trieb, um die Ukraine dazu zu nötigen,
Wahlkampfmunition für Trump zu liefern.
Beamte, die bei diesem schmutzigen Spiel
nicht mitmachen wollten, wurden zur Seite
gedrängt oder gleich ihres Postens ent -
hoben.
Aber nun rächen sich die Gedemütigten,
und das macht die Sache für den Präsiden-
ten so gefährlich. Giuliani hat eine Revolte
des Apparates provoziert, den das Weiße
Haus nicht mehr unter Kontrolle be-
kommt. Am Dienstag vergangener Woche
veröffentlichte es einen Brief, in dem die
Regierung jegliche Kooperation mit dem
Repräsentantenhaus in Sachen Impeach-
ment ausschloss. Aber etliche Diplomaten
ignorierten den Erlass einfach. Sie riskie-
ren lieber ihre Karriere, als länger den
Mund zu halten.
Den Anfang machte am Freitag ver -
gangener Woche Marie Yovanovitch, die
ehemalige Botschafterin der Vereinigten
Staaten in der Ukraine. Die 60-jährige Di-
plomatin genießt im State Department
einen untadeligen Ruf. Sie diente unter
dem republikanischen Präsidenten George
W. Bush als Botschafterin in Kirgisien und
Armenien. Der Demokrat Barack Obama
schickte sie im Mai 2016 nach Kiew. Dort
hatte sie das Pech, die Kreise Giulianis und
seiner Kumpane zu stören.
Im Sommer 2018 begannen Giuliani
und seine Leute eine beispiellose Ver -
leumdungskampagne gegen Yovanovitch.
Zwei Geschäftspartner Giulianis spende-
ten laut der Anklageschrift der New Yorker
Staatsanwaltschaft 20 000 Dollar an einen
damaligen republikanischen Kongress -
abgeordneten, damit dieser Stimmung
gegen Yovanovitch macht. Bald darauf
hieß es in Washington, die Botschafterin
rede schlecht über den Präsidenten.
Giuliani selbst übergab im März 2019
ein neunseitiges Pamphlet an US-Außen-
minister Pompeo, in dem es auch um an-
gebliche Verfehlungen der Botschafterin
ging. Sie pflege zu enge Kontakte zum ehe-
maligen Vizepräsidenten Biden, hieß es
dort. Sechs Wochen später war Yovano-
vitch ihren Job los.
Vor dem Kongress hatte die Diplomatin
nun Gelegenheit für ein Rückspiel. Sie ver-
las ein Statement, das gerade wegen seiner
beamtenhaften Sperrigkeit Wirkung entfal-
tete. Yovanovitch sagte: »Obwohl ich weiß,
dass ich dem Präsidenten zu Diensten stehe,
hat es mich doch verwundert, dass die Re-
gierung der Vereinigten Staaten sich dazu
entschieden hat, eine Botschafterin auf-
grund von Vorwürfen ihres Postens zu ent-
heben, die – soweit ich das beurteilen kann
- auf falschen und unbegründeten Behaup-
tungen von Leuten mit offenkundig zwei-
felhaften Motiven beruhen.«
Ähnlich furchtlos wie Yovanovitch trat
auch Fiona Hill auf, die ehemalige Russ-
landexpertin im Nationalen Sicherheitsrat
des Weißen Hauses. Als sie am Montag in
geheimer Sitzung vor dem Kongress
aussagte, berichtete sie laut »New York Ti-
mes« von einen Treffen, das am 10. Juli
2019 im Büro des damaligen Nationalen
Sicherheits beraters Bolton stattfand.
Teilnehmer waren unter anderem Gor-
don Sondland, der US-Botschafter bei der
EU in Brüssel, und Trumps Stabschef Mick
Mulvaney. Bei dem Treffen sei es darum
gegangen, wie die Regierung Giuliani bei
der Suche nach Schmutz gegen Biden und
dessen Sohn Hunter helfen könne. Bolton
sei darüber so empört gewesen, dass er
Hill angewiesen habe, den Vorfall offiziell
beim Chefjuristen des Nationalen Sicher-
heitsrats zu melden. »Ich will nicht Teil ir-
gendeines Drogendeals sein, den Sondland
und Mulvaney aushecken«, soll Bolton ge-
sagt haben. Am Donnerstag räumte Mul-
DER SPIEGEL Nr. 43 / 19. 10. 2019 81
YURI GRIPAS / UPI / LAIF
Trump-Anwalt Giuliani: Rückfahrtticket ins Rampenlicht