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DIE WELT DONNERSTAG,24.OKTOBER2019 SEITE 9 *
WIRTSCHAFT
S
o zügig und geräuschlos
geht es selten zu, wenn die
Spitzen von CDU/CSU und
SPD sich auf einen gemein-
samen Kandidaten verstän-
digen müssen. Doch im Fall von Isabel
Schnabel hat sich die große Koalition
geradezu in Rekordzeit geeinigt. Die
Bonner Wirtschaftsweise soll künftig in
der Nachfolge von Sabine Lautenschlä-
ger in das Direktorium der Europäi-
schen Zentralbank (EZB) einziehen.
VON ANJA ETTEL
Eine bessere Wahl hätte Berlin kaum
treffen können, zumal unter den gege-
benen Umständen. Die frühere Bundes-
bank-Vizepräsidentin Lautenschläger
hatte vor vier Wochen überraschend ih-
ren Rücktritt vom EZB-Posten zum 1.
November verkündet.
Die Entscheidung hat die Bundesre-
gierung kalt erwischt, zumal damit be-
reits zum dritten Mal ein deutsches Di-
rektoriumsmitglied vorzeitig den wich-
tigen Posten räumt. Da Lautenschläger
derzeit die einzige Frau im Direktorium
ist, war schnell klar, dass Deutschland
erneut eine Kandidatin entsenden wür-
de.
Die EZB wird seit Langem dafür kriti-
siert, einen zu geringen Frauenanteil zu
haben – da wollte, so wird es kolpor-
tiert, Bundesfinanzminister Olaf Scholz
(SPD) keinesfalls derjenige sein, der
diese Quote weiter in den Keller treibt.
Doch man täte Isabel Schnabel un-
recht, wenn man ihre Entsendung in
das Direktorium der EZB allein auf sol-
che Überlegungen reduzierte. Die Bon-
ner Wirtschaftsweise bringt nicht nur
enorme fachliche Kompetenz mit, sie
ist auch meinungsstark, kommunikativ
und vor allem eine überzeugte Europäe-
rin. Genau diese Mischung wird in der
EZB gerade jetzt gebraucht.
Die Notenbank hat sich in den ver-
gangenen acht Jahren unter der Präsi-
dentschaft Mario Draghis stark gewan-
delt, von einer streng mandatsorientier-
ten Zentralbank in der Tradition der
Bundesbank hin zu einer stärker angel-
sächsisch geprägten Institution mit ex-
trem weitem Aufgabenfeld.
Die EZB ist heute Währungshüterin,
Krisenretterin und Bankenaufseherin
zugleich, doch die einst aus gutem
Grund scharf gezogenen Grenzen zwi-
schen Geld- und Fiskalpolitik sind
durch die anhaltende geldpolitische
Schützenhilfe – allen voran die nun wie-
der neu aufgelegten Daueranleihekäufe
- mindestens verwischt.
Dieser Kurs ist nicht nur im beson-
ders draghikritischen Deutschland hoch
umstritten. Auch intern ist die EZB ge-
spalten. Durch den entscheidenden
EZB-Rat zieht sich mittlerweile ein tie-
fer Riss. Dem Gremium gehören derzeit
25 Notenbanker an: 19 Zentralbankchefs
aus den jeweiligen Euro-Ländern – für
Deutschland sitzt Bundesbank-Präsi-
dent Jens Weidmann in dem Gremium –
sowie die sechs EZB-Direktoren, die da-
für zuständig sind, die Beschlüsse des
Rates umzusetzen und die Notenbank
zu steuern.
Isabel Schnabel wird also künftig eine
gewichtige Stimme sein, und das nicht
nur qua Amt, sondern vor allem qua Ex-
pertise. Die 48-Jährige ist als Mitglied
der Fünf Wirtschaftsweisen, die die
Bundesregierung in wirtschaftspoliti-
schen Fragen beraten, eine der promi-
nentesten deutschen Ökonominnen.
Und sie ist es aus ihrer Zeit im debat-
tenfreudigen Sachverständigenrat, dem
sie seit 2014 angehört, gewohnt, ihre
Meinung zu verschiedensten ökonomi-
schen Fragen prononciert zu vertreten
und der Öffentlichkeit zu erklären.
Anders als ihre Vorgängerin Lauten-
schläger und anders auch als die künfti-
ge Draghi-Nachfolgerin Christine La-
garde, die beide Juristinnen sind, ist
Schnabel Ökonomin durch und durch
und gilt als ausgewiesene Expertin ins-
besondere in Fragen der Finanzmarkt-
aufsicht und Bankenregulierung. Das
dürfte ihrer Stimme bei Debatten im
Rat zusätzliches Gewicht verleihen.
Das Studium an der renommierten
volkswirtschaftlichen Fakultät Mann-
heim, mit Stationen in Paris und Berke-
ley, schloss sie als Jahrgangsbeste ab.
Nach der Promotion forschte sie als
Wissenschaftlerin am Lehrstuhl von
Martin Hellwig in Bonn sowie in Har-
vard, bevor sie 2007 ihre erste Profes-
sur in Mainz antrat. Seit 2014 leitet
Schnabel den Lehrstuhl für Finanz-
marktökonomie in Bonn, ein Schwer-
punkt ihrer zahlreichen Arbeiten sind
Finanzmarkt- und Bankenkrisen.
Ihre eigene Berufung kommentierte
sie am Mittwoch entsprechend auch
prompt auf Twitter: „Ich fühle mich ge-
ehrt, von der deutschen Bundesregie-
rung als Exekutivdirektorin der EZB no-
miniert worden zu sein“, schrieb sie
dort. „Wird meine Ernennung durch die
europäischen Gremien bestätigt, werde
ich mein Bestes geben, um die in mich
gesetzten hohen Erwartungen zu erfül-
len.“
Tatsächlich könnte es Schnabel gelin-
gen, eine stärker vermittelnde Rolle
einzunehmen, als das bei ihren Vorgän-
gern der Fall war. Denn die Ökonomin
hat die Notenbank in den vergangenen
Jahren zwar durchaus für einzelne Ent-
scheidungen kritisiert und vor allem die
Asymmetrie in der Argumentation
Draghis klar bemängelt, sie zählt aber
nicht zum Lager der zahlreichen ordoli-
beralen Grundsatzkritikerin Deutsch-
land. Der EZB eine Verletzung ihres
Mandats vorzuwerfen, „das halte ich für
überzogen“, sagte sie bereits vor zwei
Jahren im Gespräch mit WELT AM
SONNTAG.
Und auch kürzlich zeigte sie sich auf
Twitter „bekümmert“ darüber, dass die
liberale Vizepräsidentin des Europapar-
laments, Nicola Beer (FDP), von einer
Enteignung der Sparer durch die EZB
gesprochen hatte und ein Ende der allzu
freigiebigen Geldpolitik anmahnte. Es
gelte, die Unabhängigkeit der EZB zu
respektieren und keine Erwartungen an
sie zu richten, twitterte Schnabel.
Kritiker der Berufung Schnabels er-
füllen genau solche Sätze mit Sorge. Sie
bemängeln, die Regierung habe die Ge-
legenheit verpasst, jemanden zu ernen-
nen, der entschieden für eine geldpoliti-
sche Wende innerhalb der EZB kämpft.
Mit dieser Nominierung füge sich die
Bundesregierung „den bisherigen Mehr-
heiten innerhalb der EZB“, kritisierte
etwa der finanzpolitische Sprecher der
FDP-Fraktion, Florian Toncar.
Tatsächlich vertritt Schnabel geldpo-
litisch oft Ansichten, die man eher dem
Lager der „Tauben“ zuschreiben kann,
die für einen lockeren Kurs stehen.
In der Debatte über die sogenannten
Target-II-Salden, ein weiteres großes
Reizthema hierzulande, warnte sie erst
im Sommer vor einer allzu übertriebe-
nen Risikowahrnehmung.
Gegner solcher Positionen mag ihre
Berufung daher irritieren. Trotzdem
liegt in der Wahl Schnabels auch eine
große Chance. Nach der Ära Draghi
steht dessen Nachfolgerin Lagarde vor
der großen Herausforderung, die EZB
sicher durch eine Zeit umwälzender
wirtschaftlicher und politischer Um-
brüche zu steuern. Die Notenbank muss
die Exzesse ihrer Rettungspolitik ein-
dämmen, ohne dadurch gleichzeitig un-
freiwillig die nächste Krise auszulösen.
Keinesfalls sollte sie dabei ihr gesam-
tes Erbe über Bord werfen. Doch in ei-
ner Zeit, in der sich alles wandelt, sind
womöglich flexiblere Lösungen als bis-
her gefragt. Die Reform der EZB-Strate-
gie wird daher eine der großen Aufga-
ben sein, die Lagarde bewältigen muss.
Schnabel sind diese Herausforderun-
gen bewusst. Dass mit Lagarde bald eine
Juristin und eben nicht eine Ökonomin
die EZB durch diese schwierige Phase
führen soll, kommentierte sie damals
als „bemerkenswert“. Die versierte
Ökonomin wird künftig Gelegenheit ha-
ben, die neue Präsidentin dabei zu un-
terstützen, den richtigen Kurs zu finden
und die Geldpolitik der Öffentlichkeit
stärker als bisher zu vermitteln.
AFP
/ TOBIAS SCHWARZ
WWWeiser eiser RAT fffür die EZBür die EZB
Die Ökonomin
Isabel Schnabel
soll Mitglied im
Direktorium der
Zentralbank werden.
Geldpolitisch zählt
sie nicht zu den
Hardlinern. Intern
könnte sie zur neuen
Vermittlerin werden
ICH FÜHLE MICH GEEHRT, ALS
EXEKUTIVDIREKTORIN DER EZB
NOMINIERT WORDEN ZU SEIN
ISABEL SCHNABEL
,,
Warum es sich lohnt
in Afrika zu investieren Seite 10
Gründerin aus Kenia
ARBEITNEHMER
7 1 Prozent mehr
Krankheitstage
Die Zahl der Krankheitstage deut-
scher Arbeitnehmer ist im vergange-
nen Jahrzehnt deutlich gestiegen.
Das geht aus der Antwort der Bun-
desregierung auf eine Kleine Anfrage
der Linksfraktion hervor. Demnach
stieg die Zahl der Krankheitstage
gesetzlich krankenversicherter Ar-
beitnehmer von knapp 319 Millionen
im Jahr 2008 um 71Prozent auf etwa
5 46 Millionen im Jahr 2017. Zwar
stieg in den vergangenen Jahren
auch die Zahl der Beschäftigten –
gleichwohl nahm aber auch der
durchschnittliche Krankenstand der
gesetzlichen Versicherten zu. Laut
Bundesregierung stieg er bei Frauen
von 3,5Prozent im Jahr 2008 auf 4,
Prozent 2018. Bei Männern waren es
2 008 demnach 3,3 und im vergange-
nen Jahr 4,0 Prozent. Psychische
Erkrankungen und Verhaltensstö-
rungen haben den Angaben zufolge
AAAtemwegserkrankungen als zweit-temwegserkrankungen als zweit-
häufigste Ursache für Krankmeldun-
gen abgelöst. Fast 98 Millionen
Krankheitstage waren 2017 auf psy-
chische Leiden zurückzuführen, das
entsprach einem Zuwachs von
1 44Prozent seit 2008.
FLIXBUS
Busanbieter fordert
Gleichberechtigung
Die geplante Mehrwertsteuersen-
kung für Bahnfahrkarten könnte
nach Betreiberangaben das Fernbus-
angebot schrumpfen lassen. „Sollte
die Mehrwertsteuersenkung tatsäch-
lich nicht für den Fernbus kommen
und nur für die Bahn, wird der Wett-
bewerbsvorteil wohl so immanent,
dass wir circa 30 Prozent des Fern-
busnetzes einschränken werden
müssen“, teilte Flixbus-Chef André
Schwämmlein mit – zwei Tage bevor
der Bundestag über die Steuersen-
kung berät. Der deutsche Markt-
ffführer hatte sein Netz ührer hatte sein Netz stark aus-
gebaut und steuert in Deutschland
etwa 400 Haltestellen an. Als Erstes
wwwürde Flixbus nach Schwämmleinsürde Flixbus nach Schwämmleins
Angaben Ziele für Touristen zur
Disposition stellen.
Eine Milliarde Dollar
gegen Wohnungskrise
Der US-Konzern Facebook will der
von der Tech-Industrie mitverur-
sachten Wohnungsmarktkrise in
Kalifornien mit einer Milliarden-
investition entgegentreten. Eine
Milliarde Dollar (knapp 900 Millio-
nen Euro) sollen innerhalb der
nächsten zehn Jahre in verschiedene
WWWohnungsbauprojekte fließen, teilteohnungsbauprojekte fließen, teilte
das Unternehmen mit. Ein Viertel
der Summe ist demnach für ein
Bauprojekt mit dem Bundesstaat
Kalifornien geplant und fast so viel
fffür die bauliche Erschließung vonür die bauliche Erschließung von
Land, das Facebook am Standort
seiner Zentrale Menlo Park erwor-
ben hat. Auch will der Konzern den
Bau von Wohnungen für Lehrer und
„andere wichtige Arbeitskräfte“
unterstützen, damit diese „nahe den
Gemeinden leben können, in denen
sie arbeiten“.
NIKE
Ex-Ebay-Chef John
Donahoe angeheuert
Der US-Sportartikelriese Nike will
mit dem ehemaligen Ebay-Chef John
Donahoe das Onlinegeschäft ankur-
beln. Donahoe ersetzt Mitte Januar
als Vorstandschef Mark Parker, der
Nike seit 2006 geführt hatte, wie der
Adidas-Rivale mitteilte. Parker bleibt
aaaber als Executive Chairman auchber als Executive Chairman auch
ins operative Geschäft involviert.
Donahoe war in den vergangenen
fffünf Jahren Chef des Cloud-Anbie-ünf Jahren Chef des Cloud-Anbie-
ters ServiceNow, vorher hatte er
sieben Jahre lang den Onlinemarkt-
platz Ebay geführt. Zu den Gründen
fffür Parkers Abgang äußerte sichür Parkers Abgang äußerte sich
Nike nicht.
KOMPAKT
I
n einem „Akt der Verzweiflung“ ha-
ben 23 landwirtschaftliche Verbände
mit einem Offenen Brief von der Po-
litik den ungehinderten Zugang zu neu-
en Methoden der Pflanzenzüchtung ge-
fordert. Die pauschale juristische Ein-
stufung neuer Züchtungsmethoden als
„Genmanipulation“ durch den Europäi-
schen Gerichtshof sei nicht sachge-
recht, verhinderte die Anpassung der
Landwirtschaft an den Klimawandel
und verschlechtere die Biodiversität.
VON DANIEL WETZEL
„Unsere Region leidet schon heute
unter Klimaextremen“, sagte Marco
Gemballa, Geschäftsführer der Agrarge-
nossenschaft Zinzow bei der Präsentati-
on des Forderungsschreibens in Berlin:
„Ohne angepasste Pflanzensorten wird
für uns Landwirtschaft immer häufiger
zum Lotteriespiel. In dieser Situation
wäre es schlicht fatal, auf dieses innova-
tive Werkzeug zu verzichten.“
Hintergrund ist die erst 2012 veröf-
fentlichte Methode CRISPR-Cas, die es
erlaubt, minimal-invasiv in die Pflan-
zen-DNA einzugreifen. Anders als in
der bisherigen Genmanipulation wer-
den damit keine transgenen Pflanzen
mit artfremden Erbgut erzeugt. Viel-
mehr handelt es sich um eine „Punkt-
mutation“, wie sie auch in der Natur
ständig vorkommt.
„Es lässt sich nicht unterscheiden
oder nachweisen, ob eine vorliegende
Mutation spontan in der Natur entstan-
den ist oder durch gezielte Mutagenese
herbeigeführt wurde“, heißt es in dem
Offenen Brief der Verbände.
Die Agrarverbände erzürnt, dass der
Europäische Gerichtshof (EuGH) in sei-
nem Urteil von 2018 die herkömmlichen
Erbgut-Eingriffe bei Pflanzen mittels
Strahlung oder Chemikalien nicht der
umfangreichen Regulierung für „Gen-
technisch veränderte Organismen“
(GVO) unterworfen hatte, die neue,
zielgenauere, mildere und einfachere
Züchtungsmethode jedoch schon.
„Das ist, als ob uns der EuGH verbie-
tet, mit Angel und Haken fischen zu ge-
hen und uns stattdessen Dynamit vor-
schreibt“, beschreibt Davis Spencer,
Wissenschaftler an der RWTH Aachen
und praktizierender „Science Slammer
für Pflanzengenetik“ die fragwürdige
Rechtsauffassung der Europarichter.
Während die Landwirte durch Um-
welt- und Klimapolitik einem ständig
wachsenden ökonomischen Druck aus-
gesetzt sind, werde ihnen auf der ande-
ren Seite ein innovatives Werkzeug für
mehr Klimaschutz und Klimafolgen-An-
passung aus der Hand geschlagen, kriti-
sierte Hennig Ehlers, Hauptgeschäfts-
führer des Deutschen Raiffeisenverban-
des (DRV) in Berlin. Der EuGH habe
sich in seiner Rechtsprechung auf ein
Gesetz aus dem Jahre 2001 bezogen,
dessen wissenschaftliche Grundlage aus
den 1980er Jahren stammte. Es sei drin-
gend nötig, die Gesetzeslage dem aktu-
ellen Stand der Wissenschaft anzupas-
sen.
„Um Ernteausfälle infolge des Klima-
wandels zu minimieren und Agrarsyste-
me weniger anfällig gegen immer stär-
ker schwankende Anbaubedingungen zu
machen, müssen Nutzpflanzen wider-
standsfähiger gegen Wassermangel,
Versalzung, Hitze, Kälte, Krankheiten
und Schädlingen sein und sollten dar-
überhinaus eine höhere Nährstoffeffi-
zienz aufweisen“, heißt es dazu in dem
Offenen Brief: „Die Neuen Züchtungs-
methoden haben das realistische Poten-
zial, innerhalb relativ kurzer Zeit zur
Lösung solcher Herausforderungen bei-
zutragen.“
„Das Kartoffelgenom ist seit 2011 voll-
ständig entschlüsselt, wir haben damit
ein Navigationssystem, das uns in der
Pflanzenzüchtung direkt zum Ziel
führt. Entscheidend ist jetzt, ob wir zu
Fuß gehen oder mit dem Auto fahren“,
umschriebt Heinrich Böhm von der
Kartoffelzucht Böhm GmbH & Co. KG
in Lüneburg das Problem: Wenn man
Kartoffelsorten auf dem Wege her-
kömmlicher Kreuzungen gegen Pilzbe-
fall resistenter machen wolle, dauere
das 20 bis 25 Jahre.
Durch den gezielten Einschnitt in das
Genom mittels CRISPR-Cas erreiche
man dasselbe Ergebnis in einem Bruch-
teil der Zeit.
Da in vielen landwirtschaftlichen Ex-
portländern die Methode bereits ohne
Regulierung eingesetzt werden darf,
werden bald große Mengen an pflanzli-
chen Rohstoffen, die auf der neuen
Züchtungsmethode basieren, angebo-
ten werden. Bleibe es bei der europäi-
schen Rechtssetzung, setzten sich euro-
päische Importeureeinem hohen juri-
stischen Risiko aus, warnte Oliver Balk-
hausen von der Archer Daniels Midland
Company (ADM).
Pflanzliche Rohstoffe, die von der EU
als genmanipulierter „GVO“ eingestuft
werden, brauchen Herkunftsnachweise,
Sicherheitsbewertungen und unterlie-
gen einer Kennzeichnungspflicht. Die
umfangreichen Auflagen gefährdeten
den Import der in Europa benötigten
Futtermittel und Agrarrohstoffe, warn-
te Balkhausen: „Damit die internationa-
len Handelsströme weiterhin funktio-
nieren und die Versorgungsmärkte
nicht gefährdet werden, müssen die Be-
stimmungen zu agrarischen Rohstoffen
verschiedener Weltregionen miteinan-
der kompatibel sein.“
Bauern fordern „Gentechnik light“ gegen den Klimawandel
EU-Richter stufen neue Methoden der Pflanzenzüchtung wie Genmanipulation ein. Landwirtschaft fürchtet um Anpassungsfähigkeit
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