Erläuterungen – vor »dieser heimtückischen, mikrobiologischen
Erkrankung« warnt. Die Lösung hatte er freilich auch zur Hand.
Er verkaufte teure Mittel, die gegen die Pilze wirken sollten.
Reinhold Junker hielt das damals schon für Irrsinn. Gemächlich
klettert er vom Dach und läuft die Treppen des Baugerüsts he-
runter, dann an der Fassade des Fachwerkhauses entlang. Hinter
den kleinen Fenstern bewegt sich niemand, die Besitzer des Hau-
ses wohnen in Süddeutschland und sind meist nur am Wochen-
ende hier. Auf der Einfahrt neben dem Haus steht der Pritschen-
wagen von Junkers Firma, daneben bergeweise Reetbündel. Der
Boden der Einfahrt ist voller loser Halme, die sich gelöst haben,
als hätte ein Kind ein überdimensionales Mikadospiel wütend
auf den Boden gepfeffert.
Aus einem der mit Plastikschnüren verknoteten Bündel zieht
Junker ein paar Halme heraus. Er zupft vertrocknete Blätter
ab und zeigt auf schwarze Flecken: »Auch hier sind Pilzsporen
drauf«, sagt er. Das sei aber ganz normal, schließlich sei Reet ein
Naturprodukt. »Erst wenn diese Pilzsporen die richtigen Bedin-
gungen haben, dann können sie anfangen zu wachsen« – und das
Reetdach zersetzen.
Mit den richtigen Bedingungen meint er vor allem zu viel Feuch-
tigkeit. Die kann daher kommen, dass das Dach nicht richtig
belüftet wird; dass das Haus im Schatten großer Bäume ist; oder
dass die Reethalme nicht schräg genug stehen, sodass das Regen-
wasser nicht ablaufen kann. »Am Ende geht es um grundlegende
bauphysikalische Prinzipien«, sagt Junker. Und natürlich um die
Qualität des Reets. Wer schon nasses Reet auf das Dach binde,
brauche sich nicht zuwundern, wenn nach ein paar Jahren das
ganze Dach vergammelt sei.
Als Junker seine Lehre machte, gab es nur diese grundlegenden
Regeln: Keine feuchten Halme. Mindestneigung des Dachs 45
Grad. Mindestdicke der Reetschicht 30 Zentimeter. Aber nach-
dem so viele Reetdächer weggefault waren, erarbeitete die Reet-
Branche neue Regeln für sich selbst. In Kiel entstand 2007 die
Initiative »Qualitätssicherung Reet«, die nach Kriterien suchte,
anhand derer man die Reetqualität einschätzen konnte. Und der
Hauptgeschäftsführer der Dachdeckerinnung Schleswig-Holstein
Es musste erst eine Katastrophe
geschehen, damit die
Reetdachdecker-Branche sich
ein Regelwerk schrieb
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DIE NACHT
ALLES AUSSER SCHLAF
Was passiert, wenn wir die Nacht durch-
wachen? Unsere Welt erscheint dann in
einem anderen Licht. Ob im Schimmer
des Mondes, im gleißend hellen Weiß von
Leuchtstoffröhren oder im Halbdunkel eines
Clubs: In der Nacht eröffnen sich uns Räume,
in denen an Schlaf nicht zu denken ist.
- Oktober 2019 bis 01. Juni 2020
Stiftung Historische Museen Hamburg
Museum der Arbeit, Wiesendamm 3
22305 Hamburg, www.shmh.de
HAMBURG
HAMBURGER KAMMERSPIELE
ICH BIN NICHT RAPPAPORT
Der 80-jährige Nat und der ebenfalls nicht
mehr blutjunge Schwarze Midge begegnen
sich im Central Park und setzen sich voller
Verve gegen die Gesellschaft, die sie ins Ab-
seits schieben will, zur Wehr. Sewan Latchinian
inszeniert diese Begegnung auf humorvolle
Weise zur Frage »Wie wollen wir altern?«.
24.10. bis 30.11.2019, Hamburger
Kammerspiele, Tickets und Infos unter
http://www.hamburger-kammerspiele.de
Foto: Anatol Kotte
MAX LIEBERMANN UND HANS MEID
SCHWARZ AUF WEISS
Entdecken Sie Max Liebermann von seiner
weniger bekannten Seite als Grafiker und
seinen deutlich jüngeren Zeitgenossen Hans
Meid. Die Ausstellung bietet mit insgesamt
122 Werken, darunter 5 Gemälden Liebermanns,
zahlreiche bekannte Motive und Sujets.
Bis 05. Januar 2020
Museum Behnhaus Drägerhaus Lübeck
Königstraße 9–11, 23552 Lübeck
http://www.museum-behnhaus-draegerhaus.de
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