Netzwerk für ein neues Denken
Weltweit schließen sich Ökonomen zusammen, um Alternativen zur reinen Marktlehre zu propagieren. Sie orientieren sich an einem verblüffenden Vorbild VON MARK SCHIERITZ
A
m 1. April 1947 lädt der Öko-
nom Friedrich August von Ha-
yek eine Gruppe einflussreicher
Intellektueller zu einem Treffen
ins Hôtel du Parc am Fuß des
Mont Pèlerin am Genfer See.
Unter den Anwesenden: der
Philosoph Karl Popper, der Nationalökonom Wal-
ter Eucken, die Wirtschaftswissenschaftler Ludwig
von Mises und Milton Friedman.
Europa liegt nach dem Ende des Zweiten Welt-
kriegs in Trümmern, und die Weichen für den Wie-
deraufbau müssen gestellt werden. Hayek, der später
mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet werden
wird, will dafür sorgen, dass sich sein Ideal einer wirt-
schaftsliberalen Gesellschaftsordnung weltweit durch-
setzt. Deshalb gründet er an diesem Apriltag die
Mont-Pèlerin-Gesellschaft, eine Vereinigung libera-
ler und libertärer Denker. Das Netzwerk gilt bis
heute als wichtiger Wegbereiter der sogenannten
angebotspolitischen Revolution der Siebziger- und
Achtzigerjahre, die mit einem Rückzug des Staates
aus der Wirtschaft einherging.
Am kommenden Donnerstag wird in Berlin
nun die Gegenrevolution ausgerufen werden.
Dann soll in Berlin das Forum New Economy an
den Start gehen, ein Netz aus nationalen und in-
ternationalen Experten, die das »marktliberale
Denken« der vergangenen Jahre für die Glaubwür-
digkeitskrise der westlichen Demokratien verant-
wortlich machen und ein »neues ökonomisches
Paradigma« etablieren wollen.
Wiederholt sich hier gerade die Geschichte mit
umgekehrtem Vorzeichen?
Die neuen Wilden nutzen die Strategien
der marktliberalen Revolution
Die Berliner Rebellen meinen es jedenfalls ernst.
Auf der Liste der Wissenschaftler, die das Projekt
unterstützen, stehen prominente Ökonomen wie
Martin Hellwig, ehemaliger Direktor am Max-
Planck-Institut zur Erforschung von Gemein-
schaftsgütern, Moritz Schularick von der Univer-
sität Bonn, Adam Posen, Präsident des Peterson
Institute for International Economics in Washing-
ton, Barry Eichengreen von der Universität von
Kalifornien. Mit dabei ist auch Jakob von Weizsä-
cker, Chefvolkswirt im Bundesfinanzministerium
und damit einer der wichtigsten Ökonomen in der
derzeitigen Bundesregierung.
Eine »Schnittstelle zwischen neuen akademi-
schen Ideen und Politik« möchte man sein, so steht
es in den Gründungsdokumenten der Initiative. Sie
wird maßgeblich finanziert von der Mercator-Stif-
tung der Duisburger Kaufmannsfamilie Schmidt,
die zu den Hauptanteilseignern der Metro Gruppe
gehört – und der Stiftung des amerikanischen
Computerpioniers William Hewlett. Die Initiative
ist eingebunden in ein weltweites Netz ähnlicher
Bewegungen. An der Harvard-Universität hat der
Wirtschaftswissenschaftler Dani Rodrik zusam-
men mit seinem Kollegen Gabriel Zucman aus
Kalifornien die Initiative Economics for Inclusive
Prosperity aus der Taufe gehoben, eine »Initiative
für eine Ökonomie des inklusiven Wohlstands«.
Sie will eine »Alternative zum Marktfundamenta-
lismus« entwickeln. In New York wurde bereits vor
zehn Jahren das Institute for New Economic Thin-
king gegründet, das neue Denkansätze in der
Volkswirtschaftslehre fördern soll. Zu den Unter-
stützern gehört neben anderen der milliarden-
schwere Investor George Soros.
Nun ist die Kritik an den Lehrsätzen des Markt-
liberalismus nicht neu. Es gibt Erstere, seit es Letz-
teren gibt. Neu ist, dass sich die Kritiker auch mit
den Bedingungen wirtschaftspolitischer Ideenpro-
duktion befassen. Sie haben daraus den Schluss
gezogen, dass es nicht ausreicht, kluge Vorträge zu
halten und dicke Bücher zu schreiben. Wer die
Welt verändern wolle, der müsse sich mit Gleich-
gesinnten zusammentun – ein »Ökosystem« auf-
bauen, wie man das heute in der Sprache der Start-
up-Szene formulieren würde.
Der Schlüssel für das Verständnis dieser Ent-
wicklung sind die Arbeiten des Wissenschaftstheo-
retikers Thomas Kuhn. Kuhn hat gezeigt, dass sich
Fortschritt in Form von Denkrevolutionen voll-
zieht. Weltanschauungen verändern sich plötzlich
grundlegend, was gestern noch für richtig gehalten
wurde, gilt nun auf einmal als falsch. Zwei briti-
sche Ökonomen – Laurie Laybourn-Langton und
Michael Jacobs – haben sich in einem neuen For-
schungspapier angesehen, wie dieser Paradigmen-
wechsel nach der Gründung der Mont-Pèlerin-
Gesellschaft funktioniert hat. Hayek musste näm-
lich ziemlich lange warten, bis sich seine Ideen
durchsetzten. In der Nachkriegszeit gab in fast
allen westlichen Volkswirtschaften der Staat den
Ton an: Die Finanzmärkte waren streng reguliert,
die Gewerkschaften hatten großen Einfluss auf
Löhne und Arbeitsbedingungen, Spitzenverdiener
mussten hohe Steuern bezahlen.
Dann beendeten die Ölkrisen der Siebzigerjahre
das Wirtschaftswunder, die Arbeitslosigkeit stieg und
die Inflation auch. In dieser Phase der Verunsiche-
rung waren auf einmal die Ansätze der Mont-Pèlerin-
Gesellschaft gefragt, die an der wirtschaftswissen-
schaftlichen Fakultät der Universität von Chicago –
wo Milton Friedman lehrte – verfeinert worden
waren. Sie schienen einen Ausweg aus einer Krise
aufzuzeigen, die sich mit den althergebrachten öko-
nomischen Ansätzen nicht eindämmen ließ. Ein
neues Paradigma war etabliert.
Daraufhin ging alles auf einmal ganz schnell.
In Großbritannien kam Margaret Thatcher an die
Macht, die die neuen Ideen gegen alle Widerstän-
de umsetzte, die Gewerkschaften zerschlug und
die Finanzmärkte entfesselte. In den USA folgte
Ronald Reagan ihrem Vorbild, in Deutschland
vollzog Gerhard Schröder – in deutlich abge-
schwächter Form – zwei Jahrzehnte später mit sei-
ner Agendapolitik die Wende.
Die Erfahrungen der Finanzkrisen haben
die neue Bewegung geprägt
Was für die marktliberalen Revolutionäre um Ha-
yek der Ölschock war, das ist für die heutigen Um-
stürzler die internationale Finanzkrise. Sie habe
vor Augen geführt, dass unzureichend regulierte
Märkte die Welt ins Chaos stürzen können, sagt
Rodrik. Er plädiert dabei aber nicht für eine simp-
le Wiederherstellung der ökonomischen Nach-
kriegsordnung. Die meisten Anhänger des neuen
Wirtschaftsdenkens wollen beispielsweise nicht
die Globalisierung zurückdrehen. Sie sind der
Meinung, dass die Öffnung der Grenzen für Wa-
ren und Dienstleistungen viel Wohlstand geschaf-
fen hat – etwa in den Ländern Asiens. Allerdings
glauben sie, dass der Welthandel stärker reguliert
werden sollte, etwa durch ökologische und soziale
Mindeststandards. Die Effizienzvorteile des freien
Marktes nutzen, ohne sich ihm auszuliefern – so
könnte man das neue Paradigma zusammenfassen.
In der wissenschaftlichen Forschung hat das
Umdenken bereits eingesetzt. Die Grenzen freier
Märkte werden heute viel offensiver thematisiert
als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Inzwischen
beschäftigten sich traditionell eher konservative
Institutionen wie der Internationale Währungs-
fonds mit Fragen des sozialen Zusammenhalts.
Aber den neuen Wilden reicht das nicht. Sie sind
davon überzeugt, dass die wirtschaftspolitische
Debatte die Erkenntnisfortschritte der vergange-
nen Jahre nicht ausreichend abbildet. Die Hoff-
nung beispielsweise, dass niedrige Steuern immer
und überall für mehr Wohlstand sorgen, sei eine
»Perversion des ökonomischen Mainstreams, kei-
ne Anwendung desselben«, sagt Rodrik.
So geht es den Ökonomierebellen letztlich
auch darum, gegen ein als solches empfundenes
Missverhältnis zwischen Theorie und Praxis anzu-
kämpfen. Dazu brauche es Leute, die die neuen
Ideen in die richtigen Kanäle einspeisen, wenn
über Parteiprogramme oder Gesetzesentwürfe ent-
schieden werde. Netzwerke, innerhalb derer sich
die Protagonisten des Wandels organisieren und
Forschungsergebnisse austauschen können.
Laybourn-Langton und Jacobs sagen: eine
»moderne Version der Mont-Pèlerin-Gesellschaft«.
Die Weltfinanzkrise erschüttert das Vertrauen
in den ungebändigten Markt
Die Ölkrisen beendeten das Wirtschaftswunder – neue
wirtschaftspolitische Antworten waren gefragt
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2008
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