In 10 von 23 ungarischen Bezirkshauptstädten siegten am Sonn-
tag Kontrahenten der Regierungspartei Fidesz von Premier Vik-
tor Orbán. Sogar in der Hauptstadt Budapest triumphierte die
Opposition: Gergely Karácsony, Anführer des linksliberal-ökolo-
gisch-feministisch ausgerichteten Bündnisses »Dialog«, behielt
die Oberhand über seinen regierungstreuen Widersacher. Das
offizielle Endergebnis von 50,8 Prozent der Stimmen zugunsten
Karácsonys bezeugt, ganz nebenbei, die Bereitschaft des macht-
verwöhnten Orbán-Lagers, Niederlagen zu akzeptieren.
Für Euphorie unter Gegnern des Regierungschefs ist es trotz-
dem zu früh. Bei den Duellen um das Bürgermeisteramt in
Metropolen wie Budapest, Miskolc und Pecs hat sich die Opposi-
tion gegen Orbán lagerübergreifend verbündet – von der Rechts-
außenpartei Jobbik bis zur linksgerichteten Demokratischen
Koalition von Ex-Premier Ferenc Gyurcsàny trat man vereint auf
im Widerstand gegen die vielfach als korrupt und selbstherrlich
verschrienen Fidesz-Kandidaten. Auf nationaler Bühne ist eine
ähnliche Allianz schwer denkbar. Orbáns Partei hat im Vergleich
zu den Europawahlen im Mai nicht nur nichts eingebüßt, sie
hat sogar Stimmen hinzugewonnen. Perspektivisch sitzt der seit
Jahrzehnten die politische Bühne beherrschende Premier
ohnehin am längeren Hebel: Unbotmäßigen Bürgermeistern
kann er die Mittel aus dem Staatshaushalt kürzen.
Dass Budapests neuer Bürgermeister Karácsony im Wahl-
kampf Rat suchte bei den Stadtoberhäuptern von Istanbul und
Warschau, wirkt richtungweisend. Auch dort, in den Metro -
polen der Türkei und Polens, regieren als Bürgermeister Oppo -
sitionspoli tiker – was die Autokraten Recep Tayyip Erdoğan
und Jarosław Kaczyński nicht daran hindert, weiterhin ungestört
die Fäden zu ziehen. Walter Mayr
Analyse
Angeschlagen, nicht geschlagen
Die Opposition siegt bei den ungarischen Kommunalwahlen. Ein Abgesang auf Premier Orbán ist aber verfrüht.
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Ausland
»Ich hatte genug davon, jeden Tag von denselben Nutten und Zuhältern angequatscht zu werden.«‣S. 80
DER SPIEGEL Nr. 43 / 19. 10. 2019
Der Hongkonger Abgeordnete Au Nok-hinspringt auf einen Tisch im Parlament, um gegen Regierungschefin
Carrie Lam zu protestieren. Lam hatte am Tag zuvor in einer Regierungserklärung die Forderung nach
einer Unabhängigkeit der Sonderverwaltungszone zurückgewiesen. Stattdessen versprach sie, Mietkosten
und Immobilienpreise zu senken. Au verletzte sich bei der Aktion leicht am Arm.
MARK SCHIEFELBEIN / AP / DPA / PA