Der Spiegel - 19.10.2019

82 DER SPIEGEL Nr. 43 / 19. 10. 2019

Ausland

QUnterstützer Donald Trumps

2016 Er ist einer der prominentesten Unterstützer

Donald Trumps im Präsidentschaftswahlkampf.

2017 Giuliani wird informeller Berater für Cyber-

sicherheit in der Trump-Administration.

2018 Er wird Trumps privater Rechtsbeistand und

gilt als ein enger Vertrauter des Präsidenten.

Weg ins Zentrum der Macht

Rudolph Giulianis Karriere

Q US-Justiz

1981 bis 1983 Der Jurist Rudolph William Louis

Giuliani übernimmt unter Ronald Reagan den dritt-

höchsten Posten im Justizministerium und damit

die Oberaufsicht über sämtliche US-Strafverfolgungs-

behörden.

1983 bis 1989 Bundesstaatsanwalt für den

Bezirk südliches New York

QBürgermeister von New York

1994 bis 2001 In der Hochburg der Demokraten setzt

sich der Republikaner Giuliani knapp durch. Er macht

eine strikte Law-and-Order-Politik, wirklich populär

wird er durch die Leitung des Krisenstabs infolge der

Terroranschläge vom 11. September 2001.

QPrivatwirtschaft

2002 Gründung seiner Beratungsgesellschaft

Giuliani Partners LLC

2004 Gründung einer Investmentberatungsfirma

2005 Einstieg in die weltweit operierende Anwalts-

kanzlei Bracewell & Patterson, die zu Bracewell &

Giuliani wird

QPräsidentschaftskandidatur

2007 Giuliani gibt seine Kandidatur für die US-

Präsidentschaftswahl 2008 als Nachfolger von

George W. Bush bekannt. Anfang 2008 zieht er sich

bereits aus dem Vorwahlkampf zurück und unterstützt

fortan US-Senator John McCain.

Giuliani und Trump 2016

UPI/LAIF

vaney ein, dass die US-Regierung Militär-
hilfen für die Ukraine zurückgehalten
habe, um das Land dazu zu zwingen, Er-
mittlungen einzuleiten, die Trump helfen
könnten. Trumps gesamte Verteidigungs-
strategie droht zu kollabieren.
Noch ist der Präsident nicht von seinem
Anwalt abgerückt. Am vergangenen Sams-
tag trafen sich die beiden zum Mittagessen
in Trumps Golfklub in Virginia. Danach
erklärte Trump: »Ich stehe absolut hinter
Rudy Giuliani.« Aber was sind solche
Versprechen aus dem Munde eines Präsi-
denten wert, der schon so oft sein Wort
gebrochen hat? »Die Sache wird für Rudy
kein gutes Ende nehmen«, glaubt Fryd-
man. »Trump behandelt jeden wie einen
Bediensteten. Er erniedrigt alle.«
Trump und Giuliani kennen sich seit fast
40 Jahren, sie sind beide auf ihre Art New
Yorker Emporkömmlinge. Giuliani wollte
sich aus dem kleinbürgerlichen Mief
Brooklyns hocharbeiten. Trump, Sohn
eines Immobilienmoguls aus Queens,
sehnte sich nach der Anerkennung der fei-
nen Gesellschaft Manhattans.
Als Giuliani im Jahr 1983 zum Bezirks-
staatsanwalt für den New Yorker Süden
ernannt wurde, erwarb er sich schnell
einen Ruf als unerschrockener Ermittler.
Aber er hielt sich nie ganz an die Regeln.
Er ließ Wall-Street-Banker im Büro ver-
haften, während auf der Straße schon Ka-
merateams warteten, die offenbar einen
diskreten Hinweis erhalten hatten. Am
Ende stellte sich nicht selten heraus, dass
Giulianis Anklagen überzogen waren.
Ende der Achtzigerjahre ermittelte das
FBI gegen Trump, es ging um Geldwäsche,
aber die Sache verlief im Sande, obwohl
es angeblich einen Kronzeugen gab. Bis
heute hält sich das Gerücht, dass Giuliani
damals Trump einen Freundschaftsdienst
erwiesen habe. Sicher ist, dass Trump zu
einem engagierten Spendensammler des
späteren Bürgermeisters Giuliani wurde.
Dessen Amtsjahre erscheinen nur im
Rückblick glänzend. Zwar schaffte er es
tatsächlich, die Kriminalität in New York
einzudämmen. Aber der Preis war eine
Poli zei, die rücksichtslos vorging, vor allem
gegen Schwarze und Latinos. Als der unbe -
waffnete Einwanderer Amadou Diallo am

4. Februar 1999 im Kugelhagel der Polizei
   starb, erhob sich ein Sturm des Protestes.
   Aber Giuliani hielt stur zu seinen Cops.
   Der Mythos Giuliani wuchs aus den
   Trümmern des World Trade Center,
   das am 11. September 2001 einstürzte, nur
   vier Monate vor dem Ende seiner zweiten
   und letzten Amtszeit. Giuliani eilte an
   die Südspitze Manhattans und richtete ein
   Krisenzentrum ein. Er gab der verängstig-
   ten Stadt das Selbstvertrauen zurück, das
   sie so dringend brauchte.
   Kurz nach dem Anschlag trat er in der
   legendären New Yorker Fernsehshow

Pizza und Cola Light ernährt hatte, kaufte

sich ein Haus in den Hamptons und rauch-

te teure Zigarren.

Aber Luxus allein reichte Giuliani nicht,

ihn drängte es zurück in die Politik. Im

Jahr 2007 bewarb er sich um die repu -

blikanische Präsidentschaftskandidatur.

Noch einmal wollte er von seinem Ruf

zehren, aber der hatte sich abgenutzt. Als

Joe Biden auf einer Bühne sagte, Giuliani

beherrsche im Grunde nur einen Satz:

»Hauptwort – Verb – 9/11«, lachte der Saal

über den Helden von New York. Der

Spruch war böse und wahr. Giulianis Be-

werbung scheiterte. Tief verbittert zog er

sich zurück in die Privatwirtschaft.

Trump ist nun sein Rückfahrticket ins

Rampenlicht. Wie kaum ein anderer Re-

publikaner unterstützt Giuliani seinen al-

ten Freund. Er geht ins Fernsehen, wenn

die anderen sich wegducken. »Männer

reden halt manchmal so«, sagte Giuliani

allen Ernstes, als mitten im Wahlkampf

des Jahres 2016 ein Mitschnitt eines Ge-

sprächs ans Licht kam, in dem Trump sich

brüstete, Frauen ungefragt in den Schritt

zu fassen. Die Dankbarkeit Trumps ging

zwar nicht so weit, dass er Giuliani nach

seinem Wahlsieg ins Kabinett holte, was

die Be ziehung der beiden Männer kurz-

fristig abkühlen ließ. Giuliani hatte davon

geträumt, Außenminister zu werden. Aber

im April 2018 machte der Präsident ihn

zu seinem persönlichen Anwalt.

Wahrscheinlich ist es die verhängnis-

vollste Personalie seiner Amtszeit. Giulia-

ni sollte Trump gegen die Vorwürfe in der

Russlandaffäre verteidigen. Tatsächlich

entwickelt er krude Verschwörungstheo-

rien gegen Joe Biden, der ihn im Jahr 2008

so empfindlich getroffen hatte und der als

Präsidentschaftsbewerber gegen Trump

antreten will. Der Präsident, der jedes Mär-

chen glaubt, solange es nur ein Happy End

für ihn bereithält, saugte sie gierig auf.

Nun könnte Trump als erster Präsident

in der Geschichte der USA seines Amtes

enthoben werden – und der Held von New

York im Knast landen. Die Staatsanwalt-

schaft jedenfalls sitzt ihm schon im Na-

cken. Noch gibt es keine Anklage. Aber

am Mittwoch vergangener Woche verhaf-

tete die Polizei zwei Geschäftsfreunde Giu-

lianis wegen des Vorwurfs der illegalen

Wahlkampffinanzierung.

»Giuliani in Handschellen«, sagt Fryd-

man. »Unvorstellbar.« Er hofft immer

noch, dass sein alter Chef zur Besinnung

kommt. »Ich schäme mich für ihn.«

Vor Kurzem hat er ein Foto aus seinem

Portemonnaie genommen, das er dort seit

25 Jahren aufbewahrt hatte. Es zeigt ihn

und seine Frau, am Tag ihrer Trauung

durch Giuliani. Frydman hat es in eine

Schublade gelegt. Weggeschmissen hat er

es noch nicht.René Pfister

»Saturday Night Live« auf, umringt von

Feuerwehrleuten und Polizisten. Als ihn

der Macher der Sendung fragte, ob man

schon wieder Witze machen dürfe, riss

Giuliani selbst einen: »Warum wollt ihr

ausgerechnet jetzt damit anfangen?«

Giuliani wurde zum berühmtesten Bür-

germeister der Welt, zu »America’s Mayor«.

Er genoss seinen Ruf – und machte ihn nach

seiner Amtszeit zu Geld. 100 000 Dol lar

nahm er pro Rede und gründete eine Be-

ratungsfirma. Bei der Wahl seiner Kunden

war Giuliani nicht zimperlich. Er diente

Purdue, dem Pharmakonzern, der viel

Geld mit süchtig machenden Schmerzmit-

teln verdiente. Der Mann, der sich von