Handelsblatt - 07.11.2019

(Darren Dugan) #1
C. Schnell, F. Holtermann
München, Frankfurt

A


uf den erhofften Befrei-
ungsschlag müssen die
Aktionäre von Wire-
card weiter warten. Der
Zahlungsdienstleister
aus dem Münchener Vorort Asch-
heim hat am Mittwoch zwar auch für
das dritte Quartal beeindruckende
Zahlen vorgelegt. Konkrete Details
auf die Anschuldigungen der briti-
schen Wirtschaftszeitung „Financial
Times“, die im Oktober Kundenbe-
ziehungen über den Wirecard-Hub
in Dubai infrage gestellt hatte, gab es
jedoch nur in geringem Umfang.
Seither steht für das Unternehmen
ein weiteres Mal der Verdacht der
Manipulation von Zahlungsvorgän-
gen im Raum.
Stattdessen gab es am Mittwoch le-
diglich einige „Insides“ in die kom-
plexe Welt des Zahlungsdienstleis-
ters. Wirecard sorgt vereinfacht aus-
gedrückt dafür, dass das Geld eines
Kunden bei einem Bezahlvorgang
beim Händler ankommt. Zwei Folien
ergänzten diesmal zur Erläuterung
die Präsentation der Zahlen, die es in
ähnlicher Form bereits in vorherigen
Quartalen gab.

Nur wenige Einzelheiten
Erstmals gab es nun grobe Details
darüber, wie sich das Geschäft in
den weit über hundert Ländern dar-
stellt, in denen Wirecard inzwischen
tätig ist. Knapp über die Hälfte der
Transaktionsvolumina laufen dabei
in insgesamt 33 Ländern, in denen
Wirecard über eigene Banklizenzen
verfügt. In rund hundert anderen
Ländern der Welt sind aus Mangel
an eigenen Lizenzen lokale An-
sprechpartner nötig. Eine Liste der
Partner oder auch deren Beiträge
zum gesamten Transaktionsvolumen
veröffentlichte Wirecard weiterhin
nicht. Einzig die Details zur Über-
nahme des chinesischen Anbieters
Allscore, die am Dienstag bereits be-
kannt wurden, fanden noch einmal
Erwähnung.
Erst Anfang der Woche hatte Mar-
kus Braun, Vorstandschef und Haupt-
anteilseigner von Wirecard, im Inter-
view mit dem Handelsblatt gesagt,
man werde die Bedeutung von Part-
nernetzwerken noch besser und brei-
ter erklären und hierzu auch zusätzli-
che Zahlen veröffentlichen.
60 Partner in 40 Ländern sind
demnach direkt in die Plattform von
Wirecard integriert. Hundert weitere
Partner in 60 anderen Ländern ha-
ben den Status als sogenannte Rou-
ting Partner, arbeiten also eigenstän-
dig als Dienstleister von Wirecard.
Auch auf den Bericht der Wirt-
schaftsprüfer von KPMG, die nach
den neuerlichen Vorwürfen der „Fi-
nancial Times“ mit einer Sonderprü-
fung der Bilanzen aus den vergange-
nen Jahren beauftragt wurden, müs-
sen die Wirecard-Aktionäre warten.
War anfangs noch von einer Veröf-
fentlichung der Ergebnisse in diesem
Jahr oder Anfang des nächsten Jahres
die Rede, so ist jetzt wohl erst zum
Ende des ersten Quartals damit zu
rechnen. Das jedenfalls stellt der Fi-
nanzbericht in Aussicht, den Wire-
card am Mittwoch präsentiert hat.
Dann soll der gesamte Bericht im In-
ternet erscheinen. Mit Ausnahme
von Passagen, die datenschutzrecht-
lich geschützt sind.

Neuigkeiten aus Singapur
Neue Informationen gibt es zu den
Vorwürfen gegen die Niederlassung
in Singapur, die Anfang des Jahres
über die „Financial Times“ bekannt

wurden. Dabei kam es zu insgesamt
drei Hausdurchsuchungen durch die
Aufsichtsbehörden. Hierbei musste
Wirecard nach einer externen Unter-
suchung durch die Anwaltskanzlei
Rajah & Tann Fehlbuchungen einräu-
men. Insgesamt handelte es sich um
Beträge im mittleren einstelligen Mil-
lionenbereich und damit um weniger
als ursprünglich vermutet.
Vorstandschef Markus Braun stellte
am Mittwoch in einem Call mit Ana-
lysten in Aussicht, dass die Probleme

an dem für Wirecard wichtigen Fi-
nanzplatz in Singapur wohl in abseh-
barer Zeit vom Tisch sein dürften.
„Wir sind optimistisch, dass die Din-
ge in unserem Sinne gelöst werden“,
so Braun. Dabei gehe er davon aus,
dass sich die Ergebnisse der Behör-
den mit denen von Rajah & Tann de-
cken werden.
Die Wirecard-Aktie, die seit Anfang
der Woche zugelegt hatte und am
Dienstag noch mit rund drei Prozent
einer der größten Gewinner im Dax

war, gab am Mittwoch im Tagesver-
lauf rund ein Prozent ab. „Das spricht
dafür, dass die Anleger abwarten,
was durch die Sonderprüfung durch
KPMG herauskommt“, sagt Professor
Volker Brühl von der Frankfurter
Goethe-Universität. Sonst hätte die
Aktie seiner Ansicht nach deutlich
stärker zulegen müssen.

Eine Milliarde im Jahr 2020
Auf das operative Geschäft von Wire-
card haben sich die negativen Nach-
richten zuletzt nicht ausgewirkt. Der
Umsatz stieg im dritten Quartal um
37 Prozent gegenüber dem Vorjahres-
zeitraum auf 732 Millionen Euro.
Der Konsens der Analysten hatte
mit 720 Millionen Euro gerechnet.
Positiv überrascht hat auch der Ge-
winn vor Zinsen, Steuern und Ab-
schreibungen (Ebitda), der sogar um
43 Prozent auf 211,1 Millionen Euro
anzog. Die Analysten lagen hier im
Schnitt bei 206 Millionen Euro.
Für das Gesamtjahr liegen die Ge-
winnerwartungen von Wirecard wei-
terhin bei 765 bis 815 Millionen
Euro. Eine neue Prognose gab es am
Mittwoch für das nächste Jahr. Dann
soll der Gewinn erstmals die Marke
von einer Milliarde Euro überstei-
gen. Eine Spanne von ein bis 1,12
Milliarden Euro strebt das Manage-
ment dann an.

Quartalszahlen


Wirecard öffnet sich


nur langsam


Der Zahlungsdienstleister präsentiert starke Zahlen. Die Anleger


fühlen sich dennoch bislang nur unzureichend informiert.


Vorstandschef Markus Braun:
„Wir sind optimistisch, dass die Dinge
in unserem Sinne gelöst werden.“

Thomas Dashuber für Handelsblatt

Wirecard
Aktienkurs in Euro

15.10.2019
Erscheinungstag des kritischen
Artikels in der „Financial Times“

120,95 €

HANDELSBLATT

1.10.2019 6.11.
Quelle: Bloomberg

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110

Die Anleger


warten ab,


was bei der


Sonder -


prüfung


durch KPMG


heraus-


kommen wird.


Volker Brühl
Goethe-Universität

Finanzen & Börsen
DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019, NR. 215
36
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