Die Zeit - 24.10.2019

(lu) #1
Die Wände ihrer kleinen Wohnung hat sie mit Bildern
bedeckt, Petersburger Hängung. Und wenn die Dienst­
magd Vera, eine Lettin, die trotz aller Armut bei ihr lebt
und in der Küche in einem Verschlag schläft, ihr Gesicht
in der Durchreiche zum Wohnzimmer zeigt, dann sieht
das auch aus wie ein Bild.
Wie anders hatte das Leben doch begonnen! Elena Ma­
kowskaja, geboren am 14. November 1878 am Gaga rin­
ufer in St. Petersburg. Sie bewundert ihren Vater Kon­
stantin, den Hofporträtisten der Zarenfamilie, und die
Schönheit ihrer flamboyanten Mutter Julia. Sie leben
umgeben von Bediensteten, die bei jedem Handgriff
helfen. Im Haus werden Opern aufgeführt; Rimski­Kor­
sakow, Rubinstein, Mussorgski zählen zu den Gästen.
Der Vater erkennt das Talent seiner Tochter und fördert
sie; mit der kränkelnden Mutter und den Geschwistern
reist sie jahrelang durch Europa, spricht bald Franzö­
sisch, Englisch, Italienisch und Deutsch. Mit 18 wird sie
aufgenommen in die Klasse des Malerfürsten Ilja Repin,
zu einer Zeit, da im Westen Frauen zum Kunststudium
nicht zugelassen werden, um ihnen die Aktmalerei zu
ersparen; nur Modelle dürfen sie sein.
Mit dem Stipendium eines Gönners geht Elena nach
Deutenhofen bei Dachau, wo sie dem Wiener Bild­
hauer Richard Luksch begegnet. Im Mai 1900 heiraten
sie, unter Kastanien. Der Eheschließung geht ein zähes
Verhandeln voraus, in dem die beiden ein an der Freiheit
versprechen. Ihre Familien missbilligen den Bund und
geben kein Geld mehr, weshalb er 1907 eine Professur

an der Kunstgewerbeschule in Hamburg annimmt. Zwi­
schendrin kommen die drei Kinder. Das klingt, so im
Schnelldurchlauf, wie eine sehr moderne Geschichte.
Elena Luksch­Makowski überlebt zwei ihrer Söhne und
stirbt 1967 mittellos, 88 Jahre alt. Ihr Grabstein steht
heute im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Fried­
hof. Sohn Peter, der sich bei ihrer Beerdigung verzwei­
felt auf den Sarg warf, stirbt 1988. Er liegt anderswo in
Ohlsdorf. Richard Luksch liegt im Familiengrab seiner
zweiten Frau.
Freitag, 23. August 2019, 14 Uhr. Zur Enthüllung der
Re plik durch Senatorin Dorothee Stapelfeldt erscheinen
an die 80 Gäste, auch vier Enkelkinder aus den beiden
Ehen des Richard Luksch. Die Senioren freuen sich über
das neu aufgestellte Frauen schick sal. Bisschen zu weiß
vielleicht!
»Auf der Schulter der Frauenfigur hockt ein Kuckuck,
der in slawischen Volksweisen als Schicksalsvogel gilt«,
sagt Christoph Schreiber in seiner Rede. »Neuvermählte
fragen den Vogel, wie lange sie zusammenbleiben wer­
den, und zählen seine Antworten, bis er verstummt – was
nach neuesten Scheidungsstatistiken im Durchschnitt
bereits nach 14,9 Rufen der Fall sein dürfte.«
Heiterkeit auf dem Rasen. Die Gesellschaft macht ein
paar Selfies am Objekt. Dann gehen alle ins Haus des
Stadtparkvereins, um sich zu stärken. Es gibt russischen
Zupfkuchen, Wiener Sachertorte und norddeutschen
Apfelkuchen. Das Frauen schick sal fühlt sich an diesem
sonnigen Nachmittag erstaunlich leicht an.

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