Die Zeit - 24.10.2019

(lu) #1
kann ich dafür sorgen, dass die Dächer länger halten? Welches
Material und welches Werkzeug sind dafür am besten?
Nur Junker stellte sich all diese Fragen. Deshalb ging er nach
seiner Gesellenprüfung auch erst einmal weg: nach Niebüll in
Schleswig-Holstein, nicht weit entfernt von den Nordseeinseln
Sylt und Föhr, auf denen noch heute zahlreiche Reetdächer spitz
wie die Strohhüte chinesischer Reisbauern aus der Landschaft
ragen. »In Niebüll habe ich gelernt, dass man, wenn man Dächer
ausbessert, von unten nach oben deckt, mit langem Reet. Dann
halten die Dächer länger.« Viele seiner Kollegen, sagt Junker,
machen es trotzdem immer noch andersherum: Sie bessern von
oben nach unten mit viel zu kurzem Reet aus.
1987 machte Junker seine Meisterprüfung, später übernahm er
den Betrieb, in dem er angestellt war. Als der alte Meister auf-
hörte, wollte er Junker neben dem Werkzeug und allem anderen
auch sein Haus verkaufen. Aber Junker wollte nicht. »Es war ein
Fertighaus mit Dachpfannen, da konnte ich nicht einziehen. Ein
Reetdachdecker muss doch in einem Reetdachhaus wohnen.«
Als 1989 die Mauer fiel, veränderte sich alles. Plötzlich deckten
auch Dachdecker aus Ostdeutschland und Osteuropa die nord-
deutschen Häuser. Und sie arbeiteten ganz anders, noch mal
anders als die Dachdecker in Niebüll. Manche Mecklenburger
nutzten Salzwasserreet, das im Meerwasser an der Küste Rügens
wächst. Und die polnischen Dachdecker hatten noch gelernt,
mit Roggenstroh zu decken, den dicken geschlagenen Halmen
der Roggenfelder, deutlich kürzer haltbar, dafür günstiger.
Je näher die Jahrtausendwende rückte, desto stärker veränderte
sich auch das Material. An der Elbe wurden die Schilfflächen zu
Naturschutzgebieten erklärt, deshalb konnte man das Reet nicht
mehr von dort nehmen. Es kam nun von den großen Steppen-
seen Osteuropas, vom Neusiedler See in Österreich und vom
Plattensee in Ungarn. Inzwischen hat sich das Einzugsgebiet
noch weiter vergrößert: Das Reet der norddeutschen Dächer
kommt aus Rumänien, der Türkei und China.
Vor ungefähr zehn Jahren wurden die Reetdächer in Nord-
deutschland krank. Wie bei einer Epidemie begannen sie zu
schimmeln. Dächer, die nur wenige Jahre, manchmal sogar
nur Monate vorher neu gedeckt worden waren. Mit der bloßen
Hand ließ sich das Reet in matschigen Klumpen vom Dach
schälen. Oft begann es mit einer kleinen fauligen Stelle, von der
aus sich die Zersetzung ausbreitete, innerhalb kürzester Zeit. Ein
einzelnes Bund Reet, das zu faulen begann, konnte ein ganzes
Dach zerstören. Dächer mussten komplett neu gedeckt werden.
Die Reetdachdecker-Branche war geschockt, viele Hausbesitzer
klagten gegen ihre Dachdecker.
Biotechnologen der Uni Greifswald fanden neue Pilz arten auf
den Dächern, »Killerpilz lässt Dächer verrotten«, titelte die West-
deutsche Allgemeine Zeitung. Ein Ingenieur im Alten Land startete
die Web site Reetdach-Sterben.de, auf der er – in teilweise wirren

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Patrick Diehr ist
Inhaber und
Geschäftsführer
desCaterers
Ko chfabrik und
desRestaurants
Goldschätzchen.

NACHHALTIGKEIT
IN DERGASTRONOMIE
Drei kritischeFragen anPatrick Diehr

Herr Diehr,die Kochfabrik macht in der
Gastro-BranchemitihrerNachhaltigkeits-
strategievon sich reden.RennenSieein em
Öko-Trendhinterher?
Nein,wirhabendieZeichen derZe it erkannt,
langebevor es denTrend gab.Seitdem ha-
benwirökologische und sozialeVeranwor-
tung für uns neu definiert und unserHan-
delnkonsequent daran ausgerichtet.Wir
sind stolz darauf,d amitVorr eiter zu sein.

Naja,Gastronomen, diemit Ökound Bio
we rben, gibt eswieSand am Meer ...
Mag sein. Doch fürmich heißt Nachhaltigkeit
mehr als Bio-Siegelund Glasstrohhalme als
PR-Maßnahmen. Es ist unserAnspruch, dass
sich Nachhaltigkeitwieein rote rFaden durch
alle Bereiche zieht.Au fBasis eines ganzheit-
lichenKo nzepts,mitdem wirVerantwortung
übernehmen für Mensch,Tier undUmwe lt.
Jetzt mal Butter bei dieFische–was ma-
chenSiekonkret besser als andere?
Wirsparen rigorosRessourcen.Wirset-
zenkonsequent auf regionale und saiso-
naleProdukte–mit lückenlosemWissen
überHerkunft undVerarbeitung.Wirh a-
ben sogar 22 eigene Schottische Hoch-
landrinder. Nachhaltiger geht es nicht.
MehrInfosdazu unter:
koch-fabrik.com
BBeessuucchheennSSiieeuunnssaauucchhiimm::
Restaurant Goldschätzchen
PeinerHof7,2 5497 Prisdorf
goldschaetzchen.com

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