Handelsblatt - 14.11.2019

(Steven Felgate) #1

A


uch wenn die neue EU-Kommission
und ihre angekündigten klimapoli-
tischen Vorhaben noch auf sich
warten lassen, steht ein wichtiges
europäisches Projekt bereits in den

Startlöchern: der Umbau der Europäischen In-


vestitionsbank (EIB) in eine Klimabank. Nach


2020 soll kein Euro der Bank mehr an Projekte


verliehen werden, die dem Weltklimaabkommen


zuwiderlaufen. Oder anders formuliert: Die EIB


will die Förderung für fossile Brennstoffe auslau-


fen lassen und mit Energieeffizienz und Erneuer-


baren die Zukunftstechnologien fördern, um die


der weltweite Wettlauf entbrannt ist.


Heute stimmen die EU-Mitgliedstaaten ab.


Doch ausgerechnet an der Bundesregierung


droht die Europäische Klimabank zu scheitern.


Mit einer Bilanzsumme von knapp 560 Milliar-


den Euro ist die EIB der größte multilaterale


Geldgeber der Welt. Rund 56 Milliarden Euro an


Krediten hat sie letztes Jahr vergeben. Ihre Eigen-


tümer, die EU-Mitgliedstaaten, bestimmen ent-


sprechend ihrem Anteil über deren Verwendung


mit. Die Kreditpolitik soll sich nach den Zielen


der EU richten. Geht es nach der designierten


EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Ley-


en, investiert die EU in den kommenden zehn


Jahren eine Billion Euro, um die europäische


Wirtschaft auf Klimaschutz umzurüsten.


Die EIB will einen Großteil davon mobilisieren.


Was nicht zu unterschätzen ist: Mit jedem Euro


von der EIB fließen drei weitere Euro privater In-


vestoren in die geförderten Projekte. Hier liegen


riesige Chancen für Europa. Der Ausbau von in-


telligenten Stromnetzen, Energieeffizienz, Infra-


struktur für Elektrofahrzeuge, innovative Heiz-
systeme, Solar- und Windenergie kann zum Kon-
junkturmotor für eine schwächelnde europäische
Wirtschaft werden, die mit Konkurrenz aus Fern-
ost um die Technologieführerschaft kämpft. Al-
lein der europäische Markt für Batteriespeicher
könnte laut EU-Kommission ab 2025 ein Volumen
von 250 Milliarden Euro pro Jahr haben.
Deutschland, mit 16 Prozent einer der wich-
tigsten Anteilseigner der Bank, steht grundsätz-
lich hinter dem Vorschlag der EIB – wäre da nur
nicht das Erdgas. Die Bundesregierung will, dass
die EIB weiter Geld für den Ausbau der europäi-
schen Gasinfrastruktur verleiht. Dass der Brenn-
stoff derzeit noch wichtig für die Versorgungs -
sicherheit ist, wie die Bundesregierung argumen-
tiert, mag sein. Aber es besteht kein Grund, neue
Gaskraftwerke, Pipelines oder LNG-Terminals
mit öffentlichen Geldern der EIB zu bauen.
Denn die europäische Gasinfrastruktur ist be-
reits doppelt so groß wie die Nachfrage. In ihrer
Klimastrategie für 2050 rechnet die EU-Kommis-
sion in keinem Szenario mit steigendem Gasver-
brauch. Die Herausforderung für die Energiesi-
cherheit ist nicht mehr wie noch vor zehn Jahren
die Abhängigkeit von den großen Öl- und Gaslie-
feranten. Inzwischen wurde die europäische
Gasversorgung stabilisiert und diversifiziert und
kann etwaige Versorgungsschocks aushalten.
Die Förderung neuer Gasinfrastruktur schreibt
zudem klimaschädliche Emissionen für Jahr-
zehnte fest und unterläuft die selbst gesetzten
Klimaziele. Jeder Euro an Investitionen, die eine
fossile Infrastruktur zementieren, ist einer zu
viel. Zwischen 2013 und 2017 hat die EIB noch

mit fast zwölf Milliarden Euro klimaschädliche
fossile Projekte gefördert, letztes Jahr stellte die
Bank 2,4 Milliarden Euro für eine Gaspipeline
vom Kaspischen Meer bis nach Italien. Die ge-
plante Laufzeit: 50 Jahre – doch bis dahin muss
Europa längst klimaneutral sein. Die EIB finan-
ziert also die Erderhitzung und steckt dabei öf-
fentliche Gelder in Investitionsruinen.
Diesen Widerspruch will die Bank mit ihrer
neuen Strategie endlich auflösen. Die Idee einer
europäischen Klimabank war ein Vorstoß des
französischen Präsidenten Macron. Dass mit von
der Leyen eine Vertreterin der Konservativen
dieses Projekt nun auf EU-Ebene unterstützt,
nährt Hoffnung auf Erfolg. Mit dem EIB-Präsiden-
ten Werner Hoyer gibt es einen weiteren Befür-
worter der Klimabank. Eine Politik, die Klima-
schutz, Wettbewerbsfähigkeit und Strukturförde-
rung gleichermaßen dient, scheint die
politischen Lager zu überwinden.
Heute hat die Große Koalition die Gelegenheit,
den Weg für eine richtungweisende Entschei-
dung mitzugestalten: Wenn einer der größten öf-
fentlichen Kreditgeber der Welt beschließt, seine
Gelder statt in fossile Infrastruktur nur noch in
zukunftsfähige Energielösungen zu stecken, wer-
den nicht nur Banken und Investoren dem Bei-
spiel folgen und den Übergang zu einer klima-
neutralen Wirtschaft beschleunigen. Es ist auch
ein wichtiges Signal über Europa hinaus.
Deutschland muss sich hier klar positionieren.

Klimatest für


Deutschland


Caio Koch-Weser fordert den Umbau


der Europäischen Investitionsbank.


Der Autor ist Beiratsvorsitzender der European
Climate Foundation und ehemaliger
Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Deutsche Bank AG [M]

Heute


stimmen die


EU-Mitglied-


staaten ab.


Doch ausge-


rechnet die


Bundesre-


gierung droht


zu blockieren.


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Gastkommentar
DONNERSTAG, 14. NOVEMBER 2019, NR. 220

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