Neue Zürcher Zeitung - 22.10.2019

(John Hannent) #1

24 PANORAMA Dienstag, 22. Oktober 2019


ZAHLENRÄTSEL NR. 245

SPIELREGELN«KAKURO»:Die Zahlen 1
bis 9 müssen in ein er Re ihe die Ges amt-
summe ergeben. Diese ist in den schwar-
zenKästchenlink sdavonbz w. darübervor-
gegeben. Jede Zahl darf innerhalb einer
Summe nur einmal vorkommen.

Auflösung:
ZahlenrätselNr. 244

Wenn Businessleute Lego spielen, wird es ernst

DieBeschäftigung mit den buntenBauklötzenin Seminaren folgt wissenschaftlichenTheorien


Bei Managementseminaren


spielt man neuerdings Lego –


wie kleine Kinder, aber ganz


im Ernst. Der Effekt für


beteiligteTeams kann


überraschend positiv ausfallen.


ANNETTE SCHÄR


Über schräge Kaderseminare hat man
ja schon einiges gehört und gelesen.
Manager finden sich beispielsweise
in der Natur wieder, um sich vomFel-
sen abzuseilen, Überlebenstrainings im
Wald zu absolvieren oder bei quasispiri-
tuellen Ritualenbarfussüber glühende
Kohlen zu laufen. SolcheTeambuilding-
Events sollen die Moral heben undVer-
bundenheit schaffen. Gerade auch dort,
woKonkurrenz und Leistungsdruck im
Unternehmen dazu geführt haben, dass
es mit dem Gemeinschaftsgefühl ge-
legentlich hapert.
Und jetzt heisst der neusteTr end
in diesem Segment also Lego-Spie-
len? Man nötigt die Angestellten dazu,
im vollenTerminkalender einenTag zu
blockieren, um sich dann in Business-
kleidern an einenTisch zu setzen, bunte
Bausteine aus einerTüte zu klauben und
auf GeheissTürmchen zu bauen wie
einst als Kinder?Ja– aber so lächerlich
das klingen mag, ist es dann doch nicht.
«Lego Serious Play» (LSP) nennt sich
das Ganze, in Anspielung auf eben diese
«ernsthafteVerspieltheit». Und es be-
zweckt mehr, als nur etwas heitereAuf-
lockerung bei einem Kader-Meeting. Bei
jedemLSP-Workshop geht es imGrunde
darum, dass dieTeilnehmer mit ausge-
wähltenBausteinen zu ganz bestimmten
Fragestellungen Modelle bauen. Unter
Berücksichtigung wissenschaftlicher
Theorien wurde die Methode vom Lego-
Unternehmen überJahre entwickelt und
verfeinert (siehe Zusatz).


Schneller Einstieg in Diskussion


Dass dasrelativ schnell zu brauchbaren
Resultaten führen kann, wenn man
Ideen, Strategien oderTeamprozesse
reflektieren will, bestätigt etwa Marina
Mettler von HelvetiaVersicherungen.
Si e hat kürzlichLSP ausprobiert,als
sie die Leitung einesTeams in derPer-
sonalabteilungübernommen hat. Beim
Beratungsunternehmen Dot Consul-
ting buchte sie für sich und ihre Leute
einen solchen Lego-Workshop. DieTeil-
nehmer hätten nicht gewusst, was sie er-
warte, erzählt Mettler. Und nein, ange-
sichts der Lego-Tüten und der expli-
zitenAufforderung zum Spielen habe
es eigentlichkeineWiderstände ge-
geben. Eher Befürchtungen von Ein-


zelnen, nicht auf Knopfdruck kreative
Dinge bauen zukönnen. DerWorkshop
sei aber ein Erfolg und habe demTeam
sehr viel gebracht, man habe schnell zu
sehr vertieften Diskussionen überThe-
men wieRollenverständnis,Wertschät-
zung oder Gruppendynamik gefunden,
so Mettler: «Frappierend war für mich,
dass man mit so einfachen Mitteln sol-
che Emotionen wecken kann.» Mett-
ler plant bereits weitereWorkshops im
Unternehmen.
Einer, deranschaulich erklären kann,
warum das Lego-Spielen in Unterneh-
menskreisen solche Erfolge erzielt, ist
Lukas Stadelmann. Er berät Unterneh-
men in der Innovationsentwicklung,ist
Dozentan der Universität St. Gallen im
Bereich Digital Innovation and Business
Tr ansformation und lehrt auch an der
Zürcher Hochschule derKünste Design-
Thinking. BeiLSP-GründerRobertRas-
mussenhat er sich vor zweieinhalbJah-
ren zum offiziellenFacilitator ausbilden
lassen und führt seither Seminaredurch.
Zu Beginn seinerWorkshops gibt
Stadelmann jeweils eine Einführung in
die wissenschaftlichen Grundlagen der
Methode (Konstruktivismus, Konstruk-
tionismus, Storytelling).Das helfe auch
dabei, etwaigen Skeptikern den Nutzen
der Übung zu verdeutlichen. Nach klei-

neren, einführendenAufgaben lässt er
dann seineTeilnehmer die erstenThe-
menangehen, beispielsweise müssen
sie einzeln Modelle bauen zu den «drei
grösstenKonflikten imTeam».
Doch wie lässt sich so etwas Abstrak-
tes inein Modell fassen? Die bauliche
Umsetzung sei selten eine Schwierigkeit,
entgegnet Stadelmann. «Oftkommt den
Teilnehmern während desBauens die
Idee.»Wie kunstvoll derBau ist, spiele
ausserdem keine Rolle, das Modell
müsse auch nicht selbsterklärend sein.
Wichtiger sei die Geschichte dazu,sagt
St adelmann:Jeder erzählt danach in der
Runde den Sinn,dener selber darin er-

kennt, und die Gedankengänge, die sich
in seinemBau widerspiegeln.
«DasTolle amBauen mit Lego ist,
dass es die Diskussion über schwierige
Themen erleichtert.» BeimBauen von
Teamkonflikten beispielsweise gebe es
oft einen Aha-Moment imRaum, wenn
deutlich werde, dass dieKollegen eine
genau gleiche oderkomplett andere
Wahrnehmung der Situation hätten.
«Dadurch, dass alle ihre Gedanken
in einemBau konkretisieren, kann man
danachüberdie einzelnen Modelle dis-
kutieren, sie vergleichen, beurteilen, be-
werten.Das führt die Diskussion weg
von denPersonen, man spricht ja über

die Modelle.» Es entstehe eineTr en-
nung von derPerson und ihren Gedan-
ken. Dadurch falle es leichter, zu einzel-
nen AspektenFeedback zu geben, er-
klärt Stadelmann.

Positiv besetzt


Mit den Steinenkönnen verschiedene
Situationen und strategische Möglich-
keiten durchgespielt und simuliert wer-
den. Oft werden die Einzelmodelle zu
einerFragestellung danach von allen
Teilnehmern zu einem Gesamtwerk zu-
sammengefügt, um ein gemeinsames
Verständnis zu entwickeln. Ähnlich wie
bei den von Psychologen praktizier-
tenFamilienaufstellungenkönne man
mit den Lego-Modellen ein ganzesSys-
tem schaffen. «Es ist oft ein magischer
Moment imWorkshop, wenn alle auf-
stehen, sich über denTisch beugen und
über das gemeinsameBauwerk disku-
tieren.»Dann werde das Gespräch nicht
konfrontativ wie bei herkömmlichen
Diskussionsrunden, sondern alle wür-
den sich engagieren und Möglichkeiten
ausprobieren. «Ichkonnte beobachten,
dass durch diese Methode auch wahn-
sinnig gute Sachen vonPersonen kamen,
die sonst eher ruhig sind.» Ihm sei auch
aufgefallen, dass dieTeilnehmer einan-
der gut zuhörten und sich – dank den
Modellen – später viel besser an die Bei-
träge Einzelner erinnerten.
Am Ende müssten alleTeilnehmer
ihre Modelle wieder auseinander-
nehmen, so Stadelmann. «Witzig ist, dass
fast alle noch schnell das Handy hervor-
nehmen und einFoto ihres Modells ma-
chen. Sie wollen es aufbewahren, mit
nach Hause nehmen. Obwohl es doch
nur einKonstrukt ist, an dem man vier
Minuten lang gebaut hat.»
Im Grunde würde diese Methode
auch mit anderen Materialien funktio-
nieren,etwa mit Lehm,räumt Stadel-
mann ein. Aber Lego sei positiv besetzt:
«Jederkennt Lego und verbindet damit
schöne Erinnerungen an die Kindheit.»
Auch deshalb würden sich Lego-Steine
in diesem Prozess besonders gut eignen.

Lego-Steine können ein gutesVehikel dafür sein,Konflikte in einemTeam zu thematisieren. DAN KITWOOD/GETTY

Deutsche Justizbehörden


setzen Spürhunde als Datenjäger ein


Als Folge des Missbrauchsfalls Lügde werdenVierbeiner vonDrogenauf Smartphones und USB-Sticks umgeschult


JOCHEN SIEGLE


DiePolizei im Bundesland Nordrhein-
Westfalen hat einenTeil ihrer Spürhunde
umgeschult und zuDatenschnüfflern
ausgebildet. Die Hunde sollen zur Siche-
rung von Beweisen eingesetzt werden,
indem sie versteckten Speichermedien
aufdie Spurkommen. DieTiere, die CD,
Festplatten, Speicherkarten, USB-Sticks,
Smartphones und winzige SIM-Karten
finden sollen, waren zuvor alsRausch-
giftspürhunde im Einsatz.
Insgesamt fünf ihrer Diensthunde hat
diePolizei in einem 20-tägigen Lehr-
gang fortgebildet.DieoffizielleBezeich-
nung der Spezialschnüffler lautetDaten-
speicherspürhunde.
Die Zusatzausbildung derPolizei-
hunde ist eineKonsequenz aus dem
«Fall Lügde», wie das Innenministerium
desLandes Nordrhein-Westfalen mit-


teilte. Hier habe einDatenspeicherspür-
hund angefordert werden müssen und
gute Dienste geleistet.
ImFall des massenhaften und jahre-
langen Missbrauchs von Kindernauf
einem Campingplatz in Lügdekonnten
Beweismittel mithilfe des speziell ausge-
bildeten Diensthundes Artus der sächsi-
schenJustizbehörde sichergestellt wer-
den. Der Spürhund, der sonst in Gefäng-
nissen Handys erschnüffelt, hatte unter
anderem einen USB-Stickineinem Ses-
selspalt in der zugemüllten Behausung
des Hauptbeschuldigten gefunden.

Tiere mit besonderem Riecher


Im Mai konnten auch durch einen
Datenspeicherspürhund der Justiz-
behörde desLandes Nordrhein-West-
falen mehrere Beweismittel aufgefun-
den werden.

Bei derPolizei sind diese Spezial-
hunde ein Novum. Nur derVorreiter
Sachsen hat bereits imFrühjahr mit
einem Pilotprojekt begonnen und einen
Polizeihund eingesetzt, dessen feiner
Geruchssinn auf die Suche nach Spei-
chermedien und Handys trainiert ist. In
den USA sollen rund 20 derart abge-
richtete Hunde imPolizeidienst sein, in
Grossbritannien zwei.
Gemäss Experten ist es deutlich
schwieriger, Hunde aufDatenträger ab-
zurichten als auf Drogen oder Spreng-
stoff. Nur wenigeVierbeiner sollen dazu
überhaupt in derLage sein, erschnüffelt
wird demnach ein Geruch aus Chemika-
lien undWerkstoffen.
Die nun neu ausgebildetenDaten-
träger-Hunde sind inKöln undReck-
linghausen stationiert. Bei Bedarfkön-
nen sie von dort für Einsätze bundes-
weit angefragt werden. Nach Angaben

des Ministeriums sind die mehr als 300
Diensthunde der nordrhein-westfäli-
schenPolizei als Schutzhunde sowie
Spezialisten fürRauschgift, Sprengstoff,
Personen, Brandmittel, Leichen und
Banknoten im Einsatz.

16 000Einsätze in der Schweiz


Auch in der Schweiz gelten Spezial-
hunde als Geheimwaffen derPolizei, sie
leisteten im vergangenenJahr mehr als
16000 Einsätze. In den meisten (knapp
5000 ) Fällenginges darum, nach Dro-
gen zu suchen – fündig wurden sie bei
mehr als 20 00 Einsätzen.
Dass die vierbeinigen Helfer sogar
noch mehr als schnüffelnkönnen,hat
im letztenJahr ein Diensthund in Spa-
nien gezeigt, der sich an einer Herz-
massage versuchte, als einPolizeibeam-
ter zu Übungszwecken am Boden lag.

«Serious Play» – in der Schweiz entwickelt


Die Methode «Lego Serious Play» fin-
det seit etwa fünfJahren zunehmendVer-
breitung in Unternehmen. Sie wurde aber
bereits Mitte der1990erJahre entwickelt,
als der damalige Lego-CEO, Kjeld Kirk
Kristiansen, für sein Unternehmen nach
neuen Methoden für diekreative Strate-
gieentwicklung suchte. Lego war damals
in der Krise, die Einnahmen sanken, und
dieFirma musste1998 zum ersten Mal
in der Geschichte ein Defizit verbuchen.

Der Leiter der Lego-Produktent-
wicklungRobertRasmussen begrün-
dete mit den zwei ProfessorenJohan
Roos undBartVictor vom Institute
for Management Development (IMD)
inLausanne den neuenAnsatz. Die
Methode, die über zahlreiche Schritte
entwickelt wurde und moderne Lern-
und Entwicklungstheorien berücksich-
tigt, fand Anklang. 2002 wurde sie der
Öffentlichkeitvorgestellt. Lego kreierte

spezielle Sets mit ausgewählten, zur
Methode passendenBausteinen in einer
eigenenLSP-Produktelinie. Diese lassen
si ch heute viaWebshop bestellen. Inzwi-
schenwurde die Methode aber zu einem
Open-Source-Angebot, das heisst: Lego
behält zwar die Markenrechte, seit 2010
werden aber sogenannteFacilitator in
der Methode ausgebildet und zertifi-
ziert, die dannLSP-Workshops in Eigen-
regie planen und moderieren dürfen.
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