EINE PUBLIKATION VON SMART MEDIA
06 URHEBERRECHT
TEXT RÜDIGER SCHMIDTSODINGEN
»Frühzeitige Regelungen im Arbeitsvertrag sind sinnvoll«
E
inerseits soll die Arbeit flexibler wer-
den, andererseits pocht die EU auf
eine Wiedereinführung der Stechuhr.
Florian Hödl, Fachanwalt für Arbeitsrecht
und Rechtsanwalt für IT- und Vertragsrecht,
erläutert im Interview aktuelle, arbeitsrechtli-
che Knackpunkte. Hödl führt gemeinsam mit
seiner Kollegin Dagmar Mortha die Münch-
ner Kanzlei Hödl Mortha Partnerschaft mbB.
Florian Hödl, die Digitalisierung
verändert auch die Personalpla-
nung. Was müssen Arbeitnehmer
und Arbeitgeber beachten?
Arbeitnehmer fragen sich natürlich, wie sich
durch die Digitalisierung ihre berufliche
Situation ändert. Bei den Arbeitgebern ver-
ändern sich durch die Automatisierung die
allgemeinen Stellenanforderungen, aber auch
der konkrete Personalbedarf. Fragen sind bei-
spielsweise: Was formuliere ich genau im
Arbeitsvertrag? Wie wirksam ist das, was ich
vor Jahren, bei der Einstellung, in diesen Ver-
trag hineingeschrieben habe?
Was ändert sich im Weisungs-
recht und bei Kündigungen?
Neue Jobanforderungen stellen Arbeitgeber
zwangläufig vor die Frage: Lassen sich Arbeit-
nehmer auf neue Arbeitsplätze versetzen oder
nicht? Kann ich als Arbeitgeber von meinem
Weisungsrecht Gebrauch machen? Formuliere
ich, als Friedensangebot sozusagen, eine Ände-
rungskündigung, oder führt an einer ordent-
lichen Kündigung kein Weg vorbei? Es kann
schwierig werden, wenn Arbeitsverträge sehr
weit gefasst sind und beispielsweise weitgehen-
de Versetzungsbefugnisse einräumen, anstatt
spezielle Tätigkeitsbereiche festzulegen.
Einerseits werden überall flexible
Arbeitszeitmodelle gefordert,
andererseits kollidieren diese mit dem
Arbeitszeitgesetz. Wo liegt das Problem?
Der Europäische Gerichtshof hat im Mai ent-
schieden, dass die Mitgliedsstaaten Arbeitge-
ber zu einer genauen Arbeitszeiterfassung
verpflichten sollen. Wie aber kann das genau
passieren, wenn Mitarbeiter beispielsweise im
Home Office tätig sind? Die Vertrauensarbeit
ist mit dieser Vorgabe sozusagen gestorben.
Wir sind bei einer Rückkehr zur Stempel-
uhr. Sicherlich lässt sich für die Überprüfung
der konkreten Arbeitszeit Software installie-
ren. Andererseits muss man sich fragen, wie
Arbeitgeber die Erfassung kontrollieren und
sicherstellen können.
Eine Kündigung zieht heutzutage Fragen
zu Urlaubsabgeltungen, Arbeitszeug-
nissen, Wettbewerbsverboten und
urheberrechtlichen Fragen nach sich. Wo
sehen Sie am meisten Beratungsbedarf?
Ein Dauerbrenner sind sicher die geschäft-
lichen E-Mails. Der Mitarbeiter scheidet aus
und es stellt sich die Frage: Darf der Arbeit-
geber die E-Mails durchforsten, um Ge-
schäftsvorgänge zu rekonstruieren oder für die
Buchhaltung Geschäftsbriefe ausfindig zu ma-
chen? Arbeitgeber sollten deswegen frühzeitig
überlegen, ob sie private E-Mails und privates
Internetsurfen in einer Betriebsvereinbarung
oder im Arbeitsvertrag nicht gänzlich verbieten
sollten, um später, wenn der Mitarbeiter aus-
scheidet, nicht Probleme mit dem Datenschutz
zu bekommen. Eine frühzeitige Regelung,
möglichst schon bei Einstellung des jeweiligen
Mitarbeiters, ist sinnvoll und spart später Ärger
oder Datenschutzprobleme.
Weitere Informationen:
http://www.heg-partner.de
BRANDREPORT HÖDL MORTHA PARTNERSCHAFT MBB
A
ls das erste deutsche Urheberrecht
1810 in Baden formuliert wurde,
ging es vor allem um die Reche der
Autor*innen, die zu Lebzeiten etwas von ihren
Te xten und Kreationen haben sollten. Preußen
zog 1837 nach – mit einem »Gesetz zum Schut-
ze des Eigentums an Werken der Wissenschaft
und Kunst in Nachdruck und Nachbildung«.
Erst ab 1901 galt das Urheberrecht auch für
musikalische Werke, sechs Jahre später dann
für bildende Künste und Fotografien. Heute
umfasst das Urheberrecht auch den Schutz
von Filmen, temporären Installationen und
Performances – und wird immer wieder zum
Streitpunkt, wenn etwa Urheber gegen unzu-
lässige Weiterverwendung klagen oder Zitier-
rechte systematisch missbraucht werden.
Endlose Bilder- und Texte-Welt
Zwei Themenfelder machen Urheberrechts-
schützern und damit Urhebern derzeit be-
sonders zu schaffen. Einerseits lösen digitale
Fotos die Bedeutung von Texten ab. Dienste
wie Instagram leben davon, dass User nicht
nur tagtäglich Selfies, sondern eben auch
Fotos von Events oder künstlerischen Werken
posten. Inwieweit darf man aber einfach ein
Bild posten, wenn darauf eine gestalterische
Leistung, sprich ein kreatives Werk, eines an-
deren Menschen zu sehen ist?
Helle Aufruhr herrscht seit ein paar Jahren
auch in den Verlagshäusern. Weil die Zei-
tungen an Leserschaft verlieren und keine
neuen Erlösmodelle finden, wollten sie bei der
Datenkrake Google deren sogenannte »Snip-
pets«, die Nachrichten mit ein oder zwei Sät-
zen von den aktuellen News-Websites auf ihre
Suchseiten holen, nur noch gegen Gebühr er-
lauben. Der Schuss ging zumindest in Frank-
reich schon mal nach hinten los – Google
zeigt »Snippets« dort ab sofort nicht mehr an.
Löschen oder nicht?
Eine andere Problematik deutet sich im Be-
reich der sozialen Medien an. Einerseits weiß
jeder Facebook-Nutzer, dass sich Bilder und
auch Statements rasend schnell weiterver-
breiten können und damit auch nicht mehr
löschbar sind. Andererseits jedoch gelten für
Bilder eben auch Rechte, die nicht unbegrenzt
gültig sind. Wer ein Bild mit Agenturrechten
einfach mal auf seine Facebook-Seite postet,
muss mit Abmahnungen und strafrechtlichen
Gebühren rechnen. Dazu kommt, dass Bild-
rechte oft nur ein paar Jahre gültig sind und
dann erneuert werden müssen.
Dass die Gesetzgeber gleich an mehreren
Fronten kämpfen, wird klar, wenn es um so-
genannte Hass-Postings oder Gewaltvideos
geht. Das nüchtern-dumme Video eines
Terroranschlags oder eines Mordes kann sich
nicht auf Schutzrechte berufen und muss vom
jeweiligen Dienstanbieter umgehend gelöscht
werden. Der Umgang mit der schieren Menge
»eigener Werke«, die eben nicht der Erbauung
oder einer künstlerischen oder dokumentari-
schen Reflexion dienen, sondern, im Gegen-
teil, das Gefühl einer absoluten Hilflosigkeit
seitens unvorbereiteter Konsument*innen
begünstigen, wird zum politisch-gesellschaft-
lichen Problem.
Neue Verantwortung
»Die meisten Menschen sind im Grunde ihres
Herzen Hedonisten und wollen mehr Vergnü-
gen«, formulierte es Jim Woods auf der Platt-
form medium.com. Folglich plädiert er dafür,
Social Media als ein modernes Unterhaltungs-
tool zu sehen, das man nicht zu ernst nehmen
sollte. Dass jedes Posting im Grunde eine kleine
TV-Sendung ist, hilft womöglich, den Umgang
mit anderen Usern in den sozialen Medien zu
verbessern. Statt weiter alles an Statements und
Schock-Bildern rauszuhauen, was geht.
»Wen verletzte ich, wenn ich das poste?«
Vielleicht ist das die einzig richtige Frage,
um sowohl urheberschutzrechtlich als auch
gesellschaftspolitisch adäquat mit eigenen
Veröffentlichungen umzugehen. Nachfragen
bei Verwertern oder Urhebern müssen einem
dabei gar nicht unangenehm sein. Im Gegen-
teil. Wer sich aktiv um ein Recht bemüht, si-
gnalisiert dabei auch eine Wertschätzung des
Urhebers – und bekommt mitunter das Recht
zur Verwendung günstig oder kostenfrei per-
sönlich eingeräumt.
Fairness bei der Vergütung
Ein aufregender neuer Aspekt des Urheber-
rechts wird derzeit anhand des Kinofilms und
Fernseh-Mehrteilers »Das Boot« von 1981
diskutiert. Der Kameramann Jost Vacano er-
hielt seinerzeit eine feste, sechsstellige Ver-
gütung und musste dann mitansehen, wie die
Ve r filmung von Wolfgang Petersen über die
Jahre immer wieder wiederholt wurde und an
Reputation und Wert gewann.
Vacano ging sechs Jahre nach der Einführung
des Fairnessparagrafen vor Gericht, um eine
Nachzahlung und Erfolgsbeteiligung zu er-
streiten und bekam in mehreren Instanzen
Recht. Nun liegt der Fall beim Bundesge-
richtshof. Wird man dort im Sinne einer auch
gesellschaftspolitisch wichtigen Anerkennung
künstlerischer Anstrengungen das Urheber-
recht stärken? Damit Künstler nicht das hören
müssen, was Robert Tr ebor zu Roy Scheider
in dem von Jost Vacano gefilmten Erpresser-
Krimi »52 Pick-up« sagte: »Ich hab’s doch ge-
wusst. Die wollen mich reinlegen.«
Das »Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte« ist noch gar nicht so alt. Trotzdem betrifft es mittlerweile längst nicht nur Autoren
oder Künstler. Neben abmahnfähigen Verwendungen und erlaubten Lizenzierungen geht es neuerdings auch um Fairness.
TEXT RÜDIGER SCHMIDTSODINGEN
Jede*r ist ein Urheber