Der Spiegel - 09.11.2019

(Jacob Rumans) #1
Aus der SPIEGEL-Redaktion
Das Wissen, unendliche Weiten. Wer den Mut hat, sich darin zu verlieren,
wird mit amüsanten und absurden Entdeckungen belohnt. Danny Krin-
giel hat sich getraut und berichtet von den erstaunlichsten Zusammen-
hängen. Sein SPIEGEL-ONLINE-Buch »Wie Hitler das Skateboard erfand.
In sieben Schritten durch die Weltgeschichte« erscheint in Kooperation
mit Kiepenheuer & Witsch. Es hat 320 Seiten und kostet 11 Euro.

Mitschuld an den Zuständen


Nr. 45/2019 Meinungsfreiheit – Über
echte und gefühlte Grenzen des Sagbaren /
SPIEGEL-Gespräch mit Springer-Chef
Mathias Döpfner über Political Correctness
in Medien und Politik


Sie schreiben, Bernd Lucke müsste der An-
tifa und den Studenten für seine politische
Wiedergeburt dankbar sein. Diese Häme
ist niveaulos. Herr Lucke soll also dafür
dankbar sein, dass er als »Nazischwein«
beschimpft, an seiner Berufsausübung als
Professor gehindert wurde und unter Poli-
zeischutz die Universität verlassen musste.
Er ist demnach nicht nur selbst schuld, son-
dern soll den Angreifern noch dankbar
sein für das ungewollte Medienecho. Dann
werden Sie sicherlich auch anderen Politi-
kern und Künstlern, die verbal attackiert
und beleidigt werden, nachrufen, sie soll-
ten doch dankbar sein für die kostenlose
PR! Aber Sie liefern damit ein passendes
Beispiel für Ihre Titelgeschichte – Grenz-
öffnungen gibt es auch durch Journalisten,
die Opfer zu Tätern machen.
Hubert Düring, Münster


Ihr Titel zum Allerseelenfest über Mei-
nungsfreiheit ist mein Predigtthema gewor-
den. Das Sonntagsevangelium erzählt am



  1. November vom sozial geächteten, un-
    geliebten kleinen Zöllner und Betrüger Za-
    chäus, bei dem Jesus zu Hause einkehrt
    und durch seine skandalöse persönliche
    Zuwendung die Umkehr des Sünders be-
    wirkt. Jesus hat niemandem Redeverbot
    erteilt, vielmehr aß und trank er mit den
    Verfemten, herzte und küsste sie; das erst
    führte zu einem Umdenken beim »politi-
    schen Gegner«. In welchem Parteipro-
    gramm finden wir diesen Ansatz der Mei-
    nungsfreiheit heute wieder?
    Pater Jose Manthara, Hamburg


Bravo für diesen absolut ausgewogenen
Artikel. Das ist der SPIEGEL, wie ich ihn
kenne: als Kämpfer für die Meinungsfrei-


heit. Ich liebe den harten politischen Dis-
kurs, aber persönliche Beleidigungen oder
sogar Drohungen stellen ein absolutes No-
Go dar.
Rainer Springer, Neumarkt (Bayern)

Die Analyse Mathias Döpfners in seinem
SPIEGEL-Gespräch greift zu kurz. Denn
der Springer-Chef übersieht in seiner Ar-
gumentation, dass es nicht nur eine linke,
sondern auch eine rechte Political Correct-
ness gibt, bei der man aus ideologischen
Gründen unliebsame Sachverhalte unter
den Teppich kehren möchte, die sich ins-
besondere bei der AfD an der bisherigen
deutschen Erinnerungskultur festmachen.
Deshalb waren Aussagen wie »Mahnmal
der Schande« für das Holocaust-Denkmal
in Berlin oder »Vogelschiss« für die Bedeu-
tung des Nationalsozialismus für die deut-
sche Geschichte alles andere als Zufall.
Deshalb erfordert gerade die Bekämpfung
des Antisemitismus keine veränderte De-
battenkultur, sondern einen noch deutli-
cheren Widerspruch!
Rasmus Helt, Hamburg

Anlässlich der Aussagen von Mathias
Döpfner, die Vizepräsidentin des Deut-
schen Bundestages Claudia Roth habe kei-
nen Grund, sich mit Vertretern der irani-
schen Regierung zu treffen, und relativiere
dadurch den Antisemitismus, möchte ich
an Folgendes erinnern: Im Oktober 2010
besuchte der Unterausschuss für Auswär-
tige Kultur- und Bildungspolitik des Deut-

schen Bundestages, dessen Vorsitzender
ich zu diesem Zeitpunkt war, Iran. Teil der
Delegation war auch Claudia Roth von
Bündnis 90/Die Grünen.
In Iran trafen wir uns mit
Oppositionellen und be-
suchten die jüdische Ge-
meinde von Teheran,
der wir ein Geschenk
von der Münchner Israe-
litischen Gemeinde über-
brachten. Dieses hatte
mir die damalige Präsi-
dentin des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Charlotte Knobloch, mitge-
geben. Natürlich trafen wir uns während
der Reise mit iranischen Parlamentariern
und dem Präsidenten des iranischen Par-
laments, auf deren Einladung wir dort wa-
ren. Wir sprachen über die Angebote der
deutschen Kulturpolitik, die Sprachen-
dienste und die universitären Austausch-
programme. Vor allem aber nutzten wir


  • allen voran Claudia Roth – die persön -
    lichen Gespräche auf allen Ebenen, um
    uns für die Freilassung der kurz zuvor im
    nordira nischen Täbris inhaftierten Sprin-
    ger-Journalisten Marcus Hellwig und Jens
    Koch einzusetzen. Kurz darauf wurde den
    beiden Journalisten der Kontakt zur deut-
    schen Botschaft ermöglicht – ein erster
    Schritt zur Freilassung im Februar des da-
    rauffolgenden Jahres. Der Springer-Verlag,
    dessen Vorsitzender Herr Döpfner bereits
    damals war, blieb dabei stets im Austausch
    mit uns. Damals bezeichnete er Frau Roths
    Gespräche mit dem iranischen Parlaments-
    präsidenten und der Regierung nicht als
    grundlos.
    Peter Gauweiler, ehem. MdB (CSU) und Bayerischer
    Staatsminister a. D., München


Herr Döpfner sagt, er »versuche zualler-
erst selbstkritisch zu sein«. Dabei verbrei-
tete er selbst in seinem Beitrag »Nie wie-
der ›nie wieder‹!« in der »Welt« nicht nur
noch einmal die trotz intensiver Ermittlun-
gen nicht bestätigte ehrverletzende Be-
hauptung, Bakery Jatta (HSV) sei eine an-
dere (zwei Jahre ältere) Person, sondern
brachte diese Unwahrheit sogar noch in
Verbindung mit dem Attentat von Halle.
Ich hätte erwartet, dass Sie ihn bei einem
Interview zum Thema Meinungsklima
auch darauf ansprechen. Wobei meines Er-
achtens Herr Döpfner nun wirklich nicht
der richtige Gesprächspartner für ein ziel-

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»Solange man noch öffentlich die Meinung vertreten darf, dass


man seine Meinung nicht mehr sagen darf, kann es um das Recht


auf freie Meinungsäußerung gar so schlecht nicht bestellt sein.«


Eckhardt Kiwitt, Freising (Bayern)

DER SPIEGEL Nr. 46 / 9. 11. 2019

MARKUS SCHOLZ / DPA
Ökonom Lucke an der Uni Hamburg

SVEN HOPPE / DPA
Gauweiler
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