Berliner Zeitung·Nummer 243·19./20. Oktober 2019–Seite 17
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AM WOCHENENDE
FrohmitAbba:
SabineMayersingtin„MammaMia“
SchönesWochenende Seite
FlottindieKurve:
EinSelbstversuchimEisschnelllauf
Berlinbewegt sichSeite
EinHauch
Dekadenz
Nach haltigkeitliegtimTrend.Aber
manchmalüberwiegtderWillezur
Unvernunft.DasTheGrandserviertzur
FoodWeekAusternundHummer
Familienausflug
Der
tapfereTell
M
an liest seltenvonArmbrüs-
ten. So selten, dass derPlural
irgendwie seltsam aussieht. Doch
der Duden bestätigt: „Armbrüste“.
Unddas unerschöpflicheInternet
hat sogar einigeMeldungen zu die-
serarchaischenWaffezubieten.
So meldete zumBeispiel fast je-
desTechnikmagazinEnde2018,dass
dieneueVersiondesComputerspiels
„Minecraft“nebenKatzenundPan-
dasauchArmbrüstebeinhalte.Men-
schen meiner Generation denkenbeimWort„Armbrust“ in derMehr-
heitvermutlichandiewohlberühm-
teste der Literatur.WilhelmTell war
es,dermiteinemgezieltenSchussin
den Apfel nicht nur denTodseines
Sohnes durch eigeneHand ab wen-
dete,sondernmit einemweiteren
den tyrannischen Landvogt insJen-
seitsbeförderte.
ObdieserWilhelmTelltatsächlich
existierteodernurderLegendenach,
weißmannicht.DochseitSchillerein
Drama aus ihm machte,ist er in derWelt, lässt Theaterzuschauer den
AtemanhaltenundSchülerüberder
Interpretationverzweifeln.
Auch in der Armbrust-Schau im
DHMspieltdertapfereTelleine Rolle
–nebenvielenweiteren Geschichten
und natürlich echten Armbrüsten.
AmSonntagistFamilienführung.Schrecklichund schön–Geschichten über die
Armbrust.DeutschesHistorischesMuseum,
Unter den Linden 2, Mitte. So 14 Uhr, Eintritt frei,
8–12 JahreVonBarbaraWeitzelGanz sicher unter Glas: eine Armbrust im Deutschen Historischen Museum. DHMBLZ/TIEDGEMITTE50 mThe GrandTorstr.Karl-Liebknecht-Str.Weydingerstr.Hirtenst
r.
KleineAlexanderstr.Bartelstr.Linie
ntr.Rosa-Luxemburg-Str.Almstadtstr.Rosa-Luxemburg-PlatzU
mweltbewusstsein und
Genuss inEinklang zu
bringen, ist schwer.Ein
Großteilunsererpersön-
lichenCO 2 -Bilanzisternährungsbe-
dingt, das kann man nicht leugnen.
Auchwenndaszuwenigist,ichtue
haltsoviel,wieichkann.Dasbedeu-
tet, dass ich wesentlich weniger
Fleisch und möglichst unverpackte
undregionaleLebensmittelkaufe.
Manchmal wünschte ich jedoch,
ich könnte in einer anderenZeit le-
ben.ImBerlinder GoldenenZwanzi-
ger etwa, als Klimawandel,Mikro-
plastik undFeinstaub noch nicht in
unseremVokabularwaren.
Natürlich weiß
ich, dass dieMen-
schen damals ganz
andereProbleme
hatten.Ichwillauch
nur punktuell eine
Zeitreise machen,
füreinenAbendund
selbstverständlich
nicht ins bettelarme
Arbeitermilieu, son-
dernauf die Seite
derer ,die sich ge-
rade wegen der her-
aufziehenden Fins-
ternis in eine unerhörteDekadenz
flüchtenkonnten.
WomöglichhabendieMacherder
BerlinFoodWeekdiesesJahrähnlich
wie ich empfunden.Daswunder-
bareFood-Festivalkreistauchinsei-
nem sechstenJahr um die Themen
NachhaltigkeitundRegionalität.Was
das Stadtmenü angeht, haben die
MacheraberdiesmaldasMotto„The
Great Tasty“ ausgerufen–und die
rund60teilnehmendenRestaurants
haben sichvonden ausschweifen-
den Gerichten derGoldenen Zwan-
zigerinspirierenlassen.
DerKüchenchef ThiloRoth vom
TheGrandhatesbesondersernstge-
nommen.ErhatAusternRockefeller,
einenWaldorfsalatmitHummer,ein
BlanquettevonFroschschenkelnso-
wie ein Rossini-Filet mitEntenleber
und Trüffel auf seineStadtmenü-
Kartegeset zt –also eigentlich alles,
wasmansichverbietensollte.Sagen
Siejetztnichts .Genie ßenSie–wenn
Siewollen –wie ich einfach einmal
einenAbendlang,ohnenachzuden-
ken. DasThe Grand ist der perfekte
Ortdafür,diese ehemalige Armen-
schule mit ihrenrohen Backstein-
wänden, exaltierten Leuchternund
abgewetztenTeppichen,diewiedas
Filmset von„Babylon Berlin“ aus-
sieht.
DieAusternRockefeller waren in
denUSAlängstpopulär,alssieihren
Wegins hiesigeAdlon fanden.Roth
hatsie mit einer buttrigenSpinat-
Brunnenkresse-Kruste gratiniert,
wieesdamalsModewar .Obwohlichbei AusterneigentlichPuristin bin,
schmecktdasgroßartig.Dazureicht
er Schwarzbrot, das abwechselnd
mit Ei und Butter geschichtet ist.
Beim darauffolgendenWaldorfsalat
arbeitet er glücklicherweise mit
Crèmefraîchest attmit Mayonnaise,
weshalbderSalatnichtschwer,son-
dernknackig und frisch schmeckt.
DieSäurefindetihrenKontrastinka-
ramellisiertenWalnüssen, der sau-
tierte Hummer ausKanada hat fan-
tastischeRöstaromen,weilhierwohl
der sündteureSouthbend-Grill vom
TheGrandzumEinsatzkam.
Wasdie Froschschenkel angeht,
braucht man keine Angst zu haben.
Siesind ausgelöst
und schmecken als
Blanquette zuberei-
tet wie das allerzar-
teste Hühnerfrikas-
see.Besonders ge-
lungen ist dieNote
vomKerbe lund die
Präsentation in ei-
nem knusprigen
Nest aus orientali-
schem Kadayif-Fa-
denteig.Dazugibtes
etwas zu salzigeUr-
karotten, dennRoth
spartbeimStadtmenühöchstensbei
denKohlenhydraten.
Damalige Sättigungsbeilagen wie
Pommesdauphinelässterwohltuen-
derweise einfachweg, sonst würde
manheuteplatzen.Zumklassischen
Rossini-Filet,dasinParisgroßwurde,
bringt er nur delikaten grünenSpar-
gelaufdenTeller.Auchdie Madeira-
sauce,ofteine Butterschlacht,isthier
mehr einreduzierterFleisch-Wein-
Fond,dieGänseleberundderTrüffel
aufdem StückPommerschenRinder-
filet sorgen ohnehin für genugGe-
schmacksexplosionen.
Essen ist einer der stärksten
menschlichenTriebe,wesha lb sich
Wissen undGewissen hin und wie-
der mal ausschalten.Auch bei einer
Diät futtertman schließlich gele-
gentlichSchokolade.TheGrand,Hirtenstraße 4, Mitte. Täglich ab 12
Uhrgeöffnet.Das Stadtmenükostet 99 Euro.
Die BerlinFoodWeekläuftvom21. Oktober bis
zum27. Oktober.AUFGETISCHT
Tina Hüttl
warimThe Grand.