Büro-Software
Slack zielt auf den Mittelstand
Der Konzern eröffnet seine
erste deutsche Niederlassung
und hofft auf neue Kunden.
Der Aktienkurs kann gute
Nachrichten gebrauchen.
Joachim Hofer München
D
ie Ambitionen sind groß, das
Büro klein: Der amerikani-
sche Softwareanbieter Slack
eröffnet in diesen Tagen seine erste
Niederlassung hierzulande. Mit einer
Handvoll Kollegen wird der neue
Deutschlandchef Oliver Blüher in
München starten. Sein Ziel: den Mit-
telstand erobern. Dort rücke derzeit
vielerorts die junge Generation an
die Spitze vor, sagte der Manager:
„Diese Leute sind offen für Angebote
wie unseres.“
Bislang hat sich die Europazentrale
in Dublin um die hiesigen Kunden ge-
kümmert. Das sind vor allem große
Industrieunternehmen. Dabei soll es
nicht bleiben, Slack strebt in die Flä-
che: „Jetzt stoßen wir in das indus-
trielle Herz von Deutschland vor“,
sagte CEO und Co-Gründer Stewart
Butterfield dem Handelsblatt.
Der Direktnachrichtendienst wird
immer populärer: Im jüngsten Quar-
tal schoss der Umsatz um knapp 60
Prozent auf 145 Millionen Dollar in
die Höhe. Die Firma aus San Francis-
co kommt eigenen Angaben zufolge
auf mehr als 100 000 zahlende Kun-
den. Unter dem Strich lohnt sich das
Geschäft aber nicht: Das Unterneh-
men schreibt tiefrote Zahlen.
Börsengang ohne Banken
Butterfield hat Slack Mitte Juni an die
Börse gebracht. Das war zunächst ein
voller Erfolg. In den ersten Minuten
kletterte der Kurs auf gut 38 Dollar,
deutlich mehr als der Referenzpreis
von 26 Dollar, den das Unternehmen
vor der Emission bekanntgegeben
hatte. Butterfield hatte sich für eine
außergewöhnliche Variante eines
Börsengangs entschieden, die Direkt-
platzierung. Dabei bringen Unterneh-
men die Aktien ohne Hilfe von In-
vestmentbanken unmittelbar an die
Börse. Der Grund: Der 46-Jährige
wollte kein frisches Kapital einsam-
meln. Er hat lediglich früheren Inves-
toren die Möglichkeit gegeben, Kasse
zu machen, und neuen Investoren,
die Aktie zu einem – deutlich höhe-
ren – Preis zu kaufen.
Seit der Gründung hatte sich Slack
rund eine Milliarde Dollar bei Geldge-
bern besorgt. Für sie hat sich das En-
gagement gelohnt: Die Marktkapitali-
sierung liegt momentan bei etwa 13
Milliarden Dollar. In den vergange-
nen Monaten bröckelte der Kurs je-
doch auf 24 Dollar ab. Deswegen
würde er seine Strategie zwar nicht
ändern, beteuerte Butterfield. Aber
natürlich werde Slack dadurch an-
ders wahrgenommen.
Für das laufende Geschäftsjahr
kündigte der Kanadier jüngst einen
Umsatz zwischen 603 und 610 Millio-
nen Dollar an, etwas mehr als die
maximal 600 Millionen, die er noch
im Frühjahr angepeilt hatte. Viele An-
leger sind aber offenbar enttäuscht,
dass es nicht stärker aufwärtsgeht.
Keith Weiss von Morgan Stanley
nahm das Kursziel der Aktien daher
von 38 auf 28 Dollar zurück. Der Ban-
ker begründete das mit zunehmen-
dem Wettbewerb, zurückgehenden
IT-Ausgaben sowie den Quartalszah-
len, die gemischt ausgefallen seien.
Neuer Schub könnte aus Deutsch-
land kommen. Landeschef Blüher
stellt jetzt Vertriebsmitarbeiter ein,
IT-Spezialisten und Kundenbetreuer.
Es sei wichtig, Leute vor Ort zu ha-
ben, betonte Butterfield. Einerseits
zögen sich die Verhandlungen mit
Großkunden zum Teil über Monate
hin. Andererseits sei es unerlässlich,
die Nutzer zu schulen: „Die Arbeits-
weise verändert sich stark mit Slack.“
Firmen setzen den Messenger ein,
um im Team zu kommunizieren.
Vielfach ersetzt er die E-Mail im eige-
nen Haus. Wer nur die einfache Vari-
ante des Tools nutzt, zahlt nichts. Die
Standardversion gibt es ab 6,25 Euro
pro Nutzer und Monat, das Plus-Mo-
dell mit erweiterten Funktionen für
11,75 Euro. Butterfield rühmt sich be-
reits einiger namhafter Kunden in
Deutschland. Der Softwareriese SAP
gehöre genauso dazu wie insgesamt
18 Konzerne aus dem Dax. Dazu kä-
men Firmen der zweiten Reihe wie
der Autovermieter Sixt.
Bei allen Vorzügen von Slack: Ei-
nen globalen Standard in der Kom-
munikation zu setzen werde unglaub-
lich schwierig, gibt Butterfield zu.
„Die E-Mail“, meint der Gründer,
„wird nicht verschwinden.“
Slack-Firmenzentrale
in Dublin:
Seit der Gründung hat
sich das Unternehmen
eine Milliarde US-
Dollar bei Geldgebern
besorgt.
slack
Engagieren die sich tatsächlich
mehr für ihre Mitarbeiter und Kom-
munen, oder verkaufen sie sich nur
besser?
Sie sind sehr aktiv. Der Chef von Star-
bucks engagiert sich sehr für die Um-
welt, er war es auch, der die Plastik-
Strohhalme abgeschafft hat. Der Chef
von Levis engagiert sich gegen Waf-
fengewalt und setzt sich für Hinter-
grundchecks ein. Der Chef von Wal-
mart hat sich dafür eingesetzt, elek-
trische Zigaretten schnell aus dem
Sortiment zu nehmen. Der Paypal-
Chef engagiert sich für LGBT und
suchte einen neuen Standort für das
Büro in North Carolina, nachdem
dort diskriminierende Gesetze verab-
schiedet worden waren.
Andererseits hatte Walmart lange
Zeit einen schlechten Ruf als Arbeit-
geber, weil es Mitarbeiter schlecht
bezahlt und sie oft nicht kranken-
versichert. Dagegen stehen deutsche
Unternehmen doch viel besser da.
Auch vermeiden die Deutschen
schon längst viel bewusster Plastik,
wo es geht..
Deutsche Unternehmen müssen bes-
ser kommunizieren. Die Deutschen
neigen dazu, Dinge zu tun und nicht
darüber zu sprechen. Sie wollen lie-
ber die Ergebnisse für sich selbst
sprechen lassen. Aber in einer Zeit,
in der sich Informationen über sozia-
le Medien sehr schnell verbreiten,
muss man rausgehen und seine Ge-
schichte erzählen.
Wie lange dauert es, um Deutsch-
lands Image zu verbessern?
Im Moment ist die Stimmung sehr
volatil. Wenn man zum zweiten Mal
unter Wasser gerät, wird es eine Wei-
le dauern. Es braucht harte Arbeit
und deutlich mehr Transparenz und
Engagement der Chefs. Ich würde sa-
gen zwei bis drei Jahre.
Wie hat sich die Marke Amerika un-
ter Präsident Trump entwickelt?
Das Image der USA ist nun auf einem
Niveau mit Spanien und Italien. Das
ist keine gute Platzierung. Deutsch-
land steht im Vergleich dazu noch
besser da.
Und wer führt das Ranking an?
Kanada, die Schweiz und die Nieder-
lande. Das sind Länder, die sich ironi-
scherweise an Deutschlands Strategie
orientiert haben: für die Umwelt, gu-
te Arbeitsstandards, gute Qualität.
Deutschland hat den Weg geebnet
und muss nun die Führung zurücker-
obern.
Was für einen Tipp haben Sie für
deutsche Unternehmenslenker?
Der „Business Roundtable“ hat sich
vor ein paar Wochen deutlich für die
Abkehr vom Shareholder-Value aus-
gesprochen. Auf Initiative von Frank-
reichs Präsident Macron haben sich
Unternehmen zu einer Initiative ge-
gen soziale Ungleichheit zusammen-
geschlossen. Die deutschen Unter-
nehmen sollten sich bis Weihnachten
auf neue Standards in Bezug auf
Transparenz, die Rolle des Chefs und
ihre Werte einigen, damit sie 2020
ihr Image wieder zurückbekommen.
Aber es kommt auch auf die Perfor-
mance an: Wenn die Deutsche Bank
den Turnaround schaffen sollte, Bay-
er seine Probleme mit Monsanto löst
und die Autoindustrie wächst, dann
wird das sicher helfen.
Herr Edelman, vielen Dank für das
Interview.
Die Fragen stellten Katharina Kort
und Astrid Dörner.
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