Handelsblatt - 25.10.2019

(Ron) #1

wir, welche nachhaltigen Technologien es dort be-
reits gibt, welche noch kommen können. Und ge-
hen anschließend auf unsere Kunden zu. Wir glau-
ben, dass sie mit neuen Techniken ihren Klimafuß-
abdruck nachhaltig verringern können.


Und wenn dem nicht so ist?
Haben wir den Eindruck, dass einzelne Kunden
keine Nachhaltigkeitsfortschritte machen, können
wir die Kundenbeziehung beenden. Zum Beispiel
haben wir 2017 entschieden, keine Kohlekraftwer-
ke mehr zu finanzieren. Unternehmen, die mehr
als fünf Prozent ihres Umsatzes mit der Kohlever-
stromung machen, sprechen wir an und überlegen
gemeinsam, wie der Anteil bis 2025 auf unter fünf
Prozent gesenkt werden kann. Ist das nicht mög-
lich oder vom Kunden nicht gewünscht, beenden
wir die Geschäftsbeziehung. Neue Kohlekraftwerke
und -minen finanzieren wir schon jetzt nicht mehr.
Eine Ausnahme gibt es: die Koksförderung. Nur
Koks liefert die nötige Verbrennungshitze, die die
Stahlindustrie braucht. Aber auch hier warten wir
nur noch so lange, bis eine neue, bessere Techno-
logie auf dem Markt ist.


Wie reagieren Ihre Kunden auf den Druck?
Viele Kunden reagieren positiv. Natürlich gibt es
auch Unternehmen, die wir mit unserer Entschei-
dung enttäuschen. Das müssen wir hinnehmen.


Die EU betont die Bedeutung der Kapitalmärk-
te für die Bekämpfung des Klimawandels. Ist
es eine gute Idee, Kapitalmärkte als Hebel für
grünes Wirtschaften einzusetzen?
Will man grundsätzlich den Einsatz neuer Techno-
logien belohnen und besonders nachhaltige Unter-
nehmen fördern, sind die Kapitalmärkte das richti-
ge Werkzeug. Viele institutionelle Investoren inves-
tieren schon heute nicht mehr in Unternehmen,
die sich nicht am Nachhaltigkeitsgedanken orien-
tieren. Pensionsfonds, Versicherer und Assetmana-
ger können hier einen starken Druck ausüben. In-
dem sie die Nachfrage für nachhaltige Aktien und
Anleihen steigern, beschleunigen sie den grünen
Umbau der Wirtschaft. Unternehmen, die sich
nicht an ökologischen und sozialen Kriterien orien-
tieren, werden schon bald Probleme bekommen,
ihre Bonds und Aktien am Markt zu platzieren.


Probleme hat auch die ING mit dem Thema
Geldwäsche. Seit März darf Ihre italienische
Tochter sogar keine neuen Kunden annehmen.
Wo stehen Sie jetzt?
Bereits 2018 haben wir einen Plan aufgelegt, um
unsere Geldwäsche- und Kundenidentifizierungs-
prozesse zu überprüfen. Im September 2018 kam
es dann zur Einigung mit den niederländischen Be-
hörden ...


... die Sie 775 Millionen Euro gekostet hat.
Vor diesem Hintergrund sind mehrere Aufsichts-
behörden verstärkt auf uns aufmerksam gewor-
den, etwa in Italien. In ihren Untersuchungen ha-
ben sie ähnliche Probleme gefunden wie die nie-
derländischen Kollegen. Unsere Prozesse in Ita-
lien waren nicht bestmöglich aufgestellt, unsere
Unterlagen waren nicht in Ordnung. Die Maßnah-
me, die die Aufsicht dann verhängt hat, der Neu-
kundenstopp, ist strikt. Aber solange wir unsere
Prozesse nicht in Ordnung gebracht haben, ist es
vielleicht sogar besser, keine neuen Kunden anzu-
nehmen. Dafür machen wir deutliche Fortschrit-
te, nicht nur in Italien. Wir haben viel in die Ver-
hinderung von Geldwäsche investiert, inzwischen
beschäftigen sich bei ING 3 000 Leute mit dem
Thema. Wir nutzen auch neue Technologien, et-
wa Künstliche Intelligenz, um unsere Filter zu ver-
bessern und verdächtige Transaktionen aufzuspü-
ren. Außerdem arbeiten wir daran, Smurfing zu
unterbinden, also die Taktik, große Zahlungen in
viele kleine aufzuspalten.


Der Stopp in Italien dauert schon ein halbes
Jahr an. Ist ING schlicht zu schnell gewachsen?
Nicht unbedingt. Die eigenen Unterlagen müssen
in Ordnung gehalten werden, da gibt es in meinen
Augen nichts zu diskutieren. Etwas anders gelagert


ist aber die Frage, wie wir Transaktionen überwa-
chen. Die Technologie entwickelt sich hier sehr
schnell, was aber auch heißt, dass mit den Fort-
schritten, die wir als Bank machen, auch die Er-
wartungen an uns stark steigen. Hier müssen wir
noch mehr investieren und effektiver werden. Das
gilt aber übrigens für alle Banken.

Bei der Digitalisierung war ING Vorreiter,
doch andere Institute ziehen nach. Wie wollen
Sie Ihre Position verteidigen?
Kopiert zu werden ist doch das größte Kompli-
ment. Wir kopieren schließlich auch, aber nicht
von anderen Banken, sondern von den Tech-Kon-
zernen. Intern sind wir aktuell dabei, eine wirkli-
che grenzüberschreitende Banking-Plattform auf-
zubauen. Entwickeln wir in einem Land Software,
versuchen wir, sie in einem anderen Markt einzu-
setzen, wie Lego-Bausteine. Das reduziert Kosten.
Wir wollen als Bank zum Plattformunternehmen
werden und eine einfache Softwarearchitektur auf-
bauen, die in jedem Land, in dem wir aktiv sind,
genutzt werden kann. Das erlaubt auch eine grenz-
überschreitende Skalierung.

Was sind Ihre Pläne für ING in Deutschland?
ING Deutschland schlägt sich ganz gut. Der nächste
Schritt ist, unser Angebot für Unternehmenskun-
den auszubauen. Hierzu haben wir Regionalbüros
in Hamburg, Stuttgart, München, Essen, Frankfurt
eröffnet, weitere werden folgen. Das ist Teil unse-
rer Strategie, unseren Kunden einen noch besseren
Service zu bieten. Zudem bringen wir so unsere
globale Expertise lokal ein. Gerade beim Thema
Nachhaltigkeit versuchen wir, mit neuen Produk-
ten zu punkten, etwa mit grünen Schuldscheinen,
wie wir sie für Dürr und Porsche aufgelegt haben.
Ein wichtiger Treiber im Firmenkundengeschäft ist
auch die Kreditplattform Lendico, die wir gekauft
haben. Mit ihr wollen wir kleinere Firmenkunden
digital ansprechen. Deutschland ist der wichtigste
Markt für ING, hier haben wir die meisten Kunden.
Wir sind ebenso eine deutsche wie eine niederlän-
dische Bank. Und wir wollen weiterwachsen.

Herr Hamers, vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellten Michael Maisch und
Felix Holtermann.

Der Manager Der Nie-
derländer Ralph
Hamers arbeitet seit
1991 für die ING. 2013
wurde er aus der
zweiten Reihe direkt
auf den Chefsessel
katapultiert. Seither
hat er die Bank zu
einem digitalen Vor-
reiter umgebaut.

Die Bank Die in der
Finanzkrise mit
Staatshilfen gerettete
niederländische ING
ist eines der größten
Geldhäuser Europas.
Die Bank beschäftigt
gut 54 000 Mitarbei-
ter, hat rund 38 Millio-
nen Kunden und ist in
mehr als 40 Ländern
in Europa, Asien und
Amerika präsent.

Vita
Ralph Hamers

Ich


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Gerüchte


nicht. Und


auch unsere


Gespräche mit


der Commerz-


bank nicht.


Finanzen & Börsen


WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
35


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