Frankfurter Allgemeine Zeitung - 07.11.2019

(Greg DeLong) #1
E

s i st ein besonders unverständ-
licher Streik, den Lufthansa-
Passagiere am Donnerstag
und Freitag zu spüren bekommen wer-
den. So sollen nach dem Willen der
Gewerkschaft Ufo „alle Purser II
(inkl. GP2) in die Endstufe 27“ stei-
gen können, Blockstunden für Euro-
pa-Flügen „LSW und BZW mit 1,25
fakturiert“ werden. Passagiere verste-
hen das nicht? Macht nichts, es geht
im Kern auch um anderes. Lufthansa
verweigert Verhandlungen, Ufo will
erzwingen, nach internen Querelen
wieder als Tarifpartner Gehör zu fin-
den, und warnt öffentlich, dass der
Konzern sich – zumindest aus Ufo-
Sicht – eine andere, bequemere Ge-
werkschaft auswählen wolle. Die Ge-
schichte des Konflikts ist eine Reihe
von Eigensinnigkeiten und Provoka-
tionen. Warum Ufo sich beharrlich
weigerte, eher Neuwahlen anzuset-
zen, bleibt unverständlich, denn das
hätte Lufthansa in einem Punkt Argu-
mente genommen. Dass Lufthansa
schon einseitig mehr Gehalt gewährt
hat – aber dazu bestreiten ließ, damit
auf Forderungen zu reagieren, war
eine bewusste Spitze. Ebenso die Ein-
ladung, mit Ufo zu sprechen, wenn
auch Konkurrenzgewerkschaften mit
am Tisch sitzen. In diesem Konflikt
hat kein Beteiligter versucht, deeska-
lierend zu wirken. Die betroffenen
Passagiere sollten sich zu Wort mel-
den und sagen: „Wir haben genug.“

A

lles läuft gut im Sportartikel-
konzern Adidas. Und Vor-
standsvorsitzender Kasper
Rorsted scheint es ein Anliegen zu
sein, eine Art Zwischenbilanz für das
Strategieprogramm „Creating the
New“ zu ziehen. Das hat sein Vorgän-
ger Herbert Hainer für die Jahre 2015
bis 2020 auf den Weg gebracht. Ror-
sted sieht heute seine Aufgabe darin,
es, wie er sagt, „nach Hause zu brin-
gen“. Wird der Däne jedoch Opfer sei-
nes Erfolgs? Einhalten von Strategie-
vorgaben und aktuellen Prognosen
hin, weiteres Rekordjahr 2019 her:
Die Kursverluste für den Dax-Wert
am Mittwoch könnten auf ein aufzie-
hendes Dilemma deuten, für dass der
seit drei Jahren tätige und von der Bör-
se verhätschelte Vorstandschef eine
Antwort finden muss. Die Anleger,
die über Jahre mit Kursgewinnen ver-
wöhnt worden sind, könnte die Phan-
tasie für eine noch höher bewertete
Aktie ausgehen. Bis zur geplanten Ver-
kündung einer neuen Strategie, die
der Konzern alle fünf Jahre mit ehrgei-
zigen Meilensteine setzt, dauert es
noch mehr als ein Jahr. Da könnte ein
Kursloch drohen. Es sei denn, Ror-
sted überlegt sich den Coup, früher
neue Leitplanken zu setzen. In Zeiten
des rasanten Wandels der Sportindus-
trie stellt sich die Frage, ob derart
langfristige Ziele noch zu formulieren
oder nicht neue Ideen gefordert sind.

D

ie Streitlust der genossen-
schaftlichen Bankengruppe
ist legendär. Kleine und gro-
ße Volks- und Raiffeisenbanken ver-
hakten sich jahrelang etwa im Zwist
um die Gebührenpolitik ihres Spitzen-
instituts DZ Bank, die DZ-Tochterge-
sellschaften wie Union Investment,
Bausparkasse Schwäbisch Hall und
R+V-Versicherung kochten gern ihr
eigenes Süppchen, und auch im Vor-
stand der DZ Bank waren sich nicht
immer alle grün. Derzeit aber schei-
nen die trotz niedriger Zinsen hohen
Gewinne der DZ Bank alle zusam-
menzuschweißen. Dabei wird die DZ
Bank seit Jahresanfang von einer oft
Konflikte schürenden Doppelspitze
geführt. Doch der junge, bisherige Fi-
nanzvorstand Cornelius Riese und
der langjährige Verbandspräsident
Uwe Fröhlich scheinen zu harmonie-
ren – auch wenn sie sich siezen. Im-
merhin, so offenbarten sie jetzt, du-
zen sich ihre Frauen. Ein altes Streit-
thema ist auch, ob die DZ Bank aufge-
spalten werden sollte in Geschäfts-
bank und Steuerungsholding. Fröh-
lich und Riese sind dabei, das Thema
kostengünstig zu befrieden. Sie schaf-
fen mit bald zwei Geschäftsberichten
die gewünschte Transparenz, vermei-
den aber das Risiko einer Aufspal-
tung. Der DZ- Bank-Konzern hat ei-
nen guten Lauf. Der sollte nicht ge-
fährdet werden.

Ein Adidas-Kursloch
Von Rüdiger Köhn

Für die DZ Bank läuft’s
Von Hanno Mußler

Wir haben genug
Von Timo Kotowski

Masayoshi Son zeigte sich am Mittwoch
ungewöhnlich kleinlaut. „Mein Urteilsver-
mögen für Investitionen war schlecht“,
sagte der Vorstandsvorsitzende des japani-
schen Technologiekonglomerats Softbank
bei der Vorlage von Geschäftszahlen in To-
kio. Gerade mit Blick auf das Engagement
beim gestrauchelten amerikanischen Büro-
vermittler Wework gab er Fehler zu, aus
denen er gelernt habe. Etwa dass er Adam
Neumann, den umstrittenen und mittler-
weile aus dem Unternehmen gedrängten
Wework-Mitgründer, falsch wahrgenom-
men habe. Er habe dessen gute Seiten
überschätzt und die schlechten ignoriert.
Es war ein schwieriger Moment für
Son, der sich lange als Technologievisio-
när mit einem goldenen Händchen für zu-
kunftsträchtige Unternehmen feiern ließ,
aber in diesem Jahr zusehen musste, wie
einige seiner prominentesten Investitio-
nen rapide an Wert verloren haben.
Wework ist dafür nur das krasseste Bei-
spiel.Softbankhatte den Bürovermittler
zu Jahresbeginn mit 47 Milliarden Dollar
bewertet, nun geben die Japaner dem Un-
ternehmen nur noch einen Wert von 7,8
Milliarden Dollar. Wework sah sich un-
längst gezwungen, den geplanten Börsen-

gang abzublasen. Auch Unternehmen aus
dem Softbank-Portfolio, die es in diesem
Jahr an die Börse geschafft haben, entwi-
ckelten sich schwächer als erhofft. Die Ak-
tien des Fahrdienstes Uber und des Büro-
software-Anbieters Slack haben seit dem
Börsengang deutlich an Wert verloren.
Softbank hat in diese Unternehmen zum
Teil direkt investiert, zum Teil über den Vi-
sion Fund, in dem auch Geld aus anderen
Quellen wie Saudi-Arabien steckt.
Mit seinen Geschäftszahlen hat Soft-
bank am Mittwoch offengelegt, dass diese
Rückschläge tiefe Spuren hinterlassen ha-
ben. Zum ersten Mal seit 14 Jahren muss-
ten die Japaner einen Verlust melden. Sie
wiesen für das vergangene Quartal einen
Nettoverlust von 700 Milliarden Yen oder
6,4 Milliarden Dollar aus. Allein für den
Vision Fund und einen kleineren Beteili-
gungsfonds von Softbank wurde ein opera-
tiver Verlust von umgerechnet 8,9 Milliar-
den Dollar ausgewiesen, der unter ande-
rem auf Wertminderungen bei Wework
und Uber zurückgeht.
Gerade auf Wework hatte Son einst gro-
ße Stücke gesetzt, er investierte mehr als
10 Milliarden Dollar. Der Börsengang soll-
te nach seiner Hoffnung bestätigen, dass

sich das Engagement gelohnt hat. Aber als
Wework im August seinen Börsenpro-
spekt vorlegte, war die Resonanz vernich-
tend. Aus dem Dokument ging nicht nur
hervor, dass das Unternehmen hohe Ver-
luste ausweist, sondern auch, dass Mit-
gründer Neumann sich eine ungewöhnlich
große Machtfülle verschafft hatte. Außer-
dem wurden fragwürdige Geschäfte zwi-
schen Neumann und seinem Unterneh-
men publik, die den Anschein von Interes-
senkonflikten erweckten. Es stellte sich
heraus, dass Wework bei einem Börsen-
gang nicht annähernd die Bewertung errei-
chen würde, die Softbank angesetzt hatte.
Der Börsengang wurde schließlich abge-
sagt, und Neumann musste als Vorstands-
chef zurücktreten. Im Oktober gab Soft-
bank eine Finanzzusage von weiteren 9,5
Milliarden Dollar, um Wework zu stützen,
freilich zu einer viel niedrigeren Bewer-
tung. Das wird den Japanern einen Anteil
von 80 Prozent an Wework geben.
Nach einem Bericht der „Financial
Times“ soll Son unlängst über Wework ge-
sagt haben: „Wir haben ein Monster ge-
schaffen.“ Und die Erfahrungen mit dem
Bürovermittler sollen ihn veranlasst ha-
ben, bei seinen Beteiligungen künftig auf
strengere Standards für die Unterneh-
mensführung zu drängen. Auch wenn er
am Mittwoch Fehler zugab, beschwor er
doch das Potential von Wework und sagte,
die jüngsten Finanzzusagen seien kein Ret-
tungspaket. Er wies auch darauf hin, dass
die 88 Beteiligungen des Vision Fund im
Moment noch immer fast 10 Prozent mehr
wert seien als einst für sie bezahlt worden
sei. Softbank wolle auch weiter wie ge-
plant seinen, zweiten Vision Fund aufle-
gen, wobei Son keine Angaben zum Stand
der Verhandlungen mit möglichen ande-
ren Geldgebern für den Fonds machen
wollte.
Wework sieht sich unterdessen zu erheb-
lichen Einschnitten gezwungen. Medien
hatten in den vergangenen Wochen schon
berichtet, dass das Unternehmen 4000 Ar-
beitsplätze abbauen will, was rund 30 Pro-
zent der Belegschaft entsprechen würde.
Die Restrukturierung trifft auch Europa,
und nach Angaben einer Sprecherin hat
Wework hier am Mittwoch damit begon-
nen, Gespräche mit betroffenen Mitarbei-
tern zu führen. Wie viele Stellen genau ab-
gebaut werden sollen, sagte sie nicht.

Wework-Debakel belastet Softbank


Konzern gibt sich nach Milliardenverlust kleinlaut / Von Roland Lindner, New York


Zuletzt ohne glückliches Händchen: Softbank-Chef Masayoshi Son Foto AFP


D

amit es beim Einsteigen in
Lufthansa-Flugzeuge schneller
geht, soll „Wilma“ helfen. So
heißt eine neue Prozedur, die
der Konzern am Donnerstag einführen
will. „Wilma“ ist eine etwas holprige Ab-
kürzung für Window, Middle, Aisle (Fens-
ter, Mitte, Gang): Wer am Fenster sitzt,
soll eher einsteigen als Reisende mit
Gangplatz. Das soll Minuten sparen.
Doch zum Auftakt werden viele Passa-
giere nichts von „Wilma“ mitbekommen,
ihre Flüge fallen aus. Weil die Flugbeglei-

ter-Gewerkschaft Ufo zu einem 48-Stun-
den-Streik aufgerufen hat, hat Lufthansa
für Donnerstag 700 Flüge und für Freitag
weitere 600 Flüge der Kernmarke von ins-
gesamt je 3000 Flügen aller Konzern-
gesellschaften gestrichen. 180 000 Passa-
giere sind nach Lufthansa-Angaben be-
troffen. Der Konzern bot allen Reisenden


  • unabhängig davon, ob ihr Flug ausfällt –
    an, auf einen späteren Termin umzubu-
    chen oder auf Inlandsstrecken mit der
    Bahn zu fahren.
    Am Tag vor dem Streik erreichte die
    Stimmung im Verhältnis zwischen Luft-
    hansa und Ufo einen weiteren Tiefpunkt.
    Der Konzern versuchte am Mittwochvor-
    mittag vergeblich, vor dem Arbeitsgericht
    Frankfurt den Ausstand per einstweiliger
    Verfügung untersagen zu lassen. Das Ge-
    richt befand, es liege ein Streikbeschluss
    vor, Tarifverträge seien wirksam gekün-
    digt, es gebe keinen Verstoß gegen die
    Friedenspflicht, und der Streik sei nicht
    unverhältnismäßig. Lufthansa setzte dar-
    aufhin den vorbereiteten Notflugplan mit
    Streichungen in Kraft, ging aber gleichzei-
    tig in Berufung. Eine Entscheidung des
    Landesarbeitsgerichts lag bis zum Redak-
    tionsschluss dieser Ausgabe nicht vor.
    Auf die Zahl der ausfallenden Flüge dürf-
    te sie sich ohnehin nicht mehr auswirken.


Der Konzern bemängelte, dass Ufo die
Regeln für die Urabstimmung über den
Streik geändert habe, während diese schon
lief. Demnach mussten nicht mehr 70 Pro-
zent der stimmberechtigten Mitglieder für
den Ausstand votieren, 70 Prozent der ab-
gegebenen Stimmen genügten. Das Ge-
richt sah es jedoch als interne Angelegen-
heit von Ufo an, wie eine Urabstimmung
organisiert werde. Ohnehin sei diese für ei-
nen Streik nicht zwingend erforderlich.
Parallel zu den gerichtlichen Schritten
hatte Lufthansa für den Mittwochabend
Gewerkschaftsvertreter zu einem klären-
den Gespräch eingeladen. Zuvor hatte
der Konzern über Monate Verhandlungen
mit Ufo verweigert, weil er die Vertre-
tungsberechtigung des aktuell aus zwei
Personen bestehenden Ufo-Vorstands an-
zweifelt. Lufthansa-Vorstandschef Cars-
ten Spohr schrieb nun in seiner Einla-
dung: „Eine Lösung kann nur im Dialog
liegen.“ Ufo sagte kurzfristig die Teilnah-
me ab – mit Verweis auf den Abendter-
min vor dem Landesarbeitsgericht. Als
Friedensangebot war die Gesprächsgele-
genheit sowieso nicht aufgefasst worden.
Lufthansa hatte auch die Gewerkschaften
Verdi und Cabin Union (CU) aus der In-
dustriegewerkschaft Luftverkehr eingela-
den. Ufo hatte zuvor Lufthansa unter-

stellt, mit Verdi einen bequemeren Tarif-
partner zu suchen. Zur CU, in der auch
ehemalige Ufo-Funktionäre engagiert
sind, hatte Ufo angemerkt, dass diese for-
mal noch gar nicht aktiv sei. CU hat erst
für den 11. November zur konstituieren-
den Mitgliederversammlung geladen.

Formal geht es um Details
Formal streikt die Gewerkschaft für eine
Reihe von Detailpunkten wie eine Erhö-
hung der Spesen für Flugbegleiter um zu-
nächst 5 Euro am Tag, höhere Zulagen für
Kabinenchefs und eine Übergangsrege-
lung für bislang saisonal schwankend Be-
schäftigte. Tatsächlich dürfte es der Ge-
werkschaft darum gehen, sich nach lan-
gen internen Querelen als handlungsfä-
hig zu präsentieren. Außerdem soll Luft-
hansa überhaupt zu bislang verweigerten
Tarifverhandlungen gebracht werden.
Ufo dokumentierte derweil, dass die
Einladung der Lufthansa für Mittwoch-
abend nicht das einzige Schreiben des
Konzerns in dieser Woche war. Lufthansa
hatte nämlich doch Verhandlungen ange-
boten – allerdings erst für den 15. Febru-
ar. Grund für diesen Vorschlag: Am


  1. Februar will Ufo den Vorstand neu
    wählen. Lufthansa hatte zuvor Unver-


ständnis geäußert, dass Ufo nach inter-
nem Streit, Rücktritten und Nachbenen-
nungen keine frühere Wahl angesetzt hat-
te. Ufo hält dagegen, dass auf der jüngs-
ten Mitgliederversammlung nur zwei Pro-
zent einen Abwahlantrag gegen den aktu-
ellen Vorstand unterstützt hatten. Vor
dem Arbeitsgericht hatte Lufthansa am
Mittwoch angeboten, in Gespräche über
die Ufo-Forderungen einzutreten, die
aber erst nach Vorstandswahlen ausver-
handelt werden könnten. Ufo lehnte das
ab, man befürchtet, dass in der Zwischen-
zeit Verhandlungen mit einer anderen Ge-
werkschaft vorangetrieben werden könn-
ten. Ihrerseits hatte Ufo in den vergange-
nen Tagen angeboten, auf einen Streikauf-
ruf zu verzichten, wenn Lufthansa sofort
in Tarifverhandlungen eintrete, was der
Konzern wiederum abgelehnt hatte.
Vorerst sind sich die Streitparteien nur
in einem einig: Die „verfahrene Situation“
sei weder den Mitarbeitern „noch unseren
Kunden länger zumutbar“, schrieb Luft-
hansa-Chef Spohr der Gewerkschaft. Der
Ufo-Vorstand diagnostizierte in einem
Brief an Lufthansa zum bisherigen Kon-
fliktverlauf: „Schon auf mittlere Sicht dürf-
ten bei dieser Strategie wohl weder Sie
noch wir auf nennenswertes Verständnis
der Außenwelt hoffen.“

joja.KÖLN. Frank Appel kann sich
noch erinnern an das Vorstandstreffen
im kleinen Kreis, an dem auch der dama-
lige Deutsche-Bank-Chef Josef Acker-
mann teilnahm. Es muss wenige Tage
vor diesem 12. September 2008 gewesen
sein, als dieDeutsche Bankeinen Brief
an den Vorstandschef der Deutschen
Post schickte, in dem sie ihre Übernah-
meabsicht für die Postbank kundtat.
Der Einstieg bei der damals größten Pri-
vatkundenbank Deutschlands war ein
Milliardengeschäft. Zwei Tage später
ging die Investmentbank Lehman
Brothers pleite. Bis die Deutsche Bank
die Postbank ganz schluckte, sollten
noch einige Jahre vergehen. Im Ge-
spräch mit Ackermann sei es um die Zu-
kunft der Postbank gegangen, berichtet
Appel, um die der Mitarbeiter und dar-
um, wer welche Kosten übernehmen
würde. Den Vorwurf, von möglichen In-
teressen der Deutschen Bank geleitet
worden zu sein, weist Appel zurück.
„Wir haben immer die Interessen der
Postbank und der Deutschen Post im
Auge gehabt und haben uns auch so ver-
halten“, sagte Appel am Mittwoch im
Oberlandesgericht Köln.
Es kommt nicht so häufig vor, dass
amtierende Vorstandsvorsitzende von
Dax-Konzernen in Gerichtsprozessen
als Zeugen aussagen. Dass sich Appel
dazu äußert, liegt an einem Streit, der
sich seit bald zehn Jahren hinzieht. Vor
dem OLG stehen sich die Deutsche
Bank und frühere Postbank-Aktionäre
gegenüber, darunter das Börsenjournal
„Effecten-Spiegel“ und eine Beteili-
gungsgesellschaft der Talanx-Versiche-
rung. Es geht darum, ob die Deutsche
Bank die Aktionäre der Postbank ange-
messen bezahlt hat.
Die Deutsche Bank war im Septem-
ber 2008 zunächst mit 29,75 Prozent bei
der Postbank eingestiegen und lag da-
mit knapp unter der Schwelle, an der sie
den anderen Aktionären ein Übernah-
meangebot hätte machen müssen. Erst
zwei Jahre später, als der Kurs der Post-
bank infolge der Finanzkrise deutlich
niedriger war, kam das Angebot an alle
Aktionäre. Ehemalige Postbank-Aktio-
näre fordern in mehreren Zivilverfah-
ren eine Nachzahlung. Der Ansicht der
Kläger nach habe die Deutsche Bank

mit dem ersten Einstieg die Kontrolle
über die Postbank übernommen, ob-
wohl die Deutsche Post damals größter
Aktionär war. Dadurch hätte sie schon
früher ein Übernahmeangebot machen
müssen, was zu diesem Zeitpunkt auf-
grund des höheren Aktienkurses mit ei-
nem höheren Preis verbunden gewesen
wäre. Die Deutsche Bank bestreitet das.
Elf Jahre nach den Gesprächen sitzt
Appel im Gerichtssaal 301 und tut sich
schwer, Details aus den damaligen Ver-
handlungen zu rekapitulieren. Er war
damals Vorstandsvorsitzender der Deut-
schen Post und saß von März 2008 bis
Dezember 2010 an der Aufsichtsratsspit-
ze der Postbank. Den Klägern hilft Ap-
pel an diesem Tag nicht sonderlich wei-
ter. „Daran kann ich mich nicht erin-
nern“ ist sein häufigster Satz. Es habe
keine Gespräche mit anderen Interes-
sengruppen gegeben. Auch die Kapital-
erhöhung, bei der die Post eine Milliar-
de Euro in die Postbank steckte, um sie
davor zu bewahren, in der Finanzkrise
unter einen Rettungsschirm schlüpfen
zu müssen, sei nicht von der Deutschen
Bank getrieben worden. „Dass es ein Ri-
siko gibt, eine Kapitalerhöhung zu zeich-
nen, war bekannt, bevor wir die Verträ-
ge abgeschlossen haben“, sagte Appel.
Die Postbank sei mit Eigenkapital unter-
stützt worden, damit sie weiterhin ein
Verkaufsobjekt bleiben konnte.
Es gehörte damals zur Strategie, dass
sich die Post von ihrer Bank-Tochterge-
sellschaft trennt, um sich stärker auf das
Kerngeschäft mit Briefversand und Lo-
gistik zu konzentrieren. Und die Deut-
sche Bank hatte nach dem ersten Ein-
stieg bei der Postbank ein Vorkaufs-
recht. Der Streitwert der Klagen in Köln
liegt laut Geschäftsbericht der Deut-
schen Bank bei 700 Millionen Euro plus
Zinsen. Auch der frühere Postbank-Vor-
standsvorsitzende Wolfgang Klein ist
als Zeuge geladen. Ackermann, der frü-
here Vorstandschef der Deutschen
Bank, und der vormalige Privatkunden-
Vorstand Rainer Neske berufen sich auf
ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Damit
folgen sie dem Beispiel von Stefan Krau-
se, der die Übernahme als Finanzvor-
stand der Deutschen Bank begleitet hat-
te und mit seinem Antrag am OLG Köln
schon erfolgreich war.

Wo geht die Reise hin? Fluggäste auf dem Frankfurter Flughafen Foto EPA


Das Rätsel Postbank


Im Übernahmestreit sagt Post-Chef Appel aus


Lufthansa streicht 1300 Flüge wegen Streiks

Ein Gericht hat den


Flugbegleiter-Ausstand


erlaubt. 180 000


Passagiere werden


von den Ausfällen


betroffen sein.


Von Timo Kotowski,


Frankfurt


SEITE 26·DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019·NR. 259 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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