleibt un-
klar. Allerdings habe er „positive Hinweise“ erhal-
ten, dass die DDR-Führung bei künftigen Wahlen
anders verfahren wolle als bisher, sagt Reich.

Deutsch-deutsche Grenze.
Der ehemalige Grenzübergang zwischen
DDR und BRD bei Helmstedt im Jahr 1986.

Ruine in Prenzlauer Berg.
Aufgenommen 1983 in einer unbekannten
Straße im Ost-Berliner Künstlerbezirk.

24.10.1989


Fotos: p.a., imago/Rust, Thomas Graminsk

Fotos: Rolf Zöllner/imago, Das Kabarett „Die Arche“, Thomas Steinert

25.10.1989


SONNABEND, 9. NOVEMBER 2019 / NR. 24 000 30 JAHRE MAUERFALL DER TAGESSPIEGEL 27


26.10.1989

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