Neue Zürcher Zeitung - 22.10.2019

(John Hannent) #1

Dienstag, 22. Oktober 2019 FINANZEN 31


WALL-STREET-NOTIZEN

Angst vor einem


trojanischen Pferd


Aufstieg von Huawei ist kein gutes
Zeichen für das Silicon Valley

KRIM DELKO, SAN FRANCISCO

Ich lieb dich, ich lieb dich nicht. So un-
gefährkönnte man dasVerhältnis der
USA zum chinesischenTechnologiekon-
zern Huawei bezeichnen.VorMonaten
hat dasWeisse Haus den Halbleiterkon-
zern auf die schwarze Liste gesetzt.Nun
sind offenbarVerhandlungen im Gang,
einenTeil des Huawei-Portfolios den-
noch dem amerikanischen Markt zu-
gänglich zu machen. Solche Nachrich-
ten, ob echt oder nur Spekulation, wer-
den in derRegel als positivamMarkt
interpretiert, zumal ein gesundesVer-
hältnis mit China auch gut ist für den
Tech-Sektor. Doch wie steht es mit Hua-
wei wirklich? Istein gutes Verhältnis zu
Huawei tatsächlich wünschenswert?
Dazu gibt es im derzeit giftigen Han-
delskriegsklimanatürlichviele Meinun-
gen.Aus Sicht der Aktionäre ist hier
laut Analytikern durchausVorsicht ge-
boten.Vielleicht sollte man sich mit der
Euphorie über einen möglichen Eintritt
von Huawei in den US-Markt etwas
zurückhalten. Eskönnte sich hier um
einen ersten Schachzug handeln, ein
trojanisches Pferd einzuschleusen,das
dem SiliconValley langfristig sehr viel
Konkurrenz machen undKopfschmer-
zen bereitenkönnte.

Führend im 5G-Bereich


Huawei hat sich laut eigenen Angaben
massiv weiterentwickelt und besitzt of-
fenbarführende Innovationen im soge-
nannten 5G-Bereich, das ist die nächste
Generation der Mobilfunktechnologie.
Gefährlich an der Situation ist aus Sicht
des US-Aussenministeriums, dass der
Konzern von der chinesischenRegie-
rung wenn nichtkontrolliert, dann doch
dirigiert werdenkann und daher als
Spionageobjekt dienenkönnte. Doch
Huawei ist laut Silicon-Valley-Stimmen
tatsächlich führend im 5G-Bereich.
Allein dieTatsache, dassein Halb-
leiterkonkurrent aus China ernstge-
nommen wird, ist bemerkenswert.Jahr-
zehntelang hat sich das SiliconValley
gegen dieKonkurrenz aus Asien be-
haupten können.Weder Japan noch
Korea konnten der Dominanz desValley
im Halbleiterdesignernsthaft entgegen-
treten.Nunkommt mit Huawei einKon-
kurrent ins Spiel, der offenbar nicht nur
ebenbürtig, sondern im 5G-Halbleiter-
segment sogar führend ist.Einheimische
Konkurrenten wie Qualcomm bestreiten
das zwar öffentlich, doch im Gespräch
mit Halbleiterexperten kommt diese
These immer wieder ins Gespräch.

Konkurrentwird bleiben


Insofern überrascht es nicht, dass die
Verbannung von Huawei in den USA
nicht überall gut aufgenommen wird.
Insbesondere die Mobilfunk-Carrier wie
Version oderAT&T wollen verständ-
licherweise nicht von den besten Inno-
vationen ausgeschlossen werden.Was
genau hinter denKulissen inWashing-
ton vor sich geht, bleibt offen, doch man
darf davon ausgehen, dass die Carrier
ein Interesse daran haben,die beste 5G-
Technologie kaufen zukönnen.
Wenn diese aus Chinakommt, dann
muss eben einWeg gefunden werden,
dies so zu gestalten, dass dadurch die
nationale Sicherheit nicht in Gefahr ge-
bracht wird.Für die Halbleiterbranche
ist derAufstieg von Huawei zum ernst-
haftenKonkurrenten ein Meilenstein.
DieseKonkurrenz wird nicht einfach
weggehen. Die Situation wird sich in
Zukunft wohl nur noch verschärfen.Bis-
her hatsich das SiliconValleyals Num-
mer eins im Halbleiterdesign behaupten
können.Das dürfte sich mit demAuf-
stieg von Huawei bald ändern.

Investieren wie die Hip-Hop-Stars

Jay-Z, Dr. Dre und andere Rapper zeichnen sich durch eines aus – durch Geduld


Vor allem dank geschickten


Investments wurdeJay-Z zum


ersten Milliardär derRap-Szene.


Auch zahlreiche weitere Hip-


Hop-Stars haben einträgliche


Portfolios aufgebaut. Ihr


Unternehmergeist taugt durchaus


als Vorbild für Privatanleger.


ALEX WEHNERT


Das biedereVorstadt-Ehepaar sorgtsich
um seine finanzielleAbsicherungund hat
sich deshalb an besondere Berater ge-
wandt: Im Konferenzraum sitzensie Pro-
duzent RZA undRapper GZA vomWu-
Tang Clan gegenüber. Die beiden Hip-
Hop-Starsraten ihren neuen Klienten
sofort zu Investitionen inWaffenherstel-
ler, schliesslich befänden sich die USA
im Krieg.Als sich GZA nach vorne lehnt
und dem Ehepaar eindringlich zuraunt,
es müsse seinPortfolio diversifizieren,er-
klingen schallendeLacher aus dem Off.


Rendite vor Rhymes


Die Szene stammt aus einer 2003 aus-
gestrahltenFolge der Comedy-Sendung
«Chappelle’s Show». Damals wirkte die
Vorstellung, Hip-Hop-Stars mit ihrem
Strassen-Imagekönntenetwas mit seriö-
ser Geldanlage zu tun haben, für viele
Zuschauer absurd. Mittlerweile haben
sich allerdings mehrere Szenegrössen
einenRufals Geschäftsmänner erarbei-
tet: Jay-Z, bürgerlich Shawn Carter,er-
langte mit Alben wie«The Blueprint»
weltweite Bekanntheit – laut dem Maga-
zin «Forbes» wurde er 2019 zum ersten
Milliardär derRap-Szene.
Sein Vermögen speist sich nicht nur
aus Plattenverkäufen, sondern vor allem
aus seinen Anteilen an verschiedenen
Unternehmen:Zu seinemPortfolio ge-
hören unter anderem die Champagner-
marke Armand de Brignac, die Strea-
ming-PlattformTidal und derFahrdienst
Uber. Zudem investiert Carter inMode-
labels undKosmetikfirmen.


Ein Doktorim Geldverdienen


Auch der Produzent Dr. Dre, mit der
Gruppe NWA in den1980er-Jahren einer
der einfluss reichstenRap-Interpreten,hat
sich als Investor einen Namen gemacht.
Allein durch denVerkauf seinerAudio-
Firma Beats Electronics an Apple ver-
diente er 2014 ungefähr 500Mio.$. Ende
August verkaufte er eine seinerVillen in
Los Angeles für über 4,5 Mio.$. Er nahm
fast das Doppeltedessen ein, was er vor
20 Jahren für das Anwesen bezahlt hatte.
Heute ist Dr. Dre laut «Forbes»
800Mio.$schwer – und löst damit Sean


«P. Diddy» Combs als Hip-Hop-Star mit
dem zweitgrösstenVermögen ab. Viele
dieser Musiker verfügen bei ihren An-
lagen über ein grossesTeam an Profi-
Beratern. Ihre Investitionen sind häufig
erfolgreich, weil die Unternehmen dar-
aufhin mitden Rappern inVerbindung
gebracht werden und dadurch neue
Werbemöglichkeiten erhalten. Dennoch:
Jay-Z, Dr. Dre undKonsorten verfügen
auch eigenständig über einen ausge-
prägten Unternehmergeist – und taugen
durchaus alsVorbilder für Privatanleger.
Einer der wichtigsten Erfolgsfakto-
ren für die Hip-Hop-Stars ist ihre Ge-
dul d. Wer dasPortfolio vonJay-Z be-
trachtet, dem fällt schnell auf,wie lange
er in Firmen investiert bleibt. Diese Lek-
tion dürfte derRapper auch von Inves-
toren-LegendeWarren Buffett gelernt
haben, mit der er sich 2010 erstmals zu
ein em Mittagessen traf.«Wenn du eine
Aktie nicht zehnJahrelang halten willst,
dann denk nicht einmal daran,sie für nur
zehn Minuten zu halten»,lautet einer der
markantesten Sprüche des Berkshire-
Hathaway-Gründers.Auch Jay-Z inves-
tiert nach eigenen Angaben häufig nicht
in trendige Unternehmen, weil sie nicht
in sein langfristigesKonzept passen.
Viele seiner Rap-Kollegen schei-
nen ebenfalls gerne in Unternehmen zu

investieren, denen sie sich verbunden
fühlen – und beweisen trotzdem einAuge
für Trends. Snoop Dogg istneben seinen
lyrischenFähigkeiten für seinen Mari-
huana-Konsum bekannt. Konsequenter-
weise gründete er dieVenture-Capital-
Firma CasaVerde, die in Unternehmen
aus der Cannabis-Branche investiert.

Cannabis,Technologie,Fashion


Damit setzt derRapper auf einen Markt,
dem Experten grossesPotenzial beschei-
nigen.Cannabis ist in 11 US-Bundesstaa-
ten legalisiert und darf in zahlreichen
weiteren als Heilmittel gebraucht wer-
den.Auch in Europa gewinnt die Droge
als medizinisches Präparat Akzeptanz.
Das spiegelt sich am Markt wider:Auch
wenn Cannabis-Aktien insgesamt zu-
letzt schwächelten,legen einzelneTi-
tel immer noch gewaltigeKursgewinne
hin. Zudemkönnten neue Produkte die
Umsätze der Produzenten bald steigern
und damit auch derenAktien ankurbeln.
CasaVerde jedenfalls musste ihren ers-
ten Fonds bereits im März 2018 für neue
Investoren schliessen – dieVenture-Ca-
pital-Firma hatte in kurzer Zeit 45 Mio.$
eingesammelt.
Snoop Dogg hat jedoch auch verstan-
den, dass er seinPortfolio nur mit Can-

nabis-Firmen nicht ausreichend diversi-
fizierenkann. Deshalb investiert er auch
in die Modebranche und inTech-Unter-
nehmen. Anfang des laufendenJahres
stieg er beim schwedischen Bezahldienst
Klarna ein,dessen Dienstleistungen auch
bei H&M in der Schweiz verfügbar sind.
Natürlich haben auchRap-Investo-
ren nicht immer das richtige Gespür. Nas,
ehemals der grösste Rivale vonJay-Z,be-
sitzt seine eigeneVenture-Capital-Firma,
ist in über100 Tech-Firmen investiert und
verdiente an den Börsengängen desFahr-
dienstesLyft und des Cloud-Speichers
Dropbox mit. Allerdings steckte er auch
Geld in dasFintech-Unternehmen Ear-
nin, das kurzfristige Kredite an Arbeit-
nehmer vergibt. Mittlerweile laufen in
11 US-Bundesstaaten undPuertoRico
Ermittlungen wegen Zinswuchers gegen
die mit 800Mio.$bewerteteFirma.
Curtis «50 Cent»Jackson gründete
einstFilmproduktionsfirmen,investierte
in den Immobilienmarkt und hielt An-
teile an verschiedenen Unternehmen.
Am Verkauf derWassermarke Glacéau
an Coca-Cola imJahr 2007 soll er bis
zu 100 Mio.$verdient haben. Dennoch
musste der Hip-Hop-Star imJuli 20 15
Insolvenz anmelden – Schuld waren
wohl sein extravaganter Lebensstil und
ein verlorener Schmerzensgeld-Prozess.

Jay-Z,der erste Milliardär der Rap-Szene,zusammen mitseinerFrau Beyoncé auf einerAufnahme von 2013. WIN MCNAMEE/AP

Ein kurzfristiger Nachteilnistet sich nachhaltigein


Die Negativzinsen sind hier, umzu bleiben –und das belastet Sparer, Anleger und Banken


Werner Grundlehner· Kaum jemand sieht
die Negativzinsen noch als kurzfristiges
Phänomen. Die Schweizerische Natio-
nalbank (SNB) hat sie 2014 als Reaktion
auf die schleppendeKonjunktur einge-
führt. Mittlerweile bereitet die SNB den
Finanzmarkt auf eine längere Zeit mit
Negativzinsen vor. In einer aktuellen
Studie legt die UBS dar, was dies für
langfristige Implikationen haben wird.
Die Vermögen der privaten Haushalte
beliefen sich 2017 auf 4500 Mrd.Fr. –
davon entfielen rund 825 Mrd. aufBar-
geld undBankeinlagen, diese wurden
bisher von Negativzinsen weitgehend
verschont.Wertschriften und Immobi-
lienbesitz sind weniger «gleichmässig»


verteilt als Spareinlagen.Während An-
leihen seit 2015 leichteVerluste ver-
zeichneten, legten Aktien und Immobi-
lien zu. Doch derAusblickist eher trüb.
Bleiben die Zinsen stabil negativ,entfal-
len bei Bonds die Kapitalgewinne durch
Aufwertung. Der Immobilienboom hat
die Leerstandsquote erhöht und dürfte
nur noch zu leicht steigenden Preisen
führen. Die Aktienbewertung liegt im
oberen Bereich,die Renditen dürften
nur noch wenig zulegen.
Gemäss der UBS bereitet das fragile
Gleichgewicht zwischen Hypotheken,
Einlegern undBanken der SNB Sorgen.
Ob das Gleichgewicht gehalten werden
kann, entscheidet die Zinsmarge. Je fla-

cher die Zinskurve ist, desto schwieriger
wirdes für dieBanken, mit derFristen-
trans formation Erträge zu erzielen. Die
Zinskurve zwischen zwei und zehnJahren
ist so flach wie seit 2001 oder 2007 nicht
mehr.Dafür ist insbesondereder Glaube
verantwortlich, dass die Leitzinsen kaum
jemals wieder deutlich steigen werden.
Ein wichtiges Element für dieBan-
ken,um die Zinsmarge zu verbessern,ist
der Hypothekenmarkt.Gemäss Money-
park halten dieBanken 94% aller Hypo-
theken, dieVersicherungen 4% und die
Pensionskassen (PK) 2%. DieseRela-
tion dürfte sich zuungunstender Banken
verschieben.Versicherungen und PK
müssen sich nicht mit Einlagenzinsen

um die 0%, sondernkönnen sich tief
im negativen Bereichrefinanzieren. Sie
sind wenigerregulatorischenVorschrif-
ten unterworfen. Deshalb erzielenVer-
sicherungen und PK im Hypogeschäft
die besseren Margen.DieBankenkönn-
ten versucht sein,die Negativzinsen ver-
mehrt anKunden weiterzugeben.Das
würde die Kritik an derPolitik der SNB
verschärfen. Diese kann aberhandeln,
ohne die Leitzinsen zu verändern. Die
UBSgeht davon aus, dass dieNatio-
nalbank dieFreigrenze auf Sichtgutha-
ben derBanken von 300 Mrd. auf 400
Mrd.Fr. anheben wird, was dieKosten
der Banken deutlichreduzieren würde
(Sichtguthaben zurzeit: 480 Mrd.Fr.).

Euro/Fr.
1,0992-0.03%

Dollar/Fr.
0,98600.10%

Gold($/oz.)
1481,50-0.45%

SMI
9991,420.26%

DAX
12747, 960.91%

DowJones
26827,640.21%
Stand 22.1

Erdöl(Brent) 2Uhr
59,06-0.40%
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