Handelsblatt - 14.11.2019

(Steven Felgate) #1

Christof Kerkmann Düsseldorf


E


s sollte um neue Ge-
schäftsmodelle gehen,
um Umsatz und Gewinn,
um Dividenden und Ak-
tienrückkäufe – doch ein
Begriff fiel an diesem Vormittag ver-
mutlich noch häufiger als das Finanz-
vokabular: Kunde. Als SAP am Diens-
tag Investoren und Analysten zum
Kapitalmarkttag nach New York lud,
konnte man zwischendurch den Ein-
druck gewinnen, einer Anwender-
konferenz beizuwohnen.
„Das Wichtigste ist es, den Kun-
denerfolg zu steigern“, sagte die neue
Co-Chefin Jennifer Morgan gleich
zum Auftakt. „Für nachhaltiges
Wachstum braucht man glückliche
und loyale Kunden“, legte Christian
Klein später nach, der mit ihr vor ei-
nigen Wochen die Führung von Bill
McDermott übernommen hatte. Die
Botschaft des Duos lautet: SAP will ef-
fizienter werden, besser verdienen
und die Aktionäre daran beteiligen –
aber die Unternehmen, die tagtäglich
mit der Software arbeiten, sollen auf
keinen Fall darunter leiden.
Offiziell stand das Thema nicht auf
der Agenda, die SAP mit „Growth
and Operational Excellence“ über-
schrieben hatte. Das Management
wollte erklären, wie der Softwareher-
steller weiter wachsen, dabei aber
profitabler werden kann: Die operati-
ve Marge soll bis 2023 um fünf Pro-
zentpunkte steigen, wie der Konzern
im Frühjahr bekanntgegeben hatte,
wohl als Reaktion auf den Einstieg
des aggressiven Hedgefonds Elliott
Management. Doch die Unzufrieden-
heit der Kunden, die in den letzten
Monaten immer deutlicher wurde,
stand ebenfalls zur Diskussion.

Diskussionen auf
jeder Vorstandssitzung

SAP hat sich in den vergangenen Jah-
ren mit Übernahmen von insgesamt
30 Milliarden Euro für den Trend
zum Cloud-Computing gerüstet. Zeit-
gleich hat der Softwarehersteller sein
Kernprodukt überarbeitet und unter
dem Namen S/4 Hana auf den Markt
gebracht. Nach den hohen Investitio-
nen will der Konzern die Profitabilität
deutlich verbessern und Aktionäre
mit höheren Ausschüttungen daran
teilhaben lassen.
Das Management betonte, dass
dieses Programm nicht zulasten der
Kundenzufriedenheit gehen werde.
„Es gibt eine Menge Spielraum, um
Effizienzen und Profitabilität zu erhö-
hen“, sagte Klein. Gemeinsam setze
man bereits einen Plan um, um Sy-
nergien zu nutzen und die Organisa-
tion deutlich zu vereinfachen. Auf je-
der Vorstandssitzung steht das The-
ma auf der Agenda, und mit Deepak
Krishnamurthy steuert ein erfahre-
ner Manager als „Chief Transformati-
on Officer“ die Initiativen.
Das Effizienzprogramm ist bereits
angelaufen. So hat SAP einzelne
Teams, die Infrastruktur wie Rechen-
zentren bereitstellen, unter der Lei-
tung des neuen Vorstands Thomas
Saueressig zusammengefasst. Da-
durch erziele man in diesem Jahr Sy-
nergien in Höhe von 100 Millionen
Euro, sagte Klein. Auch Überschnei-
dungen im Portfolio, die zumeist aus
Übernahmen resultieren, will das
Management beseitigen. Zudem prüft
es den Verkauf oder die Einstellung
von einigen Produkten mit geringer
Reichweite. Um welche es sich han-
delt und welche Einsparungen da-
raus resultieren, ist bislang unklar.
Beträchtliche Einsparungen erhofft
sich SAP beim Einkauf – der laufe bis-
lang in den verschiedenen Organisa-

tionseinheiten vergleichsweise unab-
hängig, erläuterte Finanzchef Luka
Mucic. Durch eine Bündelung könne
das Unternehmen bereits im kom-
menden Jahr die Kosten um 100 Mil-
lionen Euro senken, über mehrere
Jahre hinweg um 250 Millionen Euro.
Vertrieb und Marketing sollen so
die Gesamtkosten senken, ebenso die
Servicesparte und die allgemeine
Verwaltung. Nur an Forschung und
Entwicklung will SAP nicht sparen,
der Posten soll konstant bei 14 Pro-
zent des Umsatzes bleiben. Aller-
dings werde das Management künftig
Prioritäten setzen, betonte Co-Chefin
Morgan: Es werde intern genau kom-
munizieren, welche Produkte es
nicht weiterentwickle und in wel-
chen Bereichen es in Wachstum und
Innovation investiere. Wo genau der
Softwarekonzern sparen will, legte
sie nicht dar.

Cloud-Geschäft erreicht
kritische Größe
Besonderes Potenzial zur Steigerung
der Profitabilität bietet das Geschäft
mit dem Cloud-Computing, das SAP
in den vergangenen Jahren aufgebaut
hat – es trage mehr als die Hälfte bei,
sagte Mucic. Das liege zum einen an
der Konsolidierung der vielen Zukäu-
fe: Der Konzern lässt alle Dienste auf
einer einheitlichen technischen Basis
laufen und reduziert die Zahl der Re-
chenzentren. Hinzu kommen Effekte
durch die wachsende Kundenbasis.
Das heißt: Das Cloud-Geschäft er-
reicht die kritische Größe.
Zur Einsparung tragen außerdem
Partnerschaften bei. Kunden können
das Programmpaket S/4 Hana auf
den Cloud-Plattformen von Amazon
Web Services (AWS), Microsoft, Goo-
gle und Alibaba laufen lassen. SAP
muss so weniger Kapazitäten vorhal-
ten, was die erheblichen Kosten für
die Infrastruktur drückt. Die Brutto-
marge im Cloud-Geschäft soll bis
2023 von 69 auf 75 Prozent steigen.
Weniger Kosten für die Verwal-
tung, geringere Investitionen in die
Infrastruktur, mehr Synergien beim
Einkauf: Angesichts dieser Einspa-
rungen werde SAP in den nächsten
Jahren „erheblichen Spielraum“ für
Ausschüttungen an die Aktionäre
über die reguläre Dividende hinaus
haben, kündigte Mucic an. „Wir wol-
len kein Geld horten.“
Für 2020 hatte der Dax-Konzern in
der vergangenen Woche eine zusätz-
liche Ausschüttung von 1,5 Milliarden
Euro angekündigt. Für die Zeit da-
nach nannte der Finanzer beim In-
vestorentreffen keine konkreten Zah-
len. Der Free Cashflow, der die zur
Verfügung stehenden liquiden Mittel
beschreibt, sei von externen Fakto-
ren wie Wechselkursen abhängig und
daher schwer zu prognostizieren, ar-
gumentierte Mucic. Zudem wolle sich
SAP Flexibilität bewahren, etwa für
kleinere Zukäufe. Große Übernah-
men schloss er aber aus.
Analysten bewerteten die Ankündi-
gungen überwiegend positiv. Der Ka-
pitalmarkttag bestärke den Eindruck,
dass SAP die langfristigen Ziele errei-
chen werde, schrieb die Privatbank
Berenberg und hob das Kursziel von
130 auf 135 Euro an. Das Analysehaus
Jefferies setzte das Ziel in Erwartung
von Aktienrückkäufen von 140 auf
142 Euro hoch. Am Mittwoch kostete
eine Aktie 122 Euro, ein Prozent we-
niger als am Vortag.
Bei den Kunden kam die Botschaft
des neuen Führungsduos gut an. Die
Anwenderorganisation DSAG lobte
die „neuen Impulse“, die es „im Sin-
ne der SAP-Kunden“ setze.


Leitartikel Seite 22



SAP


„Eine Menge


Spielraum“


Der Softwarehersteller will profitabler werden,


ohne bei der Produktentwicklung zu sparen.


Die Aktionäre dürfen in den nächsten Jahren


auf weitere Ausschüttungen hoffen.


Die mittelfristigen Ziele von SAP


Umsatz mit
Cloud Computing

Umsatz
Gesamt

2 4,
Mrd. €

35
Mrd. €

Über

29 %


34 %


5
Mrd. €

15
Mrd. €

63 %


75 %


Operative Marge
(bereinigt)

Cloud-Bruttomarge
(bereinigt)

HANDELSBLATT • Quelle: Unternehmen

Ist 2018 Ziel 2023


Die neuen Chefs schwören SAP auf mehr Effizienz ein.


Reuters (M)

Unternehmen & Märkte
DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2019, NR. 220

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