Frankfurt/Main– Die frühere Weltrang-
listenerste Angelique Kerber hat nach ih-
rer verletzungsbedingten Absage für das
Tennis-Turnier in Luxemburg ihre Saison
vorzeitig beendet. Das bestätigte das Ma-
nagement der Kielerin. Bei der Verletzung
handelt es sich um eine leichte Blessur am
Bein. In der zu Ende gehenden Saison wäre
ohnehin nur noch eine Reise zur Elite Tro-
phy in Zhuhai/China möglich gewesen, ei-
ner Art B-WM. Die WTA Finals – den Jah-
resabschluss der acht besten Spielerinnen
der Saison – hatte Kerber verpasst. Bei ih-
rer Trainersuche befindetsichdiedreimali-
geGrand-Slam-SiegerinderzeitinGesprä-
chen, eine Entscheidung soll bis zum Start
der neuen Saison fallen. Zuletzt war die 31
JahrealteKerbervonDirkDierbetreutwor-
den. sid, dpa
Chicago/München–EineunbequemeStil-
le lag über dem Saal, als Brigid Kosgei, die
neue Marathon-Weltrekordhalterin, nach
vollbrachter Arbeit die Fragen der Repor-
terentgegennahm.Wosollte man auchan-
fangen, nachdem die schmächtige 25-Jäh-
rigesoebeneinederdenkwürdigstenBest-
marken ihres Sports nicht einfach aus den
Angeln gehoben, sondern gewissermaßen
zertrümmert, zerkleinert und zu Fein-
staub zerhäckselt hatte? Nun ja, begann
Kosgei ihren knappen Vortrag mit ihrer
warmen, leisen Stimme, sie habe im ver-
gangenen Jahr nun mal sehr hart trainiert.
Und wenn man fest an seine Ziele glaube,
dann seien solche Zeiten natürlich mach-
bar. Alles eine Glaubensfrage?
So leise Brigid Kosgei aus Kapsowar im
kenianischen Hochland daherkommt, so
laut war das Getöse, mit dem ihre Bestzeit
am Sonntagabend über die Szene herein-
brach. 2:14:04 Stunden hatte sie für die
42,195 Kilometer auf dem ebenen Kurs in
Chicago benötigt, 81 Sekunden weniger als
Paula Radcliffe vor 16 Jahren in London.
Die 2:15:25 der Britin, erschaffen mithilfe
von männlichen Tempomachern, galten
seitdem als Synonym für Unantastbarkeit,
keine Frau hatte bis zuletzt 2:16 oder gar
2:17 Stunden unterboten – Mary Keitanys
2:17:01voreinemJahrinLondongaltenbe-
reits als sinnbetäubendes Spektakel. Und
jetzt: 81 Sekunden schneller? Da taugte
selbstdiekleineEwigkeit,diebeimassiven
LeistungssprüngengernealsVergleichsre-
ferenz herangezogen wird, kaum als Maß-
stab. Schon eher das Lichtjahr. Und anders
als ihr Landsmann Eliud Kipchoge am Tag
zuvor hatte Kosgei ihre Leistung in einem
regelkonformen Rennen geschafft.
Der Spitzensport, der in vielen Diszipli-
nen ja bereits die menschlichen Grenzen
ausgereizt zu haben schien, hat zuletzt ei-
ne durchaus erstaunliche Zahl an neuen
Leistungsstufen erschlossen. Sei es bei der
Leichtathletik-WM in Doha, bei den Sie-
gen der deutschen Triathleten auf Hawaii
oder jetzt in Chicago. Da kann man wohl
nurstaunen,einerseits.Andererseitsmuss
man all diese neuen Kapitel wohl auch mit
einemgewissenUnbehagenlesen,nichtzu-
letzt dank diverser Dopingenthüllungen,
durchlässiger Kontroll-Netze und Desig-
nerstoffe, die noch kein Dopingradar so
recht erfasst. Man kann das schlecht den
Athleten anlasten, vielmehr den Sportver-
bänden und ihrer noch immer nachlässi-
gen Anti-Doping-Politik. Aber bei Kosgei
springt halt auch diese Steigerung ins Au-
ge: Vor vier Jahren debütierte sie im Mara-
thon in 2:47:59 Stunden, jetzt also diese
2:14:04. Solche Sprünge sind selbst in Ma-
rathon-Lichtjahren schwer zu erfassen.
Kosgei, dunkelblauer Trainingsanzug,
die Haare zu feinen Zöpfen geflochten,
warb am Sonntag mit leiser Stimme um
Verständnis. Sie habe im letzten Jahr wirk-
lich hart gearbeitet, derart fokussiert habe
siesichzuvorkauminsTrainingknienkön-
nen. Tatsächlich brach sie vor sieben Jah-
ren die Schule ab, bekam zwei Kinder,
schloss sich 2015 der Trainingsgruppe von
ErickKimaiyo an.KosgeisMannpasste un-
terdessen zu Hauseauf die Kinder auf – ei-
ne Konstellation, die in Kenia bis zuletzt
kaum denkbar war – während die 21 Jahre
alte Mutter die Familie mit Preisgeldern
aus den lukrativen Straßenrennen finan-
zierte.2016,einJahrnachihrem2:47er-De-
büt,schaffteKosgeischon2:24:45inHono-
lulu, 2017 dann 2:20:22 in Chicago, im ver-
gangenen Frühjahr gewann sie in London
in 2:18:20. Und nun? „Ich bin hierher ge-
kommen, um meine persönliche Bestzeit
zu laufen“, sagte sie in Chicago, aber ja, sie
hatte sich schon die 2:15 Stunden vorge-
nommen.Was ihrdannauchlockergelang,
mit zwei gleichwertigen Halbmarathons
(66:59 und 67:05 Minuten). Als könne man
einfach weiter seine Grenzen verschieben.
MitdenGrenzenistdasgeradenursoei-
ne Sache im Ausdauersektor. Auch Kosgei
lief, wie Kipchoge in Wien, am Wochenen-
de im neuen Schuhmodell von Nike, das
seitzweiJahren füreine kleine Rekordwel-
le im Marathon zumindestmitverantwort-
lichzuseinscheint.ZumanderenwirdKos-
gei vom Italiener Federico Rosa betreut.
Dessen Klienten flogen zuletzt immer wie-
der mit dem Blutdopingmittel Epo auf: die
zweimalige Chicago-Siegerin Rita Jeptoo,
Rio-Olympiasiegerin Jemima Sumgong,
der dreimalige Weltmeister Asbel Kiprop.
Kosgei selbst ist bislang nicht auffällig ge-
worden,auchnichtimrigoroserenTestpro-
gramm, das die Veranstalter der großen
Stadtmarathons mittlerweile aufgespielt
haben. Sie wisse auch gar nichts über Do-
ping, sagte Kosgei in Chicago, und über-
haupt: „Jeder Mensch, der hart arbeitet,
kann sauber laufen. Ich glaube, dass Frau-
en sogar 2:10 Stunden schaffen können.“
So ist das im modernen Mediensport:
Kaum ist ein Kapitel geschrieben, wird das
nächste verhandelt. Ein Frauen-Marathon
in 2:10 Stunden? Alles offenbar nur eine
FragedesGlaubensindiesenbewegtenMa-
rathontagen. johannes knuth
Suzuka/München– EinSportwagen steht
auf einer von Palmen umsäumten Allee.
Vorne links, auf der Hutze, unter der einer
der Scheinwerfer verbaut ist, fläzt sich Le-
wis Hamilton in kurzer Hose und lässiger
Pose, er trägt eine Sonnenbrille, es ist ein
sonniger Tag. Und es ist der Sonntag vor
dem Sonntag, an dem Hamilton gemein-
sam mit seinem Arbeitgeber, dem For-
mel-1-Team von Mercedes, in Suzuka ei-
nen Rekord egalisieren wird, von dem
nicht wenige dachten, er wäre aufgestellt
für die Ewigkeit. „Happy Sunday World.
Who wants to come for a ride with me?“,
hat Hamilton neben das Foto geschrieben,
das er auf Instagram hochlädt. Er will wis-
sen, wer Lust hat, sich neben ihn auf den
Beifahrersitz des Sportwagens zu setzen,
den Hamilton sich nicht leihen musste für
die Inszenierung, weil er ihm gehört. Der
Himmel ist blau, die Palmen sind grün. Es
ist fast ein stimmiges Bild. Nur das Auto
des Silberpfeil-Piloten, es ist ferrarirot.
Hamiltons Pose auf seinem Ferrari La-
Ferrari, der nur 499 mal hergestellt wurde
undangeblicheinenStückpreisvon 1,2Mil-
lionen Euro hat, ist in vielerlei Hinsicht
spannend. Daran, dass er das Bild über-
haupt hochladen darf, obwohl sein Gehalt
aus Stuttgart überwiesen wird und er alle
seine fünf Weltmeistertitel, auch den ers-
ten 2008 bei McLaren, mit einem Merce-
des-Motor gewonnen hat, lässt sich erken-
nen, wie einmalig sein Stellenwert ist, wie
undenkbar eine Trennung von Team und
Fahrer derzeiterscheint.ImSubtextkoket-
tiertHamiltonmalwiedermiteinemWech-
sel zur Scuderia. Für die Zeit nach 2020
schließt er diesen bekanntlich nicht aus.
UndsostelltdasFotodieKernfragederFor-
mel 1: Wer soll Mercedes aufhalten? Wie
lässtsichderLaufeinerMannschaftunter-
brechen, die am Sonntag zum sechsten
Mal nacheinander die Konstrukteurs-WM
gewonnen hat? Diesmal fünf Rennen vor
dem Saisonende – womit die Truppe von
Motorsportchef Toto Wolff die Ferrari-Se-
rie aus der Hochzeit von Michael Schuma-
cher egalisierte. Gewinnt erst dann je-
mand anders, wenn Hamilton Lust ver-
spürt, mal etwas Anderes, etwas Langsa-
mereszufahren?SebastianVettel,deraber-
mals mit Ferrari geschlagene viermalige
Weltmeister,scherzteinSuzuka:„Hoffent-
lichlangweilensiesichallmählich.Wirwer-
den mal sehen, was dann passiert.“
Es wird vermutlich nicht passieren. Zu-
mindestnicht2020,demJahrvorderÄnde-
rung des Technik-Reglements, in dem die
Formel1einweiteresMalnachdenSpielre-
gelnspielt, dieniemandso gut verstehtwie
Mercedes. Offensichtlich beherrscht Toto
Wolff die Kunst, seine Heerscharen an
schlauen Ingenieuren in der englischen
Stadt Brackley, die schon mehr als genug
gewonnen haben, jedes Jahr zu motivie-
ren, immer wieder das weltbeste Gesamt-
paket aus Motor und Chassis zu entwi-
ckeln. In diesem Jahr hat Ferrari endlich
maleinen Motor konstruiert, der ebenbür-
tig, neuerdings sogar überlegen ist. Und
doch hat es wieder nicht gereicht. In der
Formel 1 entscheiden nicht nur die Güte
des Autos und die Zuverlässigkeit der Fah-
rer. Mercedes ist in dieser Saison auch mal
wiederinFragenderRennstrategieüberle-
gen gewesen. In Suzuka fuhr Charles Lec-
lerc einige Runden lang mit einem Ferrari
im Kreis, dessen Frontflügel sich in seine
Bestandteile auflöste, er erhielt sogar eine
Zeitstrafe,weilerdieGesundheitallerPilo-
ten gefährdete. Hätten sie so einen Streu-
wagen bei Mercedes womöglich früher zur
Reparatur einbestellt?„Unsfehlt nocheine
ganze Stange, um wirklich dagegenzuhal-
ten“, meinte Vettel: „Von außen betrachtet,
sind sie ganz nah dran an der Perfektion.“
Von innen betrachtet, bei einem Besuch
auf Wolffs Couch in seinem Arbeitszim-
mer, bekommt man eine Vorstellung da-
von, wie gearbeitet wird beim Seriensieger
in Brackley. Wolffs Hauptquartier ist nicht
nur geografisch entkoppelt von der Kon-
zernzentrale in Deutschland. Die Stuttgar-
ter lassen den Österreicher, der im Januar
2013 die Leitung eines eher erfolglosen
Werksrennstalls übernahm, weitestge-
hend freie Hand. Der Daimler-Konzern
überließ Wolff bei dessen Einstieg auch
30Prozent der Anteile am Rennstall, er ist
also am Erfolg unmittelbar beteiligt. Und
er hat noch nicht viele Argumente gelie-
fert, weshalb man in seine Arbeitsabläufe
eingreifensollte.WolffschätztflacheHier-
archien und Eigenverantwortung. „Ich
kann keine aerodynamische Fläche desig-
nen. Aber ich weiß alles über denjenigen,
derdaskann“,haterderSZgesagt.UmMo-
ral und Motivation in der Truppe zu heben,
lässtergernevorderSaisondieErinnerun-
gen an die vielen Trophäen aus dem Ge-
dächtnis seiner Leute löschen. An der Auf-
fahrt zur Mercedes-Zentrale gibt es eine
Schautafel, die die Erfolge auflistet. An-
fang dieses Jahres tilgte er dort die Spuren
von fünf gewonnenen Fahrerweltmeister-
schaftenundfünfKonstrukteursweltmeis-
terschaften. Bald werden es jeweils sechs
sein, weil auch der Fahrertitel in diesem
Jahr nur noch an Hamilton oder Valtteri
Bottasverteiltwerdenkann.IndiesemMo-
ment wird die Melange aus Pilot und Team
jene von Ferrari und Schumacher überflü-
gelt haben, die auf fünf Fahrertitel kamen.
Das klingt nach banaler Küchenpsycholo-
gie, funktioniere aber wirklich, sagt Wolff.
Er lässt auch jedem seiner Mitarbeiter ei-
nen Zettel einlaminieren, auf dem die Un-
ternehmenszieleunddiepersönlichenZie-
le aufgelistet werden. Für 2019 war dort zu
Saisonbeginn zu lesen, es gehe darum „die
Herausforderung zu umarmen“, beide Ti-
tel zum sechsten Mal zu gewinnen.
Wolff erzählt gerne davon, dass es dar-
umgeht, sichund seine LeistungjedenTag
zu hinterfragen. Seit dem Start in die Ära
mit den Hybridmotoren zur Saison 2014,
die Vettel von der ersten Sekunde an su-
spekt vorkamen, haben die Silberpfeile
mit diesem Ethos 86 von 117 Rennen für
sichentschieden.Nicht einmalder2016es-
kalierte Garagenkrieg zwischen Hamilton
und Nico Rosberg hielt sie ab vom Gewinn
beiderTitel–damalslernteWolffeinewei-
tere Lektion: Anstelle von Rosberg ver-
pflichtete er den dankbaren Valtteri Bottas
alsWingman fürHamilton.DieAlternative
wäreeinambitionierterHeißspornwieLec-
lercgewesen,mitdemesnunVettelbeiFer-
rarizutunhat.„WirhabeneinenFahrerge-
sucht, an dessen Talent wir glauben, der
aber unpolitisch ist“, sagt Wolff.
Wohlwissend,dass erbereits einenpoli-
tischen Fahrer beschäftigt. „Selbst wenn
wir jedes Jahr Erfolg haben, sind wir noch
immer hungrig, noch immer ehrgeizig“,
hat Hamilton angekündigt. Privat mag er
im Ferrari sitzen. Beruflich, wenn alles so
läuft wie erwartet, hat er ein klares Ziel:
2019 wird er mit Mercedes zum sechsten
Mal Weltmeister, 2020 zum siebten Mal.
Dann ist er 35 und besitzt so viele Pokale
wie Michael Schumacher. Wechseln kann
er ja noch immer. philipp schnei der
von volk er kr eisl
Stuttgart–GroßeSporttreffenwerdenge-
bührend und feierlich beendet, sonntag-
abends, per Bilanz und Präsidenten-Rede.
Doch nicht für jedes Team ist erst dann
Schluss, für die deutschen Turner kam das
WM-Ende in Stuttgart gewissermaßen
zwei Stunden früher, als Lukas Dausers
Fersen nach hinten kippten.
Mit seinem unfreiwilligen Abgang vom
Barren war die letzte Chance vorbei, die-
sem Turnier auch eine Heimmedaille zu
verpassen, und damit ein Zeichen für eine
erfolgreiche Arbeit im deutschen Männer-
teamzu setzen. Hin- undhergegangen war
es ja unter der Woche. Erst hatte die Riege
von Bundestrainer Andreas Hirsch die
Olympischen Spiele schon fast verpasst,
dann erreichte sie doch noch den zwölften
und letzten Platz. Erleichterung befiel das
Team, doch am Endeder Woche bekam die
Aufbruchstimmung wieder einen Dämp-
fer ab.
DausersBarrenübung istdas Wertvolls-
te, was Hirschs Mannschaft gerade zu bie-
ten hat. Aber als Dauser beim schwersten
Element, einer Drehung aus der Riesenfel-
ge auf den linken Holm, aus der Achse ge-
riet und abstieg, da war klar, dass hier kein
Fest, keine Medaillenzeremonie mehr
folgt, stattdessen war der Blick plötzlich
frei aufden Weg zu den Olympischen Spie-
len 2020 in Tokio.
Dieser Weg folgt wie immer einem ge-
wissen Plan, wird nun aber auch flankiert
vonvielenFragen.AndersalsinderFrauen-
riege von Trainerin Ulla Koch ist bei den
Männern Vieles ungewiss. Zwar hat auch
KochsTeamwegenElisabeth SeitzsAbstei-
ger im Stufenbarrenfinale in Stuttgart kei-
ne Medaille gewonnen, behält aber eine
Perspektive. Seitz, Kim Bui und auch Sa-
rah Voss sind erfahrene Turnerinnen. Pau-
line Schäfer und Sophie Scheder haben
schon Gold und Bronze geholt, ihre mo-
mentanen Tiefs dürften vorübergehen.
Unddasind nochEmeliePetzundLisaZim-
mermann, deren Talent schon so weit ent-
wickelt ist, dass sie als Verstärkung für To-
kio in Frage kommen. Bei den Männern
sieht das anders aus.
Andreas Toba, Nick Klessing und Dau-
ser dürften, falls gesund, gesetzt sein,
doch die Absicherung durch jüngere Jahr-
gängeistdünn.KarimRida,der19Jahreal-
te Berliner, hat auch entscheidende Zehn-
tel zum Olympia-Startplatz beigetragen,
muss aber die Schwierigkeit seiner Übun-
gennochdeutlich verbessern.WeitereTur-
ner, die einspringen könnten, sind nicht in
Sicht.Und obdererfahrensteAthlet,der32
Jahre alte, zweimalige Olympiazweite von
London 2012 in Tokio noch mal mithelfen
kann, ist offen: Marcel Nguyens Schulter-
verletzung war schwerer als vermutet;
nicht eine, sondern drei Sehnen mussten
geflicktwerden,siebenMonatewerdenfür
dieRehabilitationveranschlagt, undschon
in neun Monaten starten die Spiele.
Wenn Nachwuchs fehlt, liegt das zu-
nächst mal nicht an der obersten Trainer-
ebene. Andreas Hirsch hatte ja schon vor
anderthalb Jahrzehnten erkannt, dass
Nguyen ein Bewegungstalent ist, und er
hat ihn genauso gefördert wie Philipp Boy
und andere Jungs. Der Erfolg einer ganzen
Dekade ist mit Hirsch verbunden, auch
weil er klarmachte, dass er der Chef ist,
konsequent war und auch glaubwürdig.
Hirsch stellte sich vors Team, dessen Zu-
sammenhalt ihm wichtig ist. Als die Fami-
lieHambüchenwegenmancherExtra-Tou-
ren des deutschen Top-Turners Fabian
Hambüchen mal Ärger mit dem Verband
hatte, fand sie in Hirsch einen guten An-
sprechpartner.
Dessen Methoden sind also einerseits
modern,andererseitsaberauchsehrtradi-
tionell. Hirsch hat feste Ansichten, und er
machtkeinen Hehl daraus,dasser dieWir-
kung von Mentaltraining nicht überschät-
zen würde: „Gut trainieren und ordentlich
miteinander reden“, das findet er im Zwei-
fel besser. „Mentaltraining“, sagte Hirsch
in Stuttgart, „ist okay, ist aber nicht der
Schlüssel, deshalb dreht sich keiner drei-
mal um die Längsachse.“ Tatsächlich gilt
Mentaltraining mittlerweile im Turnen
vielleichtnichtalsSchlüssel,aberalsweite-
re Säule für Höchstleistungen. In deut-
schen Teams haben schon viele davon pro-
fitiert, unter anderem Sarah Voss, Sophie
Scheder und Fabian Hambüchen.
Die Frage fürs kommende Jahr ist also,
ob Hirsch und die Verbandsführung es
noch mal schaffen, wie Anfang der Nuller-
Jahre Jüngere zu motivieren. Dazu müsste
siesichwohlweiteröffnenfürmoderne Ta-
lente undderen Milieus.UmLeistungen zu
forcieren, müsste sie das Vertrauen der
Heimtrainer gewinnen, sie in gewisse Plä-
ne einweihen und zum Beispiel den Auf-
bau der Übungen besprechen.
Eine Nachwuchsmisere kann aber auch
an der obersten Ebene liegen, wenn diese
denKontaktzur Basisverliert.ImMänner-
Turnen fühlt sich mancher Regionaltrai-
ner gerade übergangen, will seinen Frust
abernochnichtoffenäußern.BeidenFrau-
en im Deutschen Turner-Bund ist die Zu-
sammenarbeit zwischen Zentrale und Au-
ßenstelle längst selbstverständlich, zwi-
schendurch gab es sogar mal eine Initiati-
ve zu Wertschätzung der Heimtrainer.
Marcel Nguyen sagt, er werde alles ver-
suchen, um in neun Monaten als Mehr-
kämpferfitzusein;mitvielDisziplinkönn-
te er es schaffen. Damit hätte das deutsche
Turnen beiden OlympischenSpielen mehr
Sicherheit, die tieferliegenden Probleme
wären aber nicht gelöst.
Hannover– DerHandball-Bundestrainer
Christian Prokop baut in den letzten Län-
derspielen des Jahres 2019 auf ein neues
Torhüter-Duo. Europameister Andreas
Wolff (Kielce) und Dario Quenstedt (Kiel)
bilden das Gespann für die Partien gegen
Kroatien (23. und 26. Oktober). Der Berli-
ner Silvio Heinevetter, zuletzt als Stamm-
keeper neben Wolff gesetzt, wurde nicht
nominiert. „Die Leistungsstärke war aus-
schlaggebend“, erklärte Prokop am Mon-
taginHannover.QuenstedthabeinKielzu-
letztvielSpielzeitbekommenundseineSa-
che sehr gut gemacht. Prokop bezeichnete
den bevorstehenden Lehrgang als „wichti-
ge Etappe“ und „entscheidende Woche“
mit Blick auf die EM im Januar in Öster-
reich, Norwegen und Schweden. „In mei-
nen Augen ist dies die aktuell stärkste
Mannschaft“, sagte der DHB-Coach. sid
Sieben Monate Reha –
ob Marcel Nguyen helfen kann,
ist derzeit ungewiss
Kerber beendet Saison
Tennisspielerin ist am Bein verletzt
Eine Frage
des Glaubens
BrigidKosgeis unwirklicher Marathon-Weltrekord
Aus einer anderen Welt: Brigid Kosgei verbessert den 16 Jahre alten Weltrekord der
Britin Paula Radcliffe in Chicago um gleich 81 Sekunden. FOTO: MIKE SEGAR / REUTERS
„Nah dran an der Perfektion“
Nach dem Gewinn des sechsten Konstrukteurstitels nacheinander stellt sich die Frage: Wer stoppt die Rekordfahrt von Mercedes und Hamilton in der Formel 1?
Schlecht verbunden
Die deutsche Männer-Riege fährt zu den Olympischen Spielen, das war die positive Nachricht der WM.
Doch für diese Aufgabe fehlen dem Verband gute Nachwuchsturner, was auch an eigenen Versäumnissen liegt
Im Männer-Turnen fühlt sich
mancher Regionaltrainer
gerade übergangen
Nach der Erfahrung mit Rosberg
suchte Wolff einen unpolitischen
Fahrer und fand Valtteri Bottas
Ohne Heinevetter
Neues Torwart-Duo für Handball-Auswahl
In Zukunft, glaubt Kosgei, könne
eine Frau den Marathon sogar in
2:10 Stunden schaffen
DEFGH Nr. 238, Dienstag, 15. Oktober 2019 (^) SPORT HF2 25
Im Ferrari vorerst undenkbar: Lewis Hamilton (links, bei einer sogenannten Fah-
rerparadeineinem Oldtimer) fühlt sich wohl bei Mercedes. FOTO: ETHERINGTON / IMAGO
Am Anfang: Der 19-jährige Karim Rida ist vielseitig, muss aber noch die Schwierigkeiten seiner Übungen verbessern. FOTO: MARIJAN MURAT/ DPA