Handelsblatt - 07.11.2019

(Darren Dugan) #1
Bulle & Bär

Chinas


Zerrbild am


Anleihemarkt


W


as haben Portugal und China
gemeinsam? Auf den ersten
Blick nicht viel: Das eine Land
stand in der Euro-Krise kurz vor der
Staatspleite und hat sich in den vergange-
nen acht Jahren nur mühsam aus dem
Schuldensumpf befreit. Das andere ist der
zweitgrößte Gläubiger der Welt und be-
sitzt genug Dollar-Reserven, um die USA
das Fürchten zu lehren. Doch am europäi-
schen Anleihemarkt zählen solche Fein-
heiten offenbar nicht. China hat erstmals
seit 2004 in Euro notierte Staatsanleihen
begeben – zu ähnlichen Konditionen, zu
denen sich derzeit auch Portugal langfris-
tig Geld am Kapitalmarkt besorgen kann.
Es ist schon erstaunlich: Während Por-
tugals Anleihe mit zehnjähriger Laufzeit
0,23 Prozent abwirft, muss China mit 0,19
Prozent fast genauso viel für seine sieben-
jährige Euro-Anleihe zahlen. Dabei wird
Portugal von den Ratingagenturen mit
Dreifach-B Minus eingestuft, was nur
knapp über Ramschniveau liegt. China gilt
dagegen mit seinem A-Plus-Rating als sehr
solider Schuldner. Ein Teil der, gemessen
am Rating, höheren Rendite der China-
Anleihe dürfte sich durch das geringe Vo-
lumen der chinesischen Euro-Emission
und der daraus folgenden geringeren Li-
quidität erklären. Doch ein wichtiger Fak-
tor ist auch die Europäische Zentralbank.
Sie erwirbt in ihrem kürzlich neu gestar-
teten Ankaufprogramm auch Staatsanlei-
hen Portugals. Chinesische Papiere darf
sie nicht kaufen. Dass sich Portugal günsti-
ger in Euro verschulden kann als China,
ist daher auch ein Indiz dafür, welche Ver-
zerrungen die expansive Notenbankpoli-
tik am Anleihemarkt auslöst. Doch auch
für China lohnt sich die Rückkehr auf den
Euro-Bondmarkt. Selbst wenn die Kosten
im Vergleich zu anderen europäischen
Ländern hoch sind – gegenüber Anleihen
in der Lokalwährung Renminbi sind die
Euro-Kuponzinsen niedrig.
Für Anleger ist Chinas Euro-Emission ei-
ne gute Nachricht. Dadurch erweitert sich
das Spektrum von Zinspapieren, die ein
geringes Risiko aufweisen, aber eine posi-
tive Rendite abwerfen. Zumal weitere chi-
nesische Emittenten dem Beispiel folgen
und in Zukunft den Euro-Markt anzapfen
könnten. Den Preiskampf mit der EZB
kann kein privater Investor gewinnen. An-
leger sollten daher auf Zinspapiere setzen,
welche die Notenbank nicht kaufen darf.

Der tägliche Kommentar
des Handelsblatts analysiert
die Entwicklung
an den Finanzmärkten.
Von Jakob Blume

Doch nicht nur im Positiven, sondern auch im
Negativen können Anleger in der Euro-Zone von
den japanischen Erfahrungen lernen. Bankaktien
sind demnach eine ganz schlechte Anlage. Mehr als
70 Prozent haben die Aktien von japanischen Ban-
ken im vergangenen Vierteljahrhundert inklusive
Dividenden eingebüßt. Europäische Banken kom-
men seit Frühjahr 2007 auf ein Minus von über 65
Prozent. „Die Herausforderungen für die Banken
sind groß, in Europa ebenso wie in Japan“, sagt da-
zu Gärtner von Union Investment. „Das Umfeld mit
Minuszinsen drückt auf die Ertragskraft der Ban-
ken, auf der anderen Seite belasten hohe Kosten
zum Beispiel durch Regulierung und Investitionen
in die Digitalisierung.“ Auch Hochschullehrer Stotz
sieht wegen der vielen Probleme für europäische
Banken an der Börse langfristig wenig Potenzial.
Mit Anleihen haben Anleger dagegen sowohl in
Japan als auch in der Euro-Zone langfristig ein
enorm gutes Geschäft gemacht. Das ist wenig über-
raschend – schließlich gehen sinkende Anleiheren-
diten mit steigenden Kursen einher. Japanische
Staatsanleihen brachten es seit 1995 auf einen Ge-
samtertrag aus Kursgewinnen und Zinsen von ins-
gesamt 100 Prozent, bei deutschen Bundesanlei-
hen sind es 250 Prozent.
Doch lohnt sich der Einstieg in Anleihen mit
Blick auf potenzielle Kursgewinne jetzt noch? „Es
ist vorstellbar, dass die Rendite zum Beispiel der
zehnjährigen Bundesanleihe nochmals auf ihr his-
torisches Tief von minus 0,7 Prozent vom Sommer
dieses Jahres oder sogar noch tiefer sinkt“, sagt da-
zu Klude. Ein Argument dafür sind die neuen An-
leihekäufe der EZB. Ein Renditerückgang auf mi-
nus 0,7 Prozent entspräche einem Kursgewinn von
knapp vier Prozent. Die meisten Ökonomen erwar-
ten zwar, dass die Anleiherenditen steigen werden


  • aber das machen sie im Prinzip seit mehr als 20
    Jahren und haben damit fast immer falsch gelegen.
    Für Anleger, die Anleihen bis zur Fälligkeit hal-
    ten, sind die Papiere angesichts der Minuszinsen
    nicht attraktiv. Dennoch hält Klude es für zu ris-
    kant, auf Anleihen im Portfolio ganz zu verzichten:
    „Sollten sich die wirtschaftlichen Aussichten deut-
    lich verschlechtern, wird die Flucht in Staatsanlei-
    hen einsetzen.“ Anleihen seien ein Stabilisator im
    Depot – auch bei „japanischen Verhältnissen“.


Japanische Branchenindizes im Vergleich
zum Topix, Veränderung* seit 1.1.1995 in Prozent


FTSE Japan Gesundheit
FTSE Japan Konsumgüter
Topix
FTSE Japan Banken

1.1.1995 5.11.2019

+400


+300


+200


+100


±0

-100

10-jährige Staatsanleihen
Rendite in Prozent

-0,31 %

-0,0 %
Deutschland

Japan

1.1.1995 6.11.2019

10,0

7,


,0

2,

0

-2,

Deutliche Unterschiede Immer weiter abwärts


HANDELSBLATT *Inklusive Dividenden • Quellen: Thomson Reuters, Bloomberg


Taxi Japan/Getty Images

Pharma -


aktien


sollten auch


in Europa


gut funktio -


nieren.


Carsten Klude
Chefvolkswirt bei
M. M. Warburg

Private Geldanlage


DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019, NR. 215
39

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