„Wir sollten uns China
gegenüber öffnen,
zusammenarbeiten und nicht
abschotten.“
Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte
Universität Duisburg-Essen
„Die Energiewende ist
kein Konjunktur -
programm für klamme
Werften und Küstenländer.“
Kim Detloff, Meeresschutzexperte des
Naturschutzbunds (Nabu)
Stimmen weltweit
Großbritannien muss aus seiner selbst
verschuldeten Brexit-Blockade endlich erlöst
werden, fordert die „Neue Zürcher Zeitung am
Sonntag“:
B
oris Johnsons Deal, der einen harten Aus-
tritt und eine faktische wirtschaftliche Ab-
koppelung Nordirlands von der Britischen
Insel vorsieht, wurde lang und breit kritisiert – so
wie einst auch der Vertrag von May. Ihr weicher
Brexit wurde im Parlament dreimal abgeschmet-
tert. Das Unterhaus wird nächste Woche die Chan-
ce haben, für Johnsons Alternative – den harten
Brexit – zu stimmen. Tut es das nicht, disqualifi-
ziert sich das Parlament und wird zu einem Gre-
mium, das nur noch eins tut: den wichtigsten Ent-
scheid über die Zukunft des Landes verschieben.
Doch es reicht nicht, einen No-Deal, also einen
vertragslosen Austritt, zu verhindern. Irgend-
wann muss man dafür auch einem Deal zustim-
men. Die Abgeordneten müssen aufhören, nur
regionale oder parteitaktische Interessen zu ver-
folgen. Es geht nun darum, das Land aus seiner
Blockade zu erlösen. Wenn das Parlament nächs-
te Woche Johnsons Vertrag abschmettert, gibt es
nur eins: Neuwahlen. Vielen wird dann das La-
chen vergehen.
Boris Johnson wird mit seinem Brexit-Deal in
London größere Probleme haben als in Brüssel,
schreibt die italienische Zeitung „La
Repubblica“:
U
nd so hat „General Brexit“, Boris John-
son, endlich Frieden mit Europa ge-
schlossen. Nun bleibt abzuwarten, ob er
das auch mit seinem Parlament erreichen kann.
Johnson hatte eine andere Waffe als Theresa
May. Seine Vorgängerin, die beim Referendum
2016 für einen Verbleib in der EU gestimmt hat,
hat ihn deshalb nie gemocht. Johnson dagegen
ist der Schöpfer des Brexits: Ohne ihn hätte er
sich in der Volksbefragung nicht durchgesetzt. Er
konnte der EU sogar größere Zugeständnisse ma-
chen, und doch gibt es keine Vorwürfe gegen ihn
wegen „Heimatverrat“. (...) Aber General BoJo ist
noch nicht aus dem Labyrinth heraus, in das er
das Land hineingetrieben hat. Die Überzeugung
seiner Parlamentarier wird viel schwieriger sein,
ddp/Mateusz Wlodarczyk/NurPhoto/Sipa, CAR, Xingals Brüssel zu überzeugen.
Die Londoner Zeitung „The Sunday Times“
analysiert, dass die Neuwahlen in
Großbritannien nicht mehr länger verzögert
werden dürfen:
D
ie Stimmung in Großbritannien wird sich
wieder beruhigen, aber eines ist auffal-
lend deutlich: Wenn es zu einer Neu-
wahl kommt, sollten wir sie nicht weiter verzö-
gern. Nachdem Downing Street bei der Verta-
gung des Parlaments getrickst hat, könnten Bo-
ris Johnsons Gegner für eine Verzögerung der
Wahlen eintreten, um einen No-Deal-Brexit zu
verhindern.
Derzeit sind solche Argumente aber nicht pas-
send. Die Labour-Partei pocht darauf, dass sie
keine Angst vor einer Wahl hat. Sie sollte dies
nun beweisen. Boris Johnson befindet sich – trotz
der gestrigen Enttäuschung – in einer guten Aus-
gangslage. Er würde bei einer Wahl für seinen
Deal kämpfen – als Alternative zu einem No-Deal
oder gar einem No-Brexit.
S
eit Monaten plant Berlin eine Revolution auf dem
Wohnungsmarkt. Es wurden starke verbale Ge-
schütze aufgefahren, die nicht einmal vor dem
Thema Enteignung haltmachten. Zuletzt kreiste die De-
batte vor allem um eine Deckelung, gar Senkung von
Mieten, auf die sich jetzt die Berliner Regierungskoaliti-
on von SPD, Linkspartei und Grünen geeinigt hat.
Ja, die in den vergangenen Jahren teilweise extrem
gestiegenen Mieten sind vor allem für Mittel- und Ge-
ringverdiener ein Ärgernis. Doch was sich Berlin hier
ausgedacht hat, ist nicht nur ein populistischer Eingriff,
sondern der Einstieg in eine sozialistische Wohnungs-
politik, in der in die Eigentumsrechte von Vermietern
eingegriffen wird. Vermieter, so viel ist klar, dürfen sich
nicht alles herausnehmen können – wovor schon das
Bundesrecht schützt, das in den vergangenen Jahren
stetig ausgebaut worden ist. Erst zum Jahresanfang war
die Mietpreisbremse verschärft worden, Modernisie-
rungsmieterhöhungen wurden eingeschränkt. Doch ein
sorgsam austarierter Interessenausgleich zwischen Ver-
mieter- und Mieterinteressen, der war einmal.
Künftig sollen Mieten in Berlin staatlich festgesetzt
und gegebenenfalls durch behördliche Entscheidungen
abgesenkt werden. Dass der jetzt vereinbarte Mieten-
stopp für fünf Jahre nach dieser Zeit kaum wieder voll-
ständig zurückgedreht wird, davon ist schon heute aus-
zugehen. Auch Nachahmer wird es geben. Die SPD
steht schon bereit, einen bundesweiten Mietenstopp
und die Begrenzung von Modernisierungsmieterhöhun-
gen durchzusetzen.
Das verfassungsrechtlich auf wackeligen Füßen ste-
hende Gebaren wirft viele Probleme auf: etwa, dass vie-
le private Vermieter um ihre Altersvorsorge gebracht
werden, dass künftig noch weniger in die dringend not-
wendige energetische Sanierung von Wohnungen und
Gebäuden investiert wird, dass Investoren künftig einen
Bogen um die Hauptstadt machen.
Besonders ärgerlich ist, dass sich die Berliner Koaliti-
on für die Lösung eines Problems feiert, das sie selbst
verschlafen hat. Die Hauptstadt wächst seit Jahren, aber
noch immer wird weit weniger gebaut, als notwendig
wäre. Mehr Neubau wäre die richtige Antwort in einem
Markt, in dem mangels Angebot kaum Wohnungen zu
finden sind, im sogenannten bezahlbaren Segment
schon gar nicht. Statt aber endlich die Landesgesell-
schaften stärker in die Pflicht zu nehmen sowie perso-
nelle Kapazitäten in die Bereitstellung von Grundstü-
cken und die Schaffung von Baurecht zu stecken, sucht
die Stadt ihr Heil darin, geeignetes Personal zu rekrutie-
ren, das „Wuchermieten“ den Garaus machen soll.
Das ist vor allem ein inakzeptables Versagen des Se-
nats.
Mietendeckel
Eingriff ins Eigentum
In Berlin sollen Mieten vom Staat
gedeckelt und teilweise gesenkt
werden können. Die Koalition
lenkt so vom eigenen Versagen
ab, meint Silke Kersting.
Die Autorin ist Korrespondentin in Berlin.
Sie erreichen sie unter:
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Wirtschaft & Politik
MONTAG, 21. OKTOBER 2019, NR. 202
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