Berliner Zeitung - 26.10.2019

(Ron) #1

Berlin bewegt sich


20 Berliner Zeitung·Nummer 249·26./27. Oktober 2019 ·························································································································································································································································································


Einfach ausholen, Ball hochwerfen, treffen: In Wirklichkeit ist der Aufschlag beimTennis einer der schwierigsten Schläge. THOMAS UHLEMANN

Z


umeiner ersten Tennis-
stunde erscheine ich in
Jeans.Normale Freizeit-
kleidung und Sneakers
seien am Anfang völlig in Ordnung,
hatTrainer Oliver BritzeamTelefon
gesagt.„ZumindestbeimTennisclub
BerlinWeißensee“, fügt er hinzu.Er
selbstträgteinengrauenJoggingan-
zugmit Kapuze,alswirunsaufdem
PlatzinderBuschalleetreffen.Esist
ein schöner warmerHerbsttag, am
Rand des Spielfelds schimmertdas
gelbe Laub durch denMaschen-
drahtzaun.Auseinem kleinenVer-
einshaus nebenan hatOliver Britze
mireinenLeihschlägermitgebracht.


GefühlfürdenBallgewinnen

„Wirklich noch nieTennis gespielt,
nichtmalimUrlaub?“,fragtermich
ungläubig.Erselbsthatzumersten
MalimA ltervonvierJahrenaufdem
Platz gestanden, seine ganzeFami-
lie sei tennisbegeistert, erzählt der
36-Jährige.Seit siebenJahren hat
BritzeseineTrainerlizenz, daneben
arbeitet er noch in einerHausver-
waltung.Ichräumeein,dassichmal
Badminton gespielt habe,immer-
hin.Aberobmirdashierhilft?Britze
nimmt ein paar Bälle aus einem
rollbaren Behälter,der neben dem
Spielfeld steht.Dieerste Anfänger-
übungkommtmirrechtanspruchs-
losvor:Ichsollden BallaufdenBo-
den auftippen lassen und ihn mit


demSchlägervonuntenauffangen.
„Esgehtdarum,einGefühldafürzu
bekommen,wiesichsoeinTennis-
ball verhält“, erklärtmeinTrainer –
undwieaufAnsagehüpftmeinBall
schräginsAus.KeinProblem,denn
derBallvorratimfahrbarenBehälter
ist nahezu unerschöpflich. Jedes
Mal, wenn ich einenBall verliere,
wirftmirmeinTennislehrereinfach
einen neuen zu.Aufsammeln kön-
nenwirspäter,sagter.
„Bei derVorhand halten wir den
Schlägerso,alsobwirihmgutenTag
sagen wollen“, erklärtBritzekurz
darauf den erstenGrundschlag.Er
stelltsichaufdiegegenüberliegende
Seite des Netzes und wirft mirvon
dortweitereBällezu. DieEntfernung
zwischenunsistdabeikaumgrößer,
alswürdenwiranentgegengesetzten
Enden einerTischtennisplatte ste-
hen. Ichtreffe fast jedenBall und
fühlemichhöchstmotiviert.Dassei
nunungefährdieEntfernung,inder
Kinder ihr eerste Tennisstunde ab-
solvieren,sagtmeinTrainerlachend.
Er selbst trainiereaber meist Er-
wachsene.Obw iresalsomalaufet-
was größeren Abstand probieren
wollten?
Oliver BritzetrainiertaufAnfrage
kleineGruppenvonzweibisvier Per-
sonen auf demPlatz in Weißensee
oderineinerderdreiSchulsporthal-
len,diederVereinzeitweisebelegen
darf. ProStunde kostet dasTraining

bei ihm zwischen sieben und 13
Euro,jen achdem, wie vieleSpieler
teilnehmen.Nachdem Tennis lange
als Elitensportverschrien gewesen
sei, könne man seit ein paarJahren
wieder beinahevoneinem Boom
sprechen, so derTrainer.Legenden
wieBorisBeckerundSteffiGrafwür-
den zwar insbesondereden Jünge-
renheute kaum noch etwas sagen,
aber dafür liege das unkomplizierte
SporttreibenanderfrischenLuftof-

fenbar imTrend. DieMitgliederzahl
des Vereins habe sich allein in den
verg angenenzehn Jahren ungefähr
verdoppelt.
BeimTennisreicheeinAnfänger-
trainingvonein paar Stunden erst
einmal völlig aus,sagt Oliver Britze:
„EinpaarTechnikensolltemanken-
nen, das Meiste lernt man aber
durchmöglichstvielSpielpraxis.“Zu
den wichtigstenGrundlagen gehört
der Aufschlag. Für den muss ich

michplötzlichunerwartetweitvom
Netz entfernen. Zumersten Mal
spielen nun dieweißen Markie-
rungen, die dasTennisfeld unter-
teilen, eineRolle.Ein Tennisspiel
nimmt seinenAnfang nämlich an
der Linie,die das Feld rückseitig
begrenzt.DiesogenannteGrund-
linieistinderMittemiteinerklei-
nen Kerbe versehen,rechts davon
stehenOliver Britzeundich.„Fuß-
stellung in Richtung des äußeren
Pfostens“,weistmichmeinLehrer
an.NundenBalllockerindieLuft
geworfen und denBall mit gera-
dem Ar mdiagonal in das gegen-
überliegende Feld gespielt. Ich
lasse den gelbenFilzball mit aus-
gestrecktem Armins Sonnenlicht
hüpfen, ziehe mit der anderen
Hand den Schläger nachvorn –
undtreffenicht.NächsterVersuch.
IchwerfedenBallindie Luft,ziehe
den Schläger diesmal mit deutlich
mehrTemponachvorn,treffe–und
sehe meinenBall kläglichvordem
Netzzu Bodeneiern.

ZurückaufdieGrundlinie
Nach drei weiteren verpatztenVer-
suchenschwantmir,dassich vonei-
ner funktionierenden Spieltechnik
doch noch deutlichweiter als eine
Tischtennisplattenlänge entfernt
bin.Oliver Britzeaberlobtmich:Für
den Anfang sei das gar nicht mal
schlechtgewesen.Immerhingiltder

ANSPRECHPARTNER

In Berlinund der unmittelbaren Umge-
bung existierenrund 150Tennisvereine.
Die Jahresmitgliedschaft liegt meist zwi-
schen 200 und 400 Euro.

In privatenTennisschulenin der Stadt
liegt der Preise pro Unterrichtsstunde je
nach Gruppengröße etwa zwischen 10
und 50 Euro. (www.tvbb.de)

Beim TennisclubWeißenseesind sieben
Sandplätze täglichvon 7bis 22 Uhrzu-
gänglich. Clubmitglieder spielenkosten-
los, Gäste sechsEuro dieStunde, die bei
einer späteren Mitgliedschaftverrechnet
werden. (www.tc-berlin-weissensee.de)

THOMAS UHLEMANN

Aufschlagalseinerderschwierigsten
SchlägefürTennisanfänger.
Nachdem ich denBall per Auf-
schlagwenigstenseinmalübersNetz
beförderthabe,erklärtmir Oliver
BritzenochzweiSchläge,mitdenen
der Ball zurückgespielt wird, ohne
vorherden Bodenzuberühren–den
VolleyunddenSchmetterball.Wäh-
rendichbeimVolleydenSchlägerle-
diglich in Richtung desBalls halten
soll, ohne ihn aktiv zu schlagen, ist
der Schmetterball ein kraftvoller
Rückschlag, für den derTennisspie-
ler den linken Armausstreckt, um
sichzustabilisieren.
Damit ic hbei so vielTechnik
auch genug Übung bekomme,rät
Oliver Britze, dass wir nun erst
einmal einenBallwechsel in nor-
malem Abstand versuchen. Das
heißt,jedervonunsbeginntander
Grundlinie.ImGegensatz zum
Spiel auf Tischtennis-Entfernung
treffe ich den Ball diesmal nur
noch halb so oft.Spaß macht es
trotzdem, auchweil sich inzwi-
schen andereSpieler auf den be-
nachbartenFelderneingefunden
haben. Wenn jemandem einBall
zurSeitespringt,lächeltmansich
zuundwirftzurück.
DieAtmosphärewirkt freundlich
undentspannt.Jeansträgtaußermir
zwarniemand.Aberimmerhinsehe
ichauchnirgendseinenweißenTen-
nisanzug.

Matchball


Geschichte


I


nfranzösischen Klösternsollen
Äbte und Bischöfe bereits im
13.Jahrhunderterstmals Tennis ge-
spielt haben.Damals benutzten die
Spieler allerdings noch die flache
Hand, um denBall zurückzuschla-
gen, wie aus historischenAufzeich-
nungenhervorg eht.
In den folgendenJahrhunderten
entstanden europaweit die ersten
sogenanntenBallhäuser,ind enen
mansichdenTennisballähnlichwie
heute mit einem Schläger über ein
Netz zuspielte.Modernes Tennis
entstand erst ab dem 19.Jahrhun-
dertmitdem BeginnderIndustriali-
sierung. GaltTennislangeZeitals rei-
nes Freizeitvergnügen, begann sich
derSportabd en1970ernweltweitzu
professionalisieren.
InderBundesrepublikerlebteder
SportabM itte der 1980er durch die
AusnahmetalenteSteffi Graf, Boris
BeckerundMichaelSticheine Hoch-
phasederBeliebtheit.(jfr.)

K


urzgefasstbestehtdasZieleines
Tennisspielers darin, den Ball
vonseiner Hälfte desSpielfelds im-
merwiederüberdasNetzindiean-
dereSpielfeldhälfte zu spielen. Es
kann sowohl zu zweit als auch zu
viert–ims ogenanntenDoppel–ge-
spieltwerden.
DieSpielregelnsinddabeivielfäl-
tig.SomussetwaderAufschlagdia-
gonal in den schräg gegenüberlie-
genden Teil des T-Felds geschlagen
werden,der Spielermussdabeihin-
ter der Grundlinie stehen und darf
diese erst übertreten, nachdem er
denBallgetroffenhat.
ImSpieldar fderBallvordemZu-
rückschlagen maximal einmal den
Boden berühren.Bricht einer der
Spieler eine derRegeln, erhält sein
GegnerdafüreinenPunkt.Wennei-
ner der Spieler denBall nicht regel-
konformzurückspielen kann, geht
ebenfallseinPunktanseinenjewei-
ligenGegner.(jfr.)

Regeln


E


inen gutenTennisschläger be-
kommen Anfänger schon für 80
bis 100Euro,sagt Jürgen Chmiel,
VorsitzenderdesTennisclubsBerlin-
Weißensee.
DieModelle unterscheiden sich
nachGewichtundderFestigkeitder
Bespannung.Je nachdem,wiestraff
die Besaitung ist, hat derSpieler
mehr oderweniger Kontrolle über
dasVerhalten desBalls,sagtTrainer
Oliver Britze.
EinSchläger mit härtererBesai-
tungführtzum ehrBallkontrolleund
istdarumbesserfürAnfängergeeig-
net. Tennisanfänger sollten außer-
dem zu Schlägernmit geringerem
Gewicht greifen, da diese einfacher
zu handhaben sind und für dieGe-
lenkenichtsobelastendsind.
Mitschwereren Schlägernlassen
sichgenauereSchlägeausführen,sie
verzeihen allerdings auchweniger
Fehler.Darum eignen sie sich eher
fürProfis.(jfr.)

Ausrüstung


IMAGO IMAGO PRINCE

VonJulia Frese

Tennis


liegtwieder


imTrend


Elitensport?


BerlinerTennisvereinegewinnen


wiedermehrMitglieder.


UndzumerstenSelbstversuch


reichenJeansund


Turnschuhe

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