Handelsblatt - 14.11.2019

(Steven Felgate) #1

„Niemand findet das schön,


aber es geht hier echt um


höhere Interessen.“


Mark Rutte, Ministerpräsident der
Niederlande, über das geplante Tempolimit
von 100 Stundenkilometern in seinem Land

„Es trifft Frauen sehr,


wenn sie zu Objekten


degradiert werden.“


Christine Lambrecht (SPD),
Justizministerin, will Fotos von
Unfalltoten sowie heimliche Aufnahmen
unter Röcke und ins Dekolleté härter
bestrafen.

Stimmen weltweit


Die schwedische Zeitung „Dagens Nyheter“
kommentiert das Treffen zwischen
US-Präsident Donald Trump und dem
türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan:

T


rotz aller Gegensätze zwischen der Türkei
und den USA ist Erdogan ein willkomme-
ner Gast für Trump. Erdogans autoritäre
Veranlagung stört Trump nicht, im Gegenteil: In
den Augen des US-Präsidenten ist der Gast ein
großer Anführer und ein „harter Kerl, der Res-
pekt verdient“. Vielleicht waren es genau diese
Eigenschaften, die Trump dazu gebracht haben,
nach Erdogans Wunsch zu kuschen und die US-
Truppen aus Nordsyrien zurückzuziehen. Damit
gab er auch grünes Licht für die türkische Invasi-
on und ethnische Säuberung (der Gebiete) der
syrischen Kurden, die sich als treue Verbündete
der USA im Krieg gegen die Terrormiliz IS ver-
dient gemacht haben. Der türkische Präsident
dürfte zutiefst dankbar für die Möglichkeit sein,
den kurdischen Nationaltraum zu zerstören und
zudem eine Pufferzone zu errichten, in die er sy-
rische Flüchtlinge abschieben kann.

Die spanische Zeitung „El País“ schreibt über
die Vereinbarung zwischen den spanischen
Sozialisten und dem Linksbündnis Unidas
Podemos nach der Parlamentswahl:

D


ie Sozialistische Partei und Unidas Pode-
mos haben am Dienstag überraschend je-
ne Vereinbarung unterzeichnet, die sie
nach der Wahl im April nicht erzielen konnten.
Die erste Frage, die der Pakt aufwirft, ist genau
diese: Wenn eine Unterzeichnung innerhalb von
nur wenigen Stunden möglich war, warum sind
sechs Monate ergebnislos verstrichen, nach de-
nen erneut zu den Urnen gerufen wurde? Die
beiden Spitzenpolitiker sind verpflichtet, dafür
eine bessere Erklärung abzuliefern als die, die sie
bisher gegeben haben. Auf jeden Fall ist es aber
ein wichtiger Fortschritt gegenüber früheren Blo-
ckaden, wenn zwei politische Kräfte ihre Bereit-
schaft zum gemeinsamen Regieren bekunden –
obwohl noch viele Aspekte dieser Vereinbarung
offen sind. Vor allem ist unklar, welche parla-
mentarische Strategie die beiden Unterzeichner
verfolgen werden, um sich die Unterstützung zu
dpa, REUTERS, AFPsichern, die ihnen noch fehlt.

Der britische „Guardian“ beschäftigt sich mit
dem gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen
Demonstranten in Hongkong:

D


ie Verantwortung liegt in Wirklichkeit
nicht bei den einfachen Polizisten, son-
dern bei jenen, die sie befehligen. Eine
öffentliche Untersuchung sowie eine Amnestie
für alle Demonstranten, die keine Gewaltverbre-
chen begangen haben, könnte die Protestbewe-
gung immer noch beruhigen. Doch dies ist an-
scheinend weniger realistisch denn je. Die Alter-
native besteht voraussichtlich in einer immer
weiteren Eskalation der Gewalt. Hongkongs Re-
gierung muss sich auf die Polizei verlassen, weil
sie von der Öffentlichkeit nicht unterstützt wird.
Und sie kann die öffentliche Unterstützung nicht
bekommen, weil die Einwohner Hongkongs ver-
stehen, dass sie nicht ihre Interessen, sondern je-
ne Pekings vertritt. Deshalb ist das Recht, eine ei-
gene Führung zu wählen, zu einer zentralen For-
derung geworden.

D


as Hashtag #okboomer löst im Netz gerade viel
Zustimmung aus, ebenso wie Empörung. Die
Generation unter 40, oft bezeichnet als Millen-

nials und Generation Z, fordert damit die Babyboomer-


Generation heraus, also alle diejenigen, die vor 1964 ge-


boren wurden. Das Hashtag ist Ausdruck eines neuen


Generationskonflikts, von Frustration, Widerstand,


aber auch Erschöpfung: Die Jüngeren fühlen sich nicht


ernst genommen, meinen, mit sachlichen Argumenten


nicht weiterzukommen und an der Ignoranz oder Arro-


ganz der Älteren zu scheitern.


Viele werfen den Boomern vor, die natürlichen Res-


sourcen der Erde aufgebraucht und der Nachwelt kaum


etwas übrig gelassen zu haben. Die Boomer hätten sich


seit 30 Jahren nicht mehr für einen Job beworben, seien


aber der Meinung, anderen die besten Ratschläge ertei-


len zu können. Sie würden sich echten Gesprächen ver-


weigern und nicht auf Argumente eingehen, sondern an


ihren eigenen Überzeugungen festhalten – komme, was


wolle. Währenddessen wird den Jüngeren vorgehalten,


nicht so „erfolgreich“ wie die Boomer zu sein.


Das prominenteste Beispiel für die Auseinanderset-
zung, die das Hashtag beschreibt, kommt aus dem neu-
seeländischen Parlament: Die 25-jährige Parlamentarie-
rin Chlöe Swarbrick sprach dort über ein neues Klima-
schutzgesetz. Sie erklärte, dass vor allem ihre und die
folgenden Generationen mit den Konsequenzen des Kli-
mawandels leben müssten. Ältere Generationen hätten
das Problem kommen sehen, aber nicht gehandelt. Aus
dem Publikum folgten darauf Kommentare zu ihrem Al-
ter. Swarbrick reagierte mit einem erschöpften „Okay,
Boomer“.
Während es oft um ernste Themen geht, ist das
Hashtag nicht immer ernst gemeint und muss teils mit
Humor genommen werden. Die Reaktionen vieler Baby-
boomer im Netz erklären zugleich aber auch die Er-
schöpfung der Jüngeren: Die Boomer zeigen sich belei-
digt oder machen sich lustig über eine „verweichlichte
Generation“. Natürlich: Nicht alle Babyboomer verhal-
ten sich so. Und nicht alle unter 40 können sich mit der
Botschaft hinter #okboomer identifizieren. Während
auf Twitter und Co. im Moment viel pauschalisiert, dis-
kutiert, geschimpft und gelacht wird, bleibt unbeant-
wortet, wie der zugrunde liegende Konflikt gelöst wer-
den kann. Es wird deutlich: Eine Generation fühlt sich
nicht gehört, nicht ernst genommen, machtlos. Anstatt
sich darüber aufzuregen oder lustig zu machen, sollten
die Älteren besser gemeinsam mit den Jüngeren nach
einer Lösung suchen. Dafür müssen beide Seiten zuhö-
ren, Respekt zeigen und reflektieren, was bislang schief-
gelaufen ist. Vor allem die Boomer haben genau das bis-
lang nicht oder nur oberflächlich getan. Okay, Boomer?

Generationenkonflikt


Okay, Boomer – und jetzt?


Die Älteren sollten sich nicht über
ein Twitter-Hashtag aufregen,
sondern in Dialog treten mit den
Jüngeren und Lösungen suchen,
meint Lilian Fiala.

Die Autorin ist Redakteurin im Finanzteam.
Sie erreichen sie unter:
[email protected]

Wirtschaft & Politik


DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2019, NR. 220


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