Der Stern - 24.10.2019

(ff) #1

M


anchmal lässt sich ja
auch etwas retten
vor dem Fortschritt.
Nehmen wir Töpfe
und Pfannen. Ja, es
gibt bereits sehr gute (neben sehr
viel mehr schlechten), aber das Gute
ist eben nicht das Beste. Es ist stei-
gerbar. Was aber ist das vielleicht
beste Kochgeschirr?
Nahe Brüssel liegt Leuven und
nahe Leuven liegt Wespelaar, ein
kleiner Ort mit einem noch kleine-
ren Betrieb – der allerdings hat es in
sich.
Die Werkshalle mit Oberlicht ist
an beiden Enden für guten Luft-
durchzug geöffnet. Dafür, dass es
dort um Metall geht, ist es beim Ein-
tritt überraschend still. Ein Strom-
aggregat brummt, der Chef sitzt
stumm am Bildschirm, vier Ange-
stellte tun jeder für sich ihre Arbeit.
Ein Gabelstapler auf Gummirädern
fährt raus und rein. Kaum einer
spricht. Mal schlurft ein Schritt,
faucht der Feuerstoß einer Schweiß-
flamme, knackt Metall unter der Ge-
walt einer Stanze, knirscht sich ein
Bohrer durch ein Hohlgefäß, zwackt
eine elektrische Zwinge Nieten rot
glühend in die Breite, hin und wie-
der knallzischt plötzlich abgelasse-
ne Druckluft. Ab und an pfeift auch
einer mal nur so vor sich hin.
Das, worum es in der Halle der Fir-
ma Falk Culinair eigentlich geht, das
leuchtet eher zurückhaltend durch
die Eisenschwärze der Geräte. Es ist
ein golden und rot schimmerndes
Metall: Kupfer.
Ich will mein Blatt gleich offen-
legen. Die Sätze hier werden – im
Hinblick auf Weihnachten und
die dann meist erforderlichen Ge-
schenke – in eine Kaufempfehlung
münden, eine für Kupfergeschirr.
Dies deshalb, weil ich meine besten
Küchenerfolge seit Jahren damit
erziele.
Wem etwas an guter Küche liegt
und wer sein Geld nicht länger in
Autos oder Fernreisen stecken will
(oder wem es ohnehin allgemein
ganz gut geht und wer manchmal
nicht weiß, wohin mit seinen Krö-
ten), tätschele jetzt einmal sein Spar-
schwein, wiege und wäge still, was es
wohl enthält, folge mir aber vor dem
Griff zum Hammer noch einmal
kurz in die Sphären der Physik.

Vom Zauber der Zahlen


Warum das beste Kochgeschirr
kupfern ist, verrät eine Tabelle mit
der Wärmeleitfähigkeit der Metalle,
gefasst in so’n Geformel wie h(W/
(m · K)). Ich selbst bin zugegebener-
maßen zu doof für derlei, eines ver-
raten mir die dahinter tabellarisch
gelisteten Zahlenwerte aber doch:
dass Silber die höchste Wärmeleit-
fähigkeit hat (426), knapp gefolgt von
Kupfer (380) und in gutem Abstand
von Aluminium (205). Stahl hat
einen schlechten Wert (50), Stahl
muss der Hintern sehr lange einge-
heizt werden, bis er reagiert.
Genau diese Wärmeleitung ist der
Grund dafür, dass wir auf Bildern von
alten Hotelküchen und solchen in
herrschaftlichen Häusern ganze Bat-
terien von Kupfertöpfen und -pfan-
nen sehen – sie waren schlicht das
Beste (aus Preisgründen fiel Silber
aus). Und solange Geld nur eine
Nebenrolle spielte (was früher beim
Adel und in der Luxus-Hotellerie oft
der Fall war), war Kupfer ganz einfach
das Material der Wahl. Auch sah sein
polierter Glanz so hübsch hochherr-
schaftlich und prunkvoll aus.
Nun, das war früher. Doch was ist
heute?
In bürgerliche Haushalte hat es
Kupfer nie wirklich geschafft, ein-

mal, weil das Material Polierarbeit
nötig scheinen ließ, dann aber auch,
weil es bei fleißigem Gebrauch ver-
schliss und dann nicht ungefährlich
war: Kupfer reagiert an der Luft, und
im Kontakt mit Lebensmitteln kön-
nen sich giftige Substanzen bilden.
Deshalb war das Innere jeglichen
Kupfergeschirrs früher zusätzlich
mit Zinn ausgestrichen. Das Zinn
bildete eine neutrale Schutzschicht
zwischen Gargut und Kupfer und
hielt das Essen gesund.
Leider war aber dieser Schutz nur
temporär, denn Zinn ist weich, hat
einen niedrigen Schmelzpunkt und
ist nicht abriebresistent. Die Schutz-
schicht musste darum immer mal
beim Feuerverzinner erneuert wer-
den – zu umständlich für Bauern-
und Bürgerhaushalte. Dort herrsch-
ten Eisen oder Keramik vor.
Endgültig schien Kupfer als Kü-
chenmaterial dann perdu, als der
Induktionsherd aufkam, der Koch-
geschirr nicht mehr mit klassischer
Feuerhitze oder mit Strom aufheizt,
sondern mit magnetischen Wellen.
Kupfer ist nicht magnetisch.
„Aber wir haben uns etwas ein-
fallen lassen“, sagt Jan van Achter, der
mit 38 Jahren noch junge Chef des
Familienbetriebs Falk Culinair. „Die
Rettung von Kupfer als Material
für Kochgeschirre heißt Schichtme-
tall – es löst alle Probleme“, sagt er.
Das von ihm verwendete Material
ist dreilagig und wird in Westfalen

Fertig geformte
Deckel werden
händisch matt
gebürstet und
später mit
Griffen versehen.
Die scharfen
Grate der Topf-
rohlinge werden
glatt geschliffen

KEIN SCHNÄPPCHEN,


ABER WERTARBEIT


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EXTRA |GENUSS

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