Handelsblatt - 07.11.2019

(Darren Dugan) #1

PwC-Studie


Zu wenig


Automatisierung


Das Kreditgeschäft bei


Banken ist noch kaum


industrialisiert. Das können


sich die Institute nicht auf


Dauer leisten, meint PwC.


Yasmin Osman Frankfurt


D


ie niedrigen Zinsen zwingen
Banken zu mehr Effizienz im
Kreditgeschäft. Doch einer
Studie der Unternehmensberatung
PwC zufolge nutzen die Kreditinstitu-
te ihre Möglichkeiten bislang nur in
geringem Maße. Der Industrialisie-
rungsgrad im Kreditgeschäft liegt der
Erhebung zufolge im Durchschnitt
bei 40 Prozent, zeigt die Studie, die
dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.
Angesichts des herrschenden Kos-
tendrucks können sich die Institute
solche Ineffizienzen nicht länger leis-
ten. „Die absoluten Margen sind
durch das Zinsumfeld und den Wett-
bewerb mittlerweile so deutlich ge-
sunken, dass ein halber Prozent-
punkt bei den Prozesskosten den Un-
terschied machen kann“, sagt
Studienautor Tomas Rederer, Partner
Digital Operations im Bereich Finan-
cial Services bei PwC.
Die Unterschiede zwischen einzel-
nen Banken sind dabei enorm, wie
die Befragung unter 41 der Top 150
Banken im deutschsprachigen Raum
zeigt. Bei Privatkundenkrediten kam
das beste Institut auf einen Industria-
lisierungsgrad von 87 Prozent, viele
andere Institute haben der Studie zu-
folge nur Werte zwischen zehn und
30 Prozent erreicht. „Das bedeutet
für einige Institute, dass sie in den
nächsten Jahren hohe Summen in-
vestieren oder einen strukturellen
Wettbewerbsnachteil hinnehmen
müssen“, sagt Rederer.
Um den Industrialisierungsgrad zu
messen, hat PwC etwa 80 Hebel
identifiziert, die im Kreditgeschäft für
mehr Effizienz sorgen können. Nutzt


ein Institut all diese Stellschrauben,
dann liegt der Industrialisierungs-
grad nach der PwC-Definition bei 100
Prozent. Da es nicht sinnvoll sein
muss, all diese Hebel zu nutzen, liegt
der Zielkorridor aber nur zwischen
60 und 90 Prozent. Je maschineller
ein Kreditprozess abläuft, desto güns-
tiger ist das für ein Kreditinstitut.
In den einzelnen Geschäftsfeldern
gibt es große Unterschiede. Während
der Industrialisierungsgrad im Privat-
kundengeschäft im Durchschnitt
48 Prozent erreicht, sind es bei Fir-
menkunden erst 31 Prozent. Für rat-
sam hält PwC bei Privatkunden Wer-
te zwischen 70 bis 90 Prozent, bei
Firmenkunden Werte von 60 bis 80
Prozent.

Viele Möglichkeiten
Dass das Geschäft mit Firmenkunden
sich der Automatisierung und Stan-
dardisierung bislang am stärksten
entzogen hat, überrascht Rederer
nicht. „Bei Firmenkrediten hält man
noch sehr den Manufakturgedanken
hoch“, so Rederer. „Das Firmenkun-
dengeschäft ist bei vielen Häusern
die letzte nicht-automatisierte Basti-
on im Bankgeschäft.“
Bis zu einem gewissen Grad ist das
normal. Unternehmenskredite ließen
sich nicht im gleichen Ausmaß stan-
dardisieren und automatisieren wie
Darlehen an Privatkunden, räumt Re-
derer ein. „Doch es ist mehr möglich,
als man in den Banken gern glauben
will“, sagt der Berater. Bei einem Pro-
jekt in der Schweiz etwa wurde unter
anderem auch das Firmenkundenge-
schäft auf eine Plattform gehoben,
bei der am Ende der Computer die
Kreditentscheidung trifft. Im interna-
tionalen Vergleich steht Deutschland
nach Einschätzung Rederers nicht
gut da. „Wir liegen deutlich hinter
den angloamerikanischen Instituten,
und auch spanische Banken sind bei
der Automatisierung ihrer Prozesse
sehr viel weiter“, sagt Rederer.

Versicherer


Attacke auf den Marktführer Check24


Die Vergleichsportale werden


für die Versicherer immer


wichtiger. Jetzt greift ein


neuer Rivale an – mit


prominenter Unterstützung.


Carsten Herz München


E


s war eine unauffällige Pre-
miere – doch sie könnte das
Machtgefüge auf dem deut-
schen Versicherungsmarkt nachhal-
tig verändern. Still und leise ist vor
wenigen Tagen das neue digitale Ver-
gleichsportal Joonko online gegan-
gen. In der ersten Phase können
Kunden dort nur Tarife in der Auto-
versicherung vergleichen, 24 Anbie-
ter sind vorerst dabei. Die Marktfüh-
rer HUK-Coburg und Allianz fehlen
noch. Dennoch markiert der Start ei-
ne Zäsur.
Denn im rasch wachsenden und
hochlukrativen Markt der Online-Ver-
gleichsportale bahnt sich so eine hef-


tige Auseinandersetzung an. „Viele
haben gesagt, wir wären dumm,
Check24 anzugreifen. Wir halten die
Zeit für einen Neuzugang auf dem
Markt jedoch für gekommen“, sagte
Joonko-Chefin Carolin Gabor am
Mittwoch auf dem Insurance Summit
des Handelsblatts in München.
Es ist eine millionenschwere Atta-
cke auf die Marktführer, die auch vie-
le Versicherer mit Argusaugen verfol-
gen werden. Denn Check24 und an-
dere Onlineportale nehmen den
Versicherungsvertretern immer
mehr Geschäft weg. Allein der Markt-
führer vermittelt inzwischen mehr
als eine Million Kfz-Versicherungsver-
träge pro Jahr. Die Portale leben aller-
dings von Provisionen – auch wenn
sie für die Kunden als objektiv er-
scheinen. Technisch gesehen sind die
Portale damit Makler. Doch für viele
Versicherer sind die Portale vor allem
eines: kostspielige Zwischenhändler.
Entsprechend aufmerksam verfolgt
die Branche den Angriff auf die Num-

mer eins. Denn hinter Joonko stehen
zwei digital erfahrene und sehr er-
folgreiche Unternehmen. Das neue
Portal ist eine Gründung des Berliner
Firmenentwicklers Finleap, der seit
gut einem Jahr einen großen und
mächtigen Partner an seiner Seite
hat: die chinesische Versicherung
Ping An. Der weltweit nach Markt-
wert größte Versicherer aus China ist
sowohl an Finleap als auch an Joonko
beteiligt. Joonko-Chefin Gabor setzt
deshalb auch auf die technische Un-
terstützung ihrer Anteilseigner.
Denn Ping An ist ein Gigant am
Technologiehimmel der Versicherer.
Der Konzern setzt ganz auf neue
Technologien und beschäftigt ein
Heer von 23 000 IT-Entwicklern.
„Wir haben kein Interesse, einen
großen Versicherer in Europa zu
kaufen“, sagte Donald Lacey, Chef
des eine Milliarde Dollar schweren
Ping An Global Voyager Fund, auf
dem Insurance Summit. „Aber wir
wollen unsere Technologie zusam-

men mit Finleap jetzt auch für den
europäischen Markt öffnen.“
So versucht sich Joonko mit Ping
An im Rücken von den Wettbewer-
bern abzuheben. So soll das neue
Portal keinen wirtschaftlichen Anreiz
setzen, den Kunden zum Wechsel an-
zuhalten, wenn es seine private Si-
tuation nicht erfordere. Wachen soll
darüber ein eigener Versicherungs-
beirat unter Vorsitz von Ex-Ministerin
Brigitte Zypries.
Der Name Joonko ist dabei eine Re-
verenz an die Japanerin Junko Tabei,
der es 1975 als erste Frau gelang, den
Mount Everest zu erklimmen. Viel
einfacher als dies wird der Versuch,
Check24 anzugreifen, sicher nicht.
Rund zehn Millionen Euro sammelte
Joonko zwar in der ersten Finanzie-
rungsrunde als Start-Investment ein.
Doch Check24 agiert längst in einer
anderen Sphäre. Der Marktführer
gab in den letzten Jahren schätzungs-
weise allein mehr als 170 Millionen
Euro nur für Werbung aus.

Viele sagten,


wir wären


dumm,


Check24


anzugreifen.


Doch wir


halten die Zeit


für gekommen.


Carolin Gabor
CEO Joonko

Finanzen & Börsen
DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019, NR. 215
37


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