Der Stern - 24.10.2019

(ff) #1
Bert Gamerschlag (l.)
hat seit Jahren
vier Kupfertöpfe und
Pfannen – seine
Lieblingsstücke. Philipp von Ditfurth
ging nichts über Teflonpfannen. Bis
er in Belgien die Kupfertopfherstellung
fotografierte. Jetzt ist er Kupferfan

hergestellt. „Super Ware“, schwärmt


van Achter. Es besteht aus einer


1,9 Millimeter starken Kernschicht


aus Kupfer und zwei äußeren Schich-


ten aus dünnem Stahl. Die die Topf-


innenseite auskleidende, 0,2 Milli-


meter dünne Schicht aus Edelstahl


ersetzt das Zinn von früher – das


Kupfer kann nicht mehr reagieren


und der abriebfeste Edelstahl ver-


schleißt nicht. Die nach außen wei-


sende, 0,4 Millimeter dünne Schicht


aus Ferritstahl gibt Hitze und schützt


das Kupfer vor dem Anlaufen. Adieu,


Polierarbeit!


„Vor allem aber reagiert Ferrit-


stahl auf Magnetstrahlen, sodass


das mit ihm verbundene Kupfer nun


auch auf Induktionsherdplatten


sehr schnell heiß wird. Alles ist also


wie früher“, sagt van Achter, „nur


besser!“ Seine Leitfähigkeit lässt


Kupfergeschirr sensibel und schnell


auf jede Temperaturveränderung


reagieren. So kann man auf Kupfer


mit geringerer Energieleistung


kochen, zugleich reduzieren sich


etwa Fond oder Wein in keinem


anderen Topf so schnell. Und dann


auch noch so gleichmäßig, denn


sein Leitverhalten lässt das Geschirr


nicht nur am Boden, sondern auch


an den Seiten und die Topfwände


hinauf heiß werden.


Hühnerbrust mit Haut brate ich


auf Kupfer mühelos golden, und sie


trocknet nicht aus. Bei fettrandigen


Koteletts vom Schwein und dicken


Steaks vom Rind erziele ich exakt
die rösche Kruste, in die ich so gern
beiße. Rückenstränge von Reh und
Lamm erhalten auf Kupfer in kür-
zester Zeit jene hauchdünne Kara-
mellbräune, mit der ich sie zum
Nachziehen in den Ofen stelle.
Kernstück der Arbeit der belgi-
schen Kupferkünstler ist die Tief-
ziehmaschine. Zwei Männer heben
schwere Schichtmetallplatten von
einer Palette hinüber auf eine Stanz-
maschine, knacken sie dort in Lang-
spielplattengröße, spannen sie in
eine Schneidmaschine und drehen
Kreise daraus. Das sind die Rohlin-
ge, aus denen der Tiefzieher (so heißt
eine Person dieser Tätigkeit) im
nächsten Schritt Töpfe und Pfannen
formen wird. Die Arbeit des Tiefzie-
hens von Metall ähnelt der Herstel-
lung von Hüten, bei der ein zunächst
flacher und flexibler Filz (der Stum-
pen) unter Einfluss von Dampf und
händischer Zugkraft über eine Form
hinab in eine Menschenkopfform
gezogen wird.
Auf eine starre Kupferplatte müs-
sen natürlich sehr viel stärkere
Kräfte wirken. Genau die leistet die
Tiefziehmaschine, die das Kupfer
mikrometergenau ringsum seitlich
über eine hochstehende Form hin-
abzieht, ohne es dabei zu zerreißen.
Auch seine einzelnen Schichten
trennen sich dabei nicht vonein-
ander. Van Achter: „Nachdem das
Kupfer mit seinen zwei Stahlschutz-

schichten untrennbar vermählt ist,
wird das Ergebnis ein weiteres Mal
erhitzt. Dieser Prozess lässt die Plat-
te so flexibel werden, dass sie auch
kalt formbar wird.“ Das Ergebnis ist
eine Hohlform, äußerlich stählern,
im Kern kupfern, die in nächsten
Schritten vollendet wird: Ihre Kan-
ten werden geglättet, das Äußere
matt gebürstet, eiserne Griffe an-
genietet, passende Deckel gefertigt
und die Sache zum Versand verpackt.
Zugegeben, das Produkt ist nicht
gerade billig. Dafür ist es unkaputt-
bar, lässt sich jahrzehntelang ge-
brauchen und ist somit bereits beim
Kauf ein zukünftiges Erbstück.
Nur für ältere Menschen eignet
es sich nicht, da es für sie meist zu
schwer ist. Darum gehört Kupferge-
schirr jungen Menschen geschenkt,
die es sich selbst auch nur selten
leisten könnten oder würden. Wie
schön, dass es Weihnachten gibt.

Vom Geschenk der Wertarbeit


Wo bekommt man nun Falk-Ge-
schirr? Nicht im Baumarkt und auch
nicht im Angebot! Immer wieder
wird ja mal dünnes und verdächtig
preiswertes Kupfergeschirr angebo-
ten – im Grunde sind das Imitate,
die sich bereits bei erstem Gebrauch
verziehen, am Boden irreparable
Mulden bilden und dann „tellern“.
Die einzige mir bekannte ähnlich
gute, wenn auch wegen eines höhe-
ren Aluminium-Anteils nicht ganz
so gute, Marke ist der amerikanische
Hersteller All-Clad (der aber auch
nicht billig ist). Außer bei Geschäfts-
aufgaben gibt es Kupfergeschirr
nicht als Schnäppchen, es ist Wert-
arbeit. In Deutschland ist Manufac-
tum (bekannt als teuer) der einzige
Vertreiber für Falk-Geschirr, die
Preise reichen von 95 Euro für eine
kleine Sauteuse bis 365 Euro für
einen Bräter. Manufactum stellt im-
merhin sicher, dass die Geschenke
zum Fest ankommen und man dann
sagen kann: „Sieh doch mal, was dir
das Christkind gebracht hat.“ 2

Die Töpfe wer-
den am Rand
angebohrt,
dann der Griff
angenietet.
In Kunststoff
gehüllt warten
die fertigen
Stücke auf den
Versand.
Die Stanzabfälle
aus der Vor-
produktion
gehen zurück
in die Schmelze

Jan van Achter
leitet den
Familienbetrieb
in dritter
Generation

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