Handelsblatt - 07.11.2019

(Darren Dugan) #1

Spezial
DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019, NR. 215
48


N


icht nur Banken, Fondsge-
sellschaften und vermögen-
de Privatkunden sind von
der Zinspolitik der Europäischen
Zentralbank (EZB) betroffen. Auch
für den deutschen Mittelstand wird
das Thema negative Einlagenzinsen
zunehmend zu einer Herausforde-
rung. Der Grund: Viele Unterneh-
men haben in den vergangen Jah-
ren gut verdient und schieben nun
einen hohen Bestand an Liquidität
vor sich her. Um Minuszinsen zu
entgehen, schichten sie ihr Vermö-
gen vom laufenden Konto um in an-
dere Anlageformen (37 Prozent der
Befragten) oder investieren ver-
mehrt in den eigenen Betrieb (32
Prozent). Immerhin ein Fünftel (26
Prozent erwägt den Wechsel der
Bank oder die Eröffnung einer
zweite Bankverbindung.
Dies ist das Ergebnis einer im Ok-
tober veröffentlichten Studie der
Commerzbank zum Anlageverhal-
ten deutscher Unternehmen. An
der bereits zum zehnten Mal durch-
geführten Umfrage, die erstmals das
Marktforschungsinstitut Forsa be-


treut hat, nahmen 500 Entscheider
von Unternehmen ab einem Jahres-
umsatz von 15 Millionen Euro teil.
Die meisten Firmenverantwortli-
chen verfolgen dabei eine liquidi-
täts- beziehungsweise sicherheitsori-
entierte Strategie. Termingelder ste-
hen dabei ganz oben auf der Liste
der bevorzugten Anlageformen. 41
Prozent der befragten Firmen par-
ken zumindest einen Teil ihrer Li-
quidität für einen Monat oder län-
ger bei Banken – auch wenn die Zin-
sen dafür im Moment nur knapp
über der Nulllinie liegen. Aber an-
ders als auf dem Girokonto werden
aber eben auch keine Strafzinsen
für Guthaben fällig. Es folgen mit je-
weils 13 Prozent Versicherungsanla-
geprodukte, Aktien und Investment-
fonds beziehungsweise ETFs.
Für ein knappes Fünftel der Be-
fragten (19 Prozent) kommen als al-
ternatives Investment Handelsfinan-
zierungen infrage. Über alle Bran-
chen und Umsatzklassen hinweg
stellen 14 Prozent der Befragten an
ein Anlageprodukt die Anforderung,
dass es nachhaltig ist. Thomas Luther


Thomas Luther Düsseldorf

D


er deutsche Mittel-
stand nimmt endlich
das Thema Digitalisie-
rung in den Fokus. Zu
diesem Ergebnis kom-
men die Experten der Wirtschafts-
prüfungs- und Beratungsgesellschaft
Pricewaterhouse-Coopers (PwC). Sie
haben im Auftrag der Hypo-Vereins-
bank im Frühjahr dieses Jahres eine
Onlinebefragung unter 250 Unter-
nehmen unterschiedlicher Branchen
und Größenklassen gestartet.
Demnach investieren bereits
88 Prozent der befragten Unterneh-
men in Digitalisierungsprojekte. In
drei bis fünf Jahren wollen es sogar
92 Prozent der Befragten sein. Dabei
rechnen viele Betriebe mit steigen-
den Ausgaben. So beziffern 58 Pro-
zent der Unternehmen ihre jährli-
chen Investitionen in Digitalisierungs-
projekte mit bis zu 250 000 Euro. Je
nach Unternehmensgröße entspricht
das zwischen 0,5 und 1,2 Prozent
vom Umsatz. Knapp die Hälfte
(42 Prozent) geht davon aus, mittel-
fristig mehr als 250 000 Euro pro
Jahr investieren zu müssen.

Der Mittelstand holt auf
Im Mittelstand reift damit die Er-
kenntnis, dass an der Digitalisierung
kein Weg vorbeiführt. „ Traditionelle
mittelständische Unternehmen kön-
nen in digitalen B2B-Ökosystemen
vor allem im Aftersales- und im Ser-
vicebereich einen Mehrwert schaffen
und ihre Position verteidigen“, sagt

Jürgen Meffert, Seniorpartner bei der
Unternehmensberatung McKinsey.
„Voraussetzung ist, dass sie nach in-
novativen Lösungen suchen und sich
in Netzwerken zusammenschließen,
die traditionelle Wettbewerber einbe-
ziehen.“
Die Frage bei vielen Firmenverant-
wortlichen indes ist, wo die Mittel für
eine digitale Sprunginvestition her-
kommen. Mehr als die Hälfte der im
Frühjahr befragten Unternehmen
(58 Prozent) finanzieren ihre entspre-
chenden Projekte bislang traditionell


  • etwa über einen Bankkredit. Nach
    Ansicht der PwC-Experten machen
    der aus der Digitalisierung resultie-
    rende Investitionsbedarf in den kom-
    menden Jahren sowie veränderte
    Zahlungsströme und die sinkende
    Verfügbarkeit materieller Sicherhei-
    ten jedoch ein breites und flexibles
    Spektrum an Finanzierungslösungen
    notwendig.
    Gerade die Banken tun sich schwer
    bei Krediten für digitale Projekte,
    weil Sicherheiten dabei kaum vor-
    handen sind. „Die grundsätzliche
    Frage ist: Ist ein Kredit überhaupt die
    richtige Finanzierungsform für eine
    digitale Investition?“, sagt Stefan
    Elßer , Gründungspartner der mittel-
    ständischen Beteiligungsgesellschaft
    Marondo Capital. „Da die Kredit -
    finanzierung nur geringe Risiken ein-
    preist, ist sie zumindest als aus-
    schließliche Finanzierung bei größe-
    ren Digitalisierungsprojekten nur in
    wenigen Fällen geeignet.“


Der Beteiligungsexperte empfiehlt
mittelständischen Unternehmen bei
ihren digitalen Sprunginvestitio-
nen eine Strategie, bei der zumin-
dest zu einem größeren Teil Eigen -
kapital eingesetzt wird: „Eine Digita-
lisierungsstrategie und die dafür
erforderliche Finanzierung ist insbe-
sondere wenn es um ein größeres
Volumen geht, mit Risiken verbun-
den. Dies erfordert bei Fremdfinan-
zierungen erhebliche Absicherun-
gen, die meist nicht direkt aus dem
Projekt selbst heraus dargestellt wer-
den können.“
Eine weitere Finanzierungsmög-
lichkeit sind Förderkredite. Der Dreh
dabei: Die ausreichende Förderbank
trägt einen Teil der Kreditrisiken
durch sogenannte Haftungsfreistel-
lungen mit. „Die klassische Hausbank
will immer eine Sicherheit. Das ist
bei Digitalisierungsprojekten, übri-
gens ähnlich wie bei Forschungs-
und Entwicklungsprojekten, schwie-
rig, sofern das Unternehmen nicht
anderweitig Sicherheiten bieten
kann“, weiß Experte Elßer. Mit ei-
nem Förderkredit etwa der KfW lässt
sich dieser Mangel beheben.
Auch die beiden Brüder Klaus und
Thomas Ayerle standen vor gut zwei
Jahren vor dem Problem, dass sie ih-
rer Bank keine Sicherheiten bieten
konnten. Die beiden Unternehmer
brauchten jedoch 150 000 Euro für
den Aufbau einer volldigitalisierten
Produktionsstraße in ihrem Betrieb
nahe Stuttgart. Die Anlage sollte eine

Außenfinanzierung


Die Balance halten


Viele Mittelständler investieren in ihre Digitalisierung. Wegen


des Risikos empfiehlt sich dabei ein breiter Finanzierungsmix.


Einblick


Firmen sitzen


auf hoher


Liquidität


Finanzielles Polster


Wie hoch das Anlagevermögen
von Unternehmen ist


Fehlende
zu 100 % =
Keine Angabe

22 %
Unter
0,25
Mio. €


8 %
Ab 25 Mio. €


18 %
0,25 bis
1 Mio. €

37 %
1 bis
25 Mio. €

Marktstudie mit 500 Befragten (Juli – Aug. ’19)
HB Quellen: Commerzbank, Forsa


IMPRESSUM
Florian Flicke (planetc), Thomas
Luther


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297


MILLIONEN
wurden 2018 über
Crowdinvestments
finanziert.

Quelle:
Crowdfunding.de
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