S
echs Stunden dauerte das
Treffen zwischen den bei-
den Präsidenten. Als Wladi-
mir Putin und Recep Tayyip
Erdogan schließlich am
Dienstagabend in Sotschi vor die Presse
traten, stand ihnen die Anstrengung ins
Gesicht geschrieben. Doch: Sie hatten
einen Deal für Nordsyrien.
VON CAROLINA DRÜTEN
Die Vereinbarung verlängert faktisch
die Waffenruhe um 150 Stunden, etwas
mehr als sechs Tage. So viel Zeit haben
die Kämpfer der kurdischen YPG-Miliz,
die Erdogan als Terrororganisation be-
zeichnet, um aus einem 30 Kilometer
breiten Streifen südlich der türkischen
Grenze abzuziehen. Syrische Grenz-
polizisten und die russische Militärpoli-
zei sollen den Abzug sicherstellen. So-
bald die Frist abgelaufen ist, werden
russische und türkische Einheiten ge-
meinsam bis zu zehn Kilometer tief auf
syrischem Gebiet patrouillieren. Ein
Überblick über die Gewinner und die
syrischem Gebiet patrouillieren. Ein
Überblick über die Gewinner und die
syrischem Gebiet patrouillieren. Ein
Verlierer des Deals.
1. GEWINNER: RUSSLAND
Putin ist der engste Verbündete des sy-
rischen Diktators Baschar al-Assad. Sein
oberstes Ziel war es, ein vereinigtes Sy-
rien unter die vollständige Herrschaft
Assads zu stellen – mit Russland als
Strippenzieher. Dass die Türkei Assad
nun als Herrscher Syriens akzeptiert, ist
für ihn ein entscheidender Schritt.
Syrien ist militärisch bedeutend für
Moskau. In der westsyrischen Stadt
Tartus liegt der einzige russische Mari-
nestützpunkt außerhalb der ehemali-
gen Sowjetunion. Viel wichtiger dürfte
jedoch die geopolitische Vision Mos-
kaus sein. Putins Strategie ist ein Null-
summenspiel: Er gewinnt, wenn ande-
re verlieren – in diesem Fall die USA.
Mit dem Rückzug amerikanischer
Truppen aus Syrien machte US-Präsi-
dent Donald Trump den Weg frei für
Russland als Ordnungsmacht in Nah-
ost. Moskau hat dort momentan so viel
Einfluss wie seit über 40 Jahren nicht
mehr. Und Putin zögerte keine Sekun-
de, das von den USA hinterlassene Va-
kuum zu füllen.
2. GEWINNER: SYRISCHES REGIME
Als die Proteste in Syrien 2011 began-
nen, sah es so aus, als würde Assad den
Aufstand nicht überleben. Acht Jahre
später sitzt der syrische Diktator wieder
fest im Sattel. Seine Kontrolle erstreck-
te sich bis vor Kurzem über fast das ge-
samte Land – außer den Norden. Denn
dort hatten die Kurden ein de facto au-
tonomes Gebiet kontrolliert. Doch
dann griff die türkische Armee in der
Region an. Für Assad erwies sich die In-
vasion als Geschenk: Er musste weder
mit den Amerikanern verhandeln noch
Zugeständnisse an die Kurden machen.
Kaum dass die kurdischen Kämpfer an-
gesichts des türkischen Angriffs unter
Druck gerieten, wandten sie sich von
ganz allein an das syrische Regime, um
Hilfe zu erbitten. Assad folgte der Auf-
forderung nur zu gern. Erdogans Mili-
täroffensive trieb ihm die einstigen
Feinde geradezu in die Arme. Damit ist
er so mächtig wie vielleicht seit Beginn
des Bürgerkriegs nicht mehr – trotz sei-
ner Kriegsverbrechen. Die dürften vor-
erst ungesühnt bleiben.
3. GEWINNER: DER IRAN
Der Iran spielte in den vergangenen Ta-
gen eine eher passive Rolle, doch er
kann mit dem Ergebnis der russisch-
türkischen Verhandlungen zufrieden
sein. Teheran stützt wie Moskau das As-
sad-Regime.Wie die Russen wollen auch
die Iraner vom Wiederaufbau Syriens
profitieren – und hoffen auf einträgli-
che Infrastrukturprojekte in den Sekto-
ren Energie, Verkehr und Immobilien.
Die Kosten für den Wiederaufbau wer-
den derzeit auf mindestens 250 Milliar-
den US-Dollargeschätzt. Und: Teheran
will die sogenannte „Achse des Wider-
stands“ stärken. So nennt sich die anti-
amerikanische, antiisraelische Allianz
zwischen dem Iran, Syrien und der liba-
nesischen Hisbollah-Gruppe. Syrien ist
Irans Tor zum Mittelmeer und nach Is-
rael – und deshalb geostrategisch zen-
tral für Teherans Strategie.
4. GEWINNER : ERDOGAN
(MIT EINSCHRÄNKUNGEN)
Russland erkennt die „legitimen Sicher-
heitsinteressen“ der Türkei in Nordsy-
rien an, ein Zugeständnis an Ankara.
Auch den Abzug der YPG kann Erdogan
innenpolitisch als Gewinn verkaufen,
war es doch Ziel der Militäroffensive,
den angeblichen „Terrorkorridor“ in
Nordsyrien zu zerstören. Doch die Si-
cherheitszone, die der türkische Präsi-
dent im Sinn hatte, wird es nicht im ur-
sprünglich geforderten Ausmaß geben.
440 Kilometer lang, zwischen dem Eu-
phrat und der irakischen Grenze, und
30 Kilometer breit sollte sie werden –
unter türkischer Kontrolle, versteht
sich. Doch nun fällt die Kontrolle dieser
Region nicht Erdogan zu, sondern größ-
tenteils Putin und Assad. Mit der Si-
cherheitszone wollte Ankara auch ein
innenpolitisches Problem lösen. Denn
die Stimmung der türkischen Bevölke-
rung wendet sich mehr und mehr gegen
die etwa dreieinhalb Millionen syri-
schen Flüchtlinge, die die Türkei aufge-
nommen hat. Erdogan wollte die
Flüchtlinge in der Sicherheitszone an-
siedeln und so verhindern, dass sich der
Unmut der Wählerschaft letztlich gegen
ihn wendet. Zwar sieht das Sotschi-Ab-
kommen die Rückkehr syrischer Flücht-
linge vor, aber wohl in geringerem Um-
fang, als Erdogan sich erhofft hatte.
5. GEWINNER: DIE TERRORMILIZ IS
In Nordsyrien sitzen etwa 90.000 An-
hänger der Terrormiliz Islamischer
Staat (IS) in Lagern und Gefängnissen.
Die Demokratischen Kräfte Syriens
(SDF), die von der YPG angeführt wer-
den, bewachten sie. Im Kampf gegen
den IS waren sie die wichtigsten Ver-
bündeten der USA. Doch als die ameri-
kanischen Truppen abzogen und die
türkische Armee angriff, verringerten
sie das Personal für die Bewachung ih-
rer Gefangenen, da es im Kampf gegen
den türkischen Angriff gebraucht wur-
de. Das Ergebnis: 780 IS-Anhänger
konnten aus einem Lager in Ain Issa
entkommen. Unter den Flüchtigen sind
auch europäische IS-Kämpfer. Amerika-
nische und EU-Politiker befürchten, die
türkische Offensive hat dem IS gehol-
fen, wieder zu erstarken. In dem Ab-
kommen, das Putin und Erdogan
schlossen, ist die Terrormiliz – oder die
Bewachung der Gefängnisse – übrigens
mit keinem Wort erwähnt.
1. VERLIERER: DIE KURDEN
Das Sotschi-Abkommen bestätigt das
alte Sprichwort: „Die Kurden haben nur
einen Freund, die Berge.“ Zwar sind die
kurdischen Kämpfer vorerst von der
türkischen Armee verschont geblieben.
Allerdings hat der türkische Außenmi-
nister Mevlüt Cavusoglu gedroht, man
werde syrisch-kurdische Kämpfer „neu-
tralisieren“, sollten sie sich nicht zu-
rückziehen. Ihren Traum von Autono-
miemüssen sie vollends aufgeben. Von
den USA im Stich gelassen, können die
kurdischen Kämpfer auch nicht auf
Russland zählen. Der Kreml hat sie be-
reits gemahnt, sich an das Abkommen
zu halten – sonst würden die verbliebe-
nen Einheiten „von der türkischen Ar-
mee niedergewalzt“. Ihr Schicksal liegt
nun in den Händen Putins, Assads und
Erdogans – und die Kurden trauen kei-
nem von ihnen.
2. VERLIERER: DIE USA
Mit ihrem hastig angekündigten Rück-
zug machten die USA den Weg in Syrien
frei für Russland und das syrische Re-
gime – eine Ordnung, von der der IS
und der Iran profitieren. Das läuft ame-
rikanischem Interesse zuwider, denn
das erklärte Ziel Trumps war es ja, den
Einfluss des Iran zu beschneiden. Zwar
haben die Amerikaner in der vergange-
nen Woche in einer Einigung mit Erdo-
gan eine Waffenruhe in Nordsyrien er-
stritten, aber am Dienstagabend, weni-
ge Stunden vor Ablauf der Feuerpause,
hat Putin demonstriert, wer der Ent-
scheider in der Region ist. Derweil
fürchtet Israel, das sich in der Vergan-
genheit stets auf den Bündnispartner
USA verlassen konnte, nun wachsenden
iranischen Einfluss. Trumps Entschei-
dung, sich aus Syrien zurückzuziehen,
signalisiert nicht nur amerikanische
Schwäche – sie beschädigt auch das An-
sehen der USA als verlässlicher Partner,
sei es für die Kurden oder Israel.
3. VERLIERER: DIE EU
Die EU scheint den Ehrgeiz schon lan-
ge aufgegeben zu haben, Einfluss auf
die neue Ordnung im Nahen Osten zu
nehmen. Zwar signalisierte Annegret
Kramp-Karrenbauer mit ihrem Vor-
schlag einer Schutzzone unter europäi-
scher Beteiligung in Nordsyrien Bereit-
schaft, außen- und sicherheitspolitisch
VVVerantwortung zu übernehmen. Aucherantwortung zu übernehmen. Auch
Nato-Generalsekretär Jens Stolten-
berg begrüßte den Vorstoß der Bundes-
verteidigungsministerin. Doch wäh-
rend die Europäer noch über den Vor-
schlag debattieren (Frankreich etwa
zeigt sich skeptisch), haben Putin, As-
sad und Erdogan vor Ort Fakten ge-
schaffen. Besonders realistisch ist der
Plan Kramp-Karrenbauers nun nicht
mehr. In Zeiten amerikanischer Zu-
rückhaltung hätte die EU eine stärker
gestaltende Rolle übernehmen können.
Dafür ist es nun zu spät.
Gewinner und
Verlierer des
Sotschi-Deals
Nach ihrem Treffen präsentieren Putin
und Erdogan ihren Plan einer
Nachkriegsordnung in Nordsyrien.
Assad bekommt die Kontrolle, Russland
triumphiert, und der Iran ist stiller
Profiteur. Auf der Verlierer-Seite stehen
die Kurden und die USA. Eine Übersicht
Gemeinsame Interessen: Wladimir Putin (r.) und Recep Tayyip Erdogan
GETTY IMAGES/MIKHAIL SVETLOV
SYRIEN IRAK
TÜRKEI
Tal
Abjad
Kobane
Euphrat
Ras
al-Ain
Rakka
Ain Issa
al-Kathaniaya
Kamischli
Hasaka
SDF unter Führung der
Kurden, zunächst unter-
stützt durch US-Truppen
Gebiet gemeinsamer
syrisch-türkischer
Patrouillen an der Grenze
Gebiet, aus dem sich die
SDF zurückziehen soll*
Von der Türkei unterstützte
Anti-Assad-Milizen
Syrische Regierung,
unterstützt durch
Russland und den Iran
Türkischer Vorstoß
* inkl. Manbisch und Tal Rifat
Russland und Türkei einigen sich auf Rückzugszonen
Quelle: ISW, Dpa
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24.10.1924.10.1924.10.19/1/1/1/1/Pol3/Pol3 PPLATE 5% 25% 50% 75% 95%
6 POLITIK *DIE WELT DONNERSTAG,24.OKTOBER
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umindest öffentlich straft die
SPD die Verteidigungsministerin
vor allem mit Nichtbeachtung.
Am Montag hat Annegret Kramp-Kar-
renbauer (CDU) vorgeschlagen, eine in-
ternationale Sicherheitszone in Nordsy-
rien einzurichten. Ziel ist die Befriedung
der Region, die Bekämpfung des IS, die
Eindämmung von Flüchtlingsbewegun-
gen, die Eindämmung auch von Macht-
ansprüchen Russlands und der Türkei,
die sich in der Region breitzumachen
versuchen. Ein gewagter Vorstoß, der
nach Antworten verlangt – auch vom Ko-
alitionspartner. In der wöchentlichen
Presseunterrichtung der SPD-Bundes-
tagsfraktion am Mittwoch aber rangiert
das Thema unter „ferner liefen“.
VON RICARDA BREYTON
Erst präsentiert Carsten Schneider,
Erster Parlamentarischer Geschäftsfüh-
rer der Fraktion, die Fortschritte der
SPD beim „Paketbotenschutzgesetz“.
Dann geht es um die Ausbildungsvergü-
tung, die die SPD modernisieren will,
und schließlich um die Abschaffung des
Solis. Unter dem vierten Tagesord-
nungspunkt kommt Schneider schließ-
lich auf den Vorschlag von Kramp-Kar-
renbauer zu sprechen, den er als Idee
der „CDU-Vorsitzenden und Verteidi-
gggungsministerin“ bezeichnet. Der Ver-ungsministerin“ bezeichnet. Der Ver-
weis auf die Funktion von Kramp-Kar-
renbauer als CDU-Chefin scheint wich-
tig. Er betont die Distanz zur SPD.
Der Vorschlag sei „eine Luftnummer“
und nicht durchdacht gewesen, sondern
habe „einzig und allein“ auf die öffentli-
che Wirkung in Deutschland abgezielt,
sagt Schneider. Am Dienstagabend hät-
ten Russland und die Türkei ja bereits ei-
nen eigenen Plan für Nordsyrien verhan-
delt, der die Vorschläge aus Deutschland
nicht berücksichtigt: „Die Idee von An-
negret Kramp-Karrenbauer hat nicht
mal 24 Stunden gehalten“, sagt Schnei-
der. „Putin und Erdogan haben das Pro-
blem gelöst.“
Schneider schiebt noch nach, dass
diese Lösung zwar nicht unbedingt gut
sein müsse. Dennoch klingt er erleich-
tert, dass sich die Fraktion vorerst
nicht weiter mit dem Vorschlag aus
dem Haus der Verteidigungsministerin
befassen muss. In der SPD ist man em-
pört, dass Kramp-Karrenbauer einen
VVVorschlag gemacht hat, der mit dem so-orschlag gemacht hat, der mit dem so-
zialdemokratischen Außenminister
Heiko Maas nicht abgestimmt war. Die
Frage nach Auslandseinsätzen der Bun-
deswehr ist in der Fraktion zudem ein
delikates Thema. Ausgerechnet an die-
sem Donnerstag steht im Bundestag die
VVVerlängerung eines Mandats in Jorda-erlängerung eines Mandats in Jorda-
nien an, das in der Fraktion heftig um-
stritten war.
Es geht um Tornados der Luftwaffe,
die derzeit im Rahmen einer interna-
tionalen Anti-IS-Koalition über Syrien
im Einsatz sind. Sie schießen aus der
Luft Aufklärungsbilder, die den verbün-
deten Partnern helfen sollen, Stellun-
gen von IS-Anhängern zu finden. Ei-
gentlich hatte die vorherige Verteidi-
gungsministerin Ursula von der Leyen
(CDU) versprochen, andere Nationen
zu finden, die diesen Einsatz von der
Bundeswehr übernehmen. Doch das ge-
lang ihr nicht, was wiederum die SPD-
Fraktion verärgerte. Nur mit Mühe
rang man sich zu einem Kompromiss
durch, der eine Befristung des Mandats
noch bis zum 31. März vorsieht. Nun
über eine mögliche Ausweitung des
Bundeswehreinsatzes in der Region zu
sprechen erscheint einigen in der Frak-
tion geradezu abenteuerlich.
„40.000 Soldaten – davon ein Groß-
teil aus Deutschland – in Syrien zu sta-
tionieren“, halte er logistisch und tech-
nisch „für nicht möglich“, sagt Schnei-
der. Deutschlands Rolle bei der interna-
tionalen Konfliktlösung liege zudem
eher im ökonomischen denn im militä-
rischen Bereich. Außen- und Verteidi-
gungsexperten der SPD-Fraktion ver-
weisen auf die vielen noch offenen Fra-
gen im Plan von Kramp-Karrenbauer.
„„„Viele Aspekte sind nicht zu Ende ge-Viele Aspekte sind nicht zu Ende ge-
dacht“, sagt der außenpolitische Spre-
cher Nils Schmid. „Warum sollte zum
Beispiel Russland westliche Truppen in
Syrien tolerieren, wo sich doch die
Amerikaner gerade zurückziehen?“ Es
brauche nun eine Verstetigung der Waf-
fffenruhe, die Wiederaufnahme der Luft-enruhe, die Wiederaufnahme der Luft-
raumüberwachung durch die USA und
die Garantie, dass Hilfsorganisationen
Zugang zu den betroffenen Regionen
erhalten. Die SPD-Verteidigungsexper-
tin Siemtje Möller sagt, dass sich die
Frage eines Bundeswehreinsatzes in
Nordsyrien derzeit nicht stelle. Der
VVVorschlag Kramp-Karrenbauers habeorschlag Kramp-Karrenbauers habe
„unglaublich viele Fragen“ ausgelöst,
die erst einmal geklärt werden müss-
ten. „Welche Partner sollen sich an ei-
ner solchen Schutzzone beteiligen?
Stehen die Mitglieder des Sicherheits-
rats der Vereinten Nationen der Idee
einer Schutzzone zumindest nicht ab-
lehnend gegenüber? Wie soll das deut-
sche Engagement aussehen?“
In der Tat hat Kramp-Karrenbauer
bislang kein konkretes Konzept vorge-
legt. Im Verteidigungsausschuss erläu-
terte sie am Mittwoch nach Teilneh-
merangaben, dass es für eine Sicher-
heitszone ein robustes Mandat der Ver-
einten Nationen geben müsse. Bei einer
Aufteilung der Schutzzone nach dem
Vorbild des Afghanistan-Einsatzes
könnten verschiedene Länder die
Hauptverantwortung für je eine Zone
übernehmen. Es sei zu früh zu sagen,
was dies für die Bundeswehr bedeuten
könne. Auch habe sie weder Details zur
Größe der Schutzzone noch zu einer
möglichen Aufteilung genannt.
AAAllerdings macht auch die SPD bislangllerdings macht auch die SPD bislang
keinen substanziellen Vorschlag zur Be-
fffriedung der Region. Es gibt einige in derriedung der Region. Es gibt einige in der
Fraktion, die militärische Einsätze rund-
heraus ablehnen, aus Sorge, damit eher
zur Anheizung eines Konflikts beizutra-
gen als zu dessen Beilegung. Andere fin-
den die Einrichtung einer Sicherheitszo-
ne hingegen grundsätzlich richtig – und
kritisieren eher die Art und Weise, wie
Kramp-Karrenbauer die Idee vortrug, als
den Inhalt selbst.
Der verantwortliche Außenminister
Maas gab sich am Mittwoch konziliant.
Noch am Dienstag hatte er sich darüber
empört, dass er von seiner Kabinettskol-
legin nur per SMS über ihren Vorschlag
informiert worden war. Im Interview
mit n-tv sagte er am Mittwochmorgen,
dass die wichtige Frage „von Krieg und
Frieden“ nicht im parteipolitischen
Kleinklein untergehen solle. Die Idee der
VVVerteidigungsministerin will er sich zu-erteidigungsministerin will er sich zu-
mindest anschauen.
„Putin und Erdogan haben das Problem gelöst“
In der Fraktionsspitze der SPD hält man die Idee einer Sicherheitszone in Nordsyrien für eine „Luftnummer“. Alternative Pläne aber fehlen
N
ach der russisch-türkischen Ei-
nigung über eine gemeinsame
Kontrolle von Grenzgebieten in
Nordsyrien hat Moskau die Kurdenmi-
liz YPG massiv unter Druck gesetzt.
Sollte die Miliz mit ihren Waffen nicht
aus den Gebieten abziehen, würden „die
verbleibenden kurdischen Formationen
... von der türkischen Armee in der Tat
zermalmt“, sagte Kremlsprecher Dmitri
Peskow der Agentur Tass zufolge.
VON ALFRED HACKENSBERGER
Gleichzeitig sind Einheiten der russi-
schen Militärpolizei Richtung Nordost-
syrien vorgerückt. Das teilte das Vertei-
digungsministerium in Moskau am
Mittwoch mit. Syrische Militärkreise
berichteten, russische Militärpolizisten
seien mit vier Fahrzeugen in die Grenz-
stadt Kobani eingerückt. Die kurdische
Miliz YPG hatte die Terrormiliz Islami-
scher Staat (IS) im Frühjahr 2015 aus
Kobani vertrieben. In der vergangenen
Woche hatten die bislang mit den Kur-
den verbündeten US-Truppen ihren
dortigen Stützpunkt verlassen.
Am Dienstagabend hatten sich der
türkische Präsident Recep Tayyip Erdo-
gan und Kremlchef Wladimir Putin in
Sotschi auf einen weiteren Abzug der
YPG aus dem türkisch-syrischen Grenz-
gebiet geeinigt. In dem Abkommen wur-
de eine 150-Stunden-Frist vereinbart,
die auf eine neue Waffenruhe im Grenz-
gebiet hinausläuft. Am Dienstagabend
war eine erste, von den USA ausgehan-
delte Feuerpause abgelaufen.
Die Einigung mit Russland sieht vor,
dass ab Mittwochmittag russische Mili-
tärpolizei und syrische Grenzeinheiten
den Abzug der YPG kontrollieren.
Nach dem Abzug sollen gemeinsame
Patrouillen mit der Türkei beginnen.
Der türkische Außenminister Mevlüt
Cavusoglu sagte im Gespräch mit der
staatlichen Nachrichtenagentur Ana-
dolu, diese seien wichtig, um zu verhin-
dern, dass YPG-Kämpfer über die
Grenze in die Türkei gelangten und um
deren Infrastruktur zu zerstören. Für
die Patrouillen gebe es keine zeitliche
Limitierung.
Wie viele YPG-Kämpfer in den sechs
für den Abzug vorgesehenen Tagen den
Grenzstreifen mit der Türkei verlassen
sollen – und wohin sie gehen sollen –,
ist unklar. Auch das Ausmaß des genau-
en Abzugsgebiets wird in der Vereinba-
rung zwischen Putin und Erdogan nicht
eindeutig beschrieben.
Die Führung der Selbstverwaltung
und des Militärs Nordsyrien steckt der-
weil in einem Dilemma. Wenn sie den
Bedingungen des russisch-türkischen
Deals zustimmen und das Grenzgebiet
verlassen, besiegeln sie ihren eigenen
Untergang. Denn Putin und Erdogan
haben das Adana-Abkommen von 1998
reaktiviert. Demnach werden die syri-
sche YPG und die türkische PKK als
Terrorgruppen eingestuft – und sämtli-
che Aktivitäten verboten.
Ohne zusätzliche Vereinbarungen
wäre das das Ende einer von Kurden an-
geführten Autonomie in Nordsyrien.
Als Alternative bliebe nur die Wieder-
aufnahme des Kampfs.
Viele Menschen vor Ort sind ratlos,
etwa Tamiran Muaish, der mit seiner
Familie in sein Haus in die syrische
Grenzstadt al-Darbasija zurückgekom-
men ist. Vor zehn Tagen ist er vor dem
Beschuss der türkischen Armee geflo-
hen. Nun lädt er wieder Teppiche, Stüh-
le und Waschmaschine vom Laster und
bringt sie ins Haus.
„Wir wissen letztlich nicht, was ge-
schehen wird“, sagt der 35-Jährige frus-
triert. „Wir wissen nur, dass das Regime
uns beschützt.“ Die ganze Krise sei
noch lange nicht vorbei, glaubt er. Seine
Frau schimpft dann: „Was wollen diese
Europäer hier? Die jammern, wenn eine
Maus getötet wird. Aber wenn wir hier
verrecken, kümmert das niemanden.“
Andere Familien, die zurückkehren,
sind nicht so aufgebracht, aber ebenso
ratlos, was die Zukunft angeht. „Jetzt
sind wir erst einmal in Sicherheit“, sagt
Mahmoud Ahmed. „Wer weiß, ob es
wieder Krieg oder nicht gibt.“ Er hoffe
zwar auf Frieden, glaube aber kaum da-
ran. Dann zeigt er auf die kaputten
Fenster seines einstöckigen Hauses.
„Die sind bei einem türkischen Angriff
kaputt gegangen.“ Das Nachbarhaus
habe es noch viel schwerer getroffen,
sagt er dann. Vom Adana-Abkommen
hat Ahmed noch nie gehört. „Mit den
Details des Abkommens zwischen Pu-
tin und Erdogan kenne ich mich nicht
aus“, sagt er. mit dpa
RRRussland drohtussland droht
syrischer
KKKurdenmilizurdenmiliz
YPG soll Grenzgebiet binnen
1 50 Stunden räumen
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