Handelsblatt - 14.11.2019

(Steven Felgate) #1
Angelika Gifford:
Viele Jahre in
führenden Positio-
nen bei Hewlett-
Packard und
Microsoft.

Microsoft Deutschland

Marianne Heiß


Die Werberin, die


um Werber wirbt


Catrin Bialek Düsseldorf


M


arianne Heiß sitzt in einem
Besprechungsraum in der
sechsten Etage mit Blick auf
die Düsseldorfer Königsallee.
Die gesundheitsbewusste Ma-
nagerin rührt in ihrem Tee mit frischen Ing-
werstücken. Askese und Disziplin sind ihr
wichtig. Wie auch die Arbeit. Seit einem hal-
ben Jahr ist Volkswagen-Aufsichtsrätin Marian-
ne Heiß die neue Chefin der deutschlandweit
größten Networkagentur BBDO Group Germa-
ny. Im Gespräch erklärt die 47-Jährige ihre Zie-
le. Sie will die deutsche Agenturgruppe mit
rund 2 500 Mitarbeitern agiler und kooperati-
ver gestalten: „Wir verlieren keine Zeit mehr.“
Das Management baute Heiß in den vergan-
genen sechs Monaten um. Das langjährige
Führungsduo Frank Lotze und Wolfgang
Schneider hat die Firma im Frühjahr verlas-
sen. Daniel Schwab, verantwortlich für das
Neugeschäft, und Frank Wolfram, der Mann
fürs Digitalgeschäft, gingen ebenfalls.
Eines der neuen Talente ist Sebastian
Schlosser, bisher Co-Geschäftsführer der
Agentur Thjnk, der Anfang 2020 als Chief
Marketing Officer zu seinem alten Arbeitgeber
BBDO zurückkehren wird. Schlosser zieht in
den Vorstand ein – mit CEO Heiß, dem eben-

falls neuen Finanzchef Erwin Bakker sowie
dem neuen Kreativchef Till Diestel. Letzterer
soll dafür sorgen, dass BBDO bald wieder un-
ter den drei kreativsten Agenturen des Landes
zu finden ist. „Das ist unser erklärtes Ziel“,
meint Heiß. Agenturen mit kreativem Profil
ziehen eher Werbekunden an – so das Kalkül.
Das Personalkarussell würde sich bei BBDO
nicht schneller drehen als bei anderen Dienst-
leistern. „Das ist nicht ungewöhnlich, denn
die Agenturen müssen ihre Rollen neu definie-
ren und bauen daher stark um“, sagt Oliver
Klein, Chef der Beratungsfirma Cherrypicker,
die Werbekunden bei der Agentursuche un-
terstützt. Agenturen, die zu internationalen
Networks gehören, stünden unter starkem
Umsatzdruck. Hinzu kommt eine inhaltliche
Neuausrichtung: Wo früher die Kreation eines
30-Sekunden-Werbefilms im Mittelpunkt
stand, geht es heute zunehmend darum, ei-
nen Weg in der digitalen Kundenreise, neu-
deutsch „Customer-Journey“, zu finden. Doch
bei einer Ansage stutzt Agenturkenner Klein:
„Top drei unter den Kreativagenturen? Da se-
he ich noch einige Luft nach oben.“
Laut Heiß hat die Agentur seit ihrer Amts-
übernahme keinen Werbekunden verloren,
im Gegenteil: Es seien 22 Neugeschäfte reali-
siert worden, darunter Continental, Conrad
Electronics, Champion Sportswear und
Whats App. „Das Ergebnis erhöht sich dieses
Jahr um einen zweistelligen Prozentbereich“,
meint Heiß. Auch 2020 will die Werberin, die
sich selbst als „sehr analytisch“ beschreibt,
ein ähnlich „gutes Wachstum“ hinlegen. Zwei-
stellig – so viel soll es sein.
Im vergangenen Jahr hatte die Agentur ih-
ren Umsatz um sechs Prozent auf 582 Millio-
nen Euro erhöht. Allerdings ist in der Zwi-
schenzeit ein großer Umsatzbringer verkauft
worden: Der Callcenter-Dienstleister Sellbytel,
der etwa 46 Prozent des Umsatzes erzielte,
ging an die Webhelp-Gruppe. Eine Entschei-
dung des Werbekonzerns Omnicom, zu dem
BBDO gehört. Der Dienstleister habe nicht zu
der neuen Ausrichtung gepasst, meint Heiß.
In der Werbebranche wird ihre zielstrebige Ar-
beit genau beobachtet. „Ich nehme die Agen-
tur als sehr unaufgeregt und sehr solide ge-
führt wahr“, sagt Branchenberater Klein.
Am Donnerstag findet der diesjährige „Effie
Award“ statt, dort werden die besten Kampa-
gnen ausgezeichnet. BBDO ist mit einer unge-
wöhnlichen Arbeit vertreten: Die Werber ha-
ben für die Knochenmarkspenderzentrale des
Universitätsklinikums Düsseldorf einen „Life
Lolli“ erfunden; dessen Stiel ist ein Wattestäb-
chen, das als DNA-Probe abgegeben werden
kann.
Seit 23 Jahren arbeitet die Österreicherin für
BBDO. Vor ihrer Beförderung zum CEO war
sie Chief Financial Officer. Heiß pendelt seit
Jahren zwischen Düsseldorf und Wien, ihrer
Heimat. Das Hin und Her will sie ihren Mitar-
beitern nicht unbedingt zumuten – Home -
office und Arbeiten in Büros in den verschie-
denen Städten gehörten in der Agentur heute
zum Alltag, sagt Heiß: „Anders können wir
gar nicht die besten Talente für uns gewin-
nen.“

Marianne
Heiß:
Pendeln
zwischen
Wien und
Düsseldorf.

ddp images/Sven Simon

Angelika Gifford, Ingo Luge


Thyssen beruft


neue Aufsichtsräte


ESSEN Der Aufsichts-


rat von Thyssen-Krupp


ist wieder komplett.


Der Stahl- und Indus-


triekonzern berief An-


gelika Gifford und In-


go Luge in sein Kon-


trollgremium, wie das


Essener Unternehmen


am Mittwoch mitteilte.


Nach dem Wechsel


von Martina Merz an


die Konzernspitze und


dem Rückzug von


Lufthansa-Chef Cars-


ten Spohr waren die


beiden Positionen va-


kant geworden. Die


Betriebswirtin Gifford,


die auf Spohr folgt,


war über viele Jahre in


führenden Positionen


bei Hewlett-Packard


und Microsoft tätig.


Derzeit sitzt die


54-Jährige auch in den


Aufsichtsgremien von


Tui, Rothschild & Co.
und Pro Sieben Sat 1.
Luge tritt die Nachfol-
ge von Merz an. Der
62-Jährige hatte 17 Jah-
re lang bis Sommer
2018 für Eon in meh-
reren Führungsposi-
tionen gearbeitet, zu-
letzt leitete er sechs
Jahre die Vertriebs-
tochter für den Hei-
matmarkt, Eon
Deutschland. Zuvor
war er gut ein Jahr
lang Chef der Vorläu-
fergesellschaft Eon
Energie, die ebenfalls
auf das deutsche Ge-
schäft fokussiert war.
Nach seinem Ausschei-
den aus dem operati-
ven Geschäft sitzt der
Jurist in den Aufsichts-
räten mehrerer Eon-
Konzernunterneh-
men. HB/juf

Das Ergebnis


erhöht sich


dieses Jahr


um einen


zweistelligen


Prozent -


bereich.


Marianne Heiß
BBDO-Chefin

Die neue Chefin der BBDO Group Germany baut


die Agenturgruppe kräftig um und sucht nach neuen Talenten.


Mehr Nähe zum Kunden und mehr Agilität sind ihre Ziele.
Ingo Luge:
Er leitete zuletzt
Eon Deutschland,
die Vertriebstoch-
ter des Konzerns
für den Heimat-
markt.
imago stock&people,

Stephan Brandner


AfD-Politiker fliegt


aus Rechtsausschuss


BERLIN Der Rechts-


ausschuss des Bundes-


tags hat den umstritte-


nen AfD-Abgeordne-


ten Stephan Brandner


als Vorsitzenden abge-


wählt. Es handelt sich


um einen einmaligen


Vorgang in der 70-jäh-


rigen Geschichte des


Parlaments. Alle Aus-


schussmitglieder mit


Ausnahme der AfD-


Abgeordneten stimm-


ten für die Abberu-


fung. Sie zogen damit


die Konsequenzen aus


mehreren Eklats, die


Brandner ausgelöst


hatte. Zuletzt sorgte


der AfD-Politiker aus


Thüringen für Wirbel,


als er auf Twitter die


Verleihung des Bun-


desverdienstkreuzes
an den AfD-kritischen
Rocksänger Udo Lin-
denberg mit der Be-
merkung „Judaslohn“
kommentierte.
Zuvor hatte der 53 Jah-
re alte Jurist bereits
mit seinen Reaktionen
auf den Terroran-
schlag von Halle mit
zwei Toten Empörung
hervorgerufen. „Die
Abberufung von Herrn
Brandner ist ein klares
Signal gegen Hetze
und Hass und für eine
freiheitliche, offene
Gesellschaft“, erklärte
der Ausschuss-Ob-
mann der CDU/CSU-
Fraktion, Jan-Marco
Luczak, nach der Ent-
scheidung. dpa

Namen


des Tages


DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2019, NR. 220


46

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