Süddeutsche Zeitung - 17.10.2019

(Tina Meador) #1

München boomt – so sehr, dass vielen
nichts anderes übrig bleibt, als ins Umland
oder gleich richtig raus aufs Land zu zie-
hen. Weil es schlicht zu wenig Wohnraum
gibt, und weil der wenige Wohnraum zu-
nehmend unbezahlbar wird. Und Genos-
senschaften, die bezahlbaren Wohnraum
schaffen wollen? Können die Grundstücke
in der Stadt kaum noch bezahlen. Die
Münchner Wohnungsbaugenossenschaft
Wogeno schaut sich deshalb seit einiger
Zeit auch außerhalb der Stadt um. In dem
kleinen Ort Schlehdorf am Kochelsee,
knapp 70 Kilometer von München ent-
fernt, ist sie fündig geworden – die Genos-
sen kaufen dort nun ein Kloster.
Es passte perfekt: Auf der einen Seite
das Kloster Schlehdorf, das den verbliebe-
nen Schwestern der Missions-Dominikane-
rinnen viel zu groß geworden war. Auf der
anderen Seite die Genossenschaft, auf der
Suche nach neuen Möglichkeiten zur krea-
tiven Nutzung von Raum zum Wohnen und
Arbeiten. Für 4,2 Millionen Euro boten die
Schwestern ihr bisheriges Heim zum Ver-
kauf an, das Konzept der Wogeno für ein so-
genanntes Co-Haus gefiel ihnen schließ-


lich am besten: ein Haus zum Wohnen und
zum kreativen Arbeiten, für kurze und lan-
ge Aufenthalte, ökologisch, sozial und ge-
meinschaftlich orientiert, mit angeschlos-
senem Seminarbetrieb. Seit Juni 2018

läuft ein Probebetrieb, 60 Menschen ge-
hen ein und aus, wohnen teils dauerhaft,
teils wochenweise in dem umgewidmeten
Kloster. Nun hat der Aufsichtsrat der Woge-
no beschlossen, das Haus zu erwerben. Soll-
te mit den Baugenehmigungen zum Um-
bau des Hauses alles laufen wie geplant,
dürfte dem Kauf nichts mehr im Weg ste-
hen. Am vergangenen Wochenende habe
die Hausgemeinschaft die Ordensschwes-
tern, die mittlerweile in einem kleineren
Haus auf ihrem Grundstück leben, zu Kaf-
fee und Kuchen eingeladen, erzählt Woge-
no-Vorstand Peter Schmidt, man habe zu-
sammen gesungen, gefeiert und einander
beglückwünscht. „Wir hoffen, dass wir
dann bis Mitte nächsten Jahres beide Bau-
genehmigungen haben“, so Schmidt.
50 Wohnplätze in sogenannten Cluster-
WGs und 16 Studios zum Arbeiten soll es ei-
nes Tages geben. Weitere Projekte sind in
Bad Aibling und in Wörthsee geplant.
Gleichzeitig konzentriert die Genossen-
schaft sich weiter auf das Kerngeschäft in
München. In Freiham hat sie gerade ein
Grundstück erworben, auf dem 80 Woh-
nungen entstehen sollen. anna hoben

An der Ecke Bayerstraße und Schillerstra-
ßein unmittelbarer Nähe des Hauptbahn-
hofs soll kein weiteres Hotel entstehen.
Das haben die neuen Besitzer des Grund-
stücks bekräftigt. Gemeinsam haben die
Projektentwickler Ehret und Klein sowie
Bauwens und Büschl das Areal vom Unter-
nehmen DC Values erworben. Sie wollen
nach dem Auszug der Mieter den Komplex


abbrechen und eine neue Geschäftsimmo-
bilie errichten. In die unteren drei Geschos-
se sollen Läden und Gastronomie kom-
men. In den darüber liegenden Etagen
sind Büros vorgesehen.
Ursprünglich waren an der Schillerstra-
ße zwei neue Häuser der Hotelkette Motel
One geplant. Eines wird mit 269 Zimmern
an Hausnummer 3 kommen. Die Bauge-

nehmigung für das vom Münchner Archi-
tektenbüro OSA entworfene Projekt wurde
bereits erteilt. Es ersetzt ein in die Jahre ge-
kommenes Hotel und ein Appartement-
haus sowie eine Tabledance-Bar mit Sexki-
no. Auf der gegenüberliegenden Straßen-
seite an der Ecke zur Bayerstraße war ein
zweites Motel One geplant. Doch darauf
hat bereits der frühere Eigentümer schließ-
lich verzichtet. Der Entwurf für ein Büro-
und Geschäftshaus kam ebenfalls von
dem Büro OSA. Die neuen Besitzer haben
ihn übernommen.
Das Bahnhofsviertel gilt als der Ort mit
der höchsten Hoteldichte in Europa. Gegen
die Hotelprojekte hatte es Proteste aus der
Anwohnerschaft gegeben. Michael Ehret,
der geschäftsführende Gesellschafter von
Ehret und Klein, versichert, dass man die
Nachbarschaft und die künftigen Nutzer in
die Planung des Neubaus einbeziehen wer-
den. „Offene und vertrauensvolle Gesprä-
che“ würden bereits geführt. Auch bei der
Revitalisierung des ehemaligen Kaufhau-
ses Beck an der Fürstenrieder Straße in
Laim seien Bezirksausschuss, Stadtrat
und Anwohner beteiligt gewesen. Für das
Unternehmen Bauwens und Büschl ist der
Komplex im Bahnhofsviertel das erste Pro-
jekt, das nach dem Zusammenschluss der
Unternehmen auf dem Münchner Markt
akquiriert wurde. Der Neubau des Haupt-
bahnhofes löst einen Investitionsschub in
der Nachbarschaft aus. Die Projekte an der
Schillerstraße sind Beispiele für die Ent-
wicklung. alfred dürr

Genossenschaft im Kloster


DieMünchner Wogeno kauft die Immobilie am Kochelsee – zum Wohnen und Arbeiten


An der Ecke Schillerstraße/Bayerstraße sollte eigentlich ein weiteres Hotel gebaut
werden, doch nun wird ein Geschäftshaus geplant. VISUALISIERUNG: BÜRO OSA


Geschäfte statt Hotelbetten


Neue Investoren wollen am Hauptbahnhof ein Haus mit Läden und Büros errichten


Die Polizei hat am Mittwochmorgen er-
neut Hanfläden und Wohnungen der Be-
treibern in München und ganz Bayern
durchsucht. Etwa 100 Beamte hätten zwölf
Objekte kontrolliert, teilte ein Sprecher
der Polizei mit, vier davon befanden sich
außerhalb der Landeshauptstadt. Bereits
im April gab es Razzien in einer Reihe von
Hanf-Shops. Begründet wurden diese da-
mit, dass Minderjährige bei Befragungen
durch die Polizei angegeben hätten, dort
Cannabis erworben zu haben. Cannabidiol-
Produkte fallen nicht unter das Betäu-
bungsmittelgesetz, dürfen aber nach der
Rechtsauslegung der Staatsanwaltschaft
München dennoch nicht an Endkunden
verkauft werden. anh

Eine Personenkontrolle in Trudering hat
die Polizei zu einer Marihuana-Plantage
im Landkreis Wolfratshausen geführt. Die
Beamten wollten am Samstagmittag in der
Zehntfeldstraße einen Mann kontrollie-
ren. Der warf etwas weg, versuchte zu flie-
hen, wurde aber gestoppt. Nachdem ein
Rauschgiftspürhund mehrere verkaufsfer-
tig verpackte Tütchen mit Marihuana ge-
funden hatte, durchsuchte die Polizei die
Wohnung des Mannes und fand noch ein-
mal 400 Gramm Gras sowie eine Machete
und einen Wurfstern. Die Ermittlungen
führten die Beamten schließlich zu einem
Gartengrundstück, wo noch einmal zehn
Pflanzen standen. Ein Richter erließ Haft-
befehl gegen den 47-Jährigen. anh

Ein Mountainbikefahrer ist am Dienstag
auf dem Isartrail Grünwaldrunde gestürzt
und hat sich dabei tödlich verletzt. Passan-
ten fanden den 39-Jährigen kurz nach
12Uhr und verständigten den Notruf. Er
war auf dem Waldweg über eine etwa ein
Meter hohe Schanze aus Erde gefahren
und so unglücklich aufgekommen, dass er
sich mehrere Organrisse zuzog. Ein Ret-
tungshubschrauber brachte ihn ins Kran-
kenhaus, wo die Ärzte unter anderem ein
Lungenversagen diagnostizierten. Sie
konnten ihn nicht mehr retten. Wie die Poli-
zei am Mittwoch bekannt gab, erlag der In-
genieur kurz nach 21 Uhr seinen schweren
Verletzungen. anh

von jakob wetzel

D


ie USA? Die seien mit das beste Ziel,
um als Au-pair ins Ausland zu ge-
hen, hört Carina am Stand der Agen-
tur „Abroad Connection“. Dort würden Au-
pairs gut betreut. Umgekehrt müssten sie
schon Erfahrung mitbringen, 250 Stunden
in der Kinderbetreuung, heißt es, „bei Kin-
dern, mit denen man nicht verwandt ist“.
Aber ob sie sich wirklich ein Jahr lang um
fremde Kinder kümmern will? Die 17-Jähri-
ge nimmt sich erst einmal einen Packen
Broschüren und zieht weiter.
„Wir schauen uns erstmal alles an“, sagt
Carina. Es ist Dienstagnachmittag, und die
Gymnasiastin ist mit ihrer Freundin Han-
nah zur Jugendinformationsmesse „Wege
ins Ausland“ in den Gasteig gekommen.
„Wir überlegen beide, was wir nach der
Schule machen wollen“, sagt Carina. „Das
weiß man ja nie so genau. Aber es spricht ei-
nen jeder drauf an.“ Auf der Messe haben
sie jetzt große Auswahl: Hier informieren
Agenturen über eine Zeit als Au-pair, dort
klärt ein Verein über Freiwilligendienste
auf, nebenan gibt es Tipps zu Sprachrei-
sen. Und später gebe es einen Vortrag über
ein Studium im Ausland, den wollten sie
noch hören, sagen die zwei Schülerinnen.
„Im Ausland studieren, vielleicht auch in
den USA, das wäre ziemlich cool“, sagt Han-
nah. Sie spreche ja schon die Sprache, und
die Universitäten seien gut. „Und man ist
weit weg, also unabhängig von den Eltern.“


Ein Auslandsaufenthalt sei unter Schüle-
rinnen und Schülern zunehmend begehrt,
sagt Stephan Hadrava vom Jugendinforma-
tionszentrum (JIZ), das mit der Stadtbiblio-
thek, der Arbeitsagentur und der Jungen
Volkshochschule bereits zum vierten Mal
die Messe „Wege ins Ausland“ organisiert
hat. 1000 bis 1500 Besucher zähle man je-
des Mal, die meisten seien Schüler in den
letzten Jahrgängen vor dem Abschluss.
Wie groß die Nachfrage sei, sehe man aber
schon an den vielen verschiedenen Mes-
sen, die etwa „Auf in die Welt“ heißen oder
„Jugendbildungsmesse“. „Wege ins Aus-


land“ aber sei anders, sagt Hadrava. Denn
die meisten Messen seien kommerziell, die-
se aber nicht. „Wir verlangen kein Geld.“
Deshalb seien unter den 34 Ausstellern vie-
le gemeinnützige Organisationen, die sich
anderswo die Standgebühren nicht leisten
könnten. Die Messe sei ein „kommerzfrei-
er Raum“, sagt Karina Fink von der Stadtbi-
bliothek. „Unser Auftrag ist Informieren.“
So gibt es in den 14 Referaten und Film-
vorführungen auch keine Werbung von Fir-
men, stattdessen bestreiten die Veranstal-
ter den Großteil der Vorträge selbst. Sie
weisen dann zum Beispiel darauf hin, dass
es nicht Australien sein muss. Man könne
auch einen Auslandsaufenthalt in Polen
oder in Lettland planen, sagt Fink, das sei
auch besser für die CO2-Bilanz. Oder sie klä-
ren auf, wieso Freiwilligenarbeit auch pro-
blematisch sein kann: etwa wenn europäi-
sche Jugendliche ohne jede pädagogische
Ausbildung mit Kindern arbeiten sollen.
Gerade bei Projekten im sogenannten
globalen Süden gebe es große Unterschie-
de, sagt Simon Primus von dem Verein
„Commit“. Wichtig sei vor allem, dass Aus-
landsaufenthalte gut vor- und nachberei-
tet würden, und dass die Partnerländer als
mündig dargestellt werden. Andernfalls
verfestige sich ein kolonialistisches Welt-
bild, das die Erde einteile in entwickelte
und hilfsbedürftige Länder. Es müsse auch
nicht immer ein „Hilfsprojekt“ sein, sagt
Primus. Ein „Praktikum“ tue es auch.
„Commit“ existiert seit 2003. Bis 2009
hat der Verein selbst Freiwilligenprojekte
organisiert. Dann habe man erkannt, dass
Freiwillige aus Europa nicht dafür qualifi-
ziert seien, um zum Beispiel die Folgen des
Bürgerkriegs in Sierra Leone aufzuarbei-
ten. „Die Meinung hat sich durchgesetzt,
dass wir da eigentlich nichts verloren ha-
ben“, sagt Primus. Jetzt hält er Interessen-
ten an, Projekte zu hinterfragen.
Die Besucher der Messe hätten vor al-
lem zwei Motive, sagt Stephan Hadrava
vom JIZ. Um einen Schüleraustausch gehe
es selten; dafür seien die meisten Besucher
schon zu alt. Vielmehr wollten sich die ei-
nen sozial engagieren. Die anderen wollten
reisen und das mit einem Job verbinden,
auch, um sich das Reisen überhaupt leis-
ten zu können. Als Reiseländer begehrt sei-
en hierbei klassisch Australien und Neusee-
land, sagt Christin Rötzer vom American

Institute for Foreign Study (AIFS), das un-
ter anderem zu „Work &Travel“-Reisen be-
rät. Aktuell sei Japan im Kommen, weil das
Land als Reiseziel noch eher ungewöhnlich
sei. Das AIFS hilft den Schülerinnen und
Schülern dann bei der Organisation und
gibt Tipps für die Jobsuche vor Ort.
Schräg gegenüber von Rötzer hält Ivy
Owusu-Dartey Ausschau. Sie arbeitet für
ein Kompetenzzentrum des Programms
„Weltwärts“ des deutschen Bundesent-
wicklungsministeriums. Eben hat sie zwei
junge Frauen ermuntert, sich um Stipendi-
en zu bewerben. Jetzt sagt sie, sie suche ge-

zielt nach Leuten mit Migrationshinter-
grund, denn diese gingen viel zu selten ins
Ausland. „Bei uns machen vor allem weiße
Frauen aus gutbürgerlichen Haushalten
mit“, sagt Owusu-Dartey. Menschen unter
anderem mit Migrationshintergrund seien
dagegen deutlich unterrepräsentiert. „Oft
glauben sie, dass man für einen Auslands-
aufenthalt ein Einser-Schüler sein muss“,
sagt sie. Oder sie dächten, dass das zu teuer
sei, und sie wollten ihre Eltern nicht belas-
ten. Oder sie wüssten einfach nichts da-
von, weil in ihrem Freundeskreis ja auch
niemand ins Ausland gehe.

Das müsse sich ändern, findet Owusu-
Dartey. Nicht nur, weil alle die Möglichkeit
haben sollten, globale Zusammenhänge zu
verstehen und zu sehen, „dass es vielleicht
nicht so toll ist, wenn wir unseren Elektro-
schrott nach Ghana verschiffen“, sagt sie.
Sondern auch, weil es zum Beispiel für afri-
kanisch-stämmige Deutsche interessant
sei, sich im Land des Vaters oder der Mut-
ter mit der eigenen Identität zu beschäfti-
gen und vielleicht die Sprache zu lernen.
„Und es geht ja auch um Chancen“, sagt sie.
Für eine Bewerbung sei es gut, wenn im Le-
benslauf ein Auslandsaufenthalt steht.

Im Kloster Schlehdorf haben bislang Do-
minikanerinnengelebt, ihnen ist es aber
zu groß geworden. FOTO: CORINNA GUTHKNECHT

Razzia in


Hanfläden


Polizei entdeckt


Marihuana-Pflanzen


Mountainbikefahrer auf


Isartrail verunglückt


Erstmal alles anschauen: Bei der Messe im Gasteig bekommen Jugendliche stapelweise Infos. FOTO: MOSES OMEOGO

Gutes tun und


die Welt erkunden


Nach der Schule zieht es viele in die Ferne. Auf der Messe
„Wege ins Ausland“ gibt es Tipps und ernste Hinweise

Muss es immer ein „Hilfsprojekt“


sein? Und welches Ziel ist besser


für die eigene CO2-Bilanz?


DEFGH Nr. 240, Donnerstag, 17. Oktober 2019 (^) MÜNCHEN PDH R3



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