Der Spiegel - 26.10.2019

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Nowitzki:So jeder für sich, wie beim Ten-
nis, das war nicht mein Ding. Ich bin ein
Mannschaftssportler. Siege und Nieder -
lagen mit einer Mannschaft zu durchleben,
das war mir immer wichtig. Und Spaß zu
haben, auf Auswärtsfahrten »Uno« zu
spielen oder weiß der Geier, was.
SPIEGEL:Mit 16 haben Sie dann Ihren
Trainer und Mentor Holger Geschwindner
kennengelernt, der Sie bis zu Ihrem Kar-
riereende begleitet hat. Er hat Ihnen vor
allem am Anfang viele Freiheiten gelas-
sen. Wie blicken Sie darauf zurück?
Nowitzki:Der Hodge hat einfach einen
guten Mittelweg gefunden, damit wir
Jungs nicht den Spaß verlieren und ab-
springen. War das Wetter schön, hat er ge-
fragt: Wollt ihr heute in die Halle oder ins
Schwimmbad? Er hat uns auch nur ein
paarmal die Woche trainiert. Und wir ha-


ben gesehen: Das bringt was, was der Typ
da erzählt (lacht).Das ist zwar komisch
und abgefahren, aber es macht auch Spaß,
und man sieht Resultate.
SPIEGEL:Geschwindner hat das Training
nicht auf Basketball begrenzt, sondern Ma-
thematik und Musik mit in den Unterricht
eingebaut.
Nowitzki:Ja, er hatte einfach schon immer
einen schrägen Ansatz. Er ist anders als
alle anderen Coaches, die ich über 20 Jah-
re gesehen habe. Er hat immer versucht,
es interessant zu halten. Einmal kam ein
Freund von ihm, Ernie Butler, mit dem Sa-
xofon in die Halle, und wir dachten, der
spielt jetzt ein bisschen, und dann trainie-
ren wir. Doch da sagt der Hodge: Jetzt
tanzt mal zu dem Saxofonspiel. Und wir
so: nee, ehrlich jetzt? Da hatte er mal wie-
der in einem Buch gelesen, dass mithilfe

von Musik das Gehirn besser und schneller
lernt. Und dann haben wir halt getanzt,
einfach so, mit geschlossenen Augen. Du
denkst dann gar nicht mehr an die Bewe-
gung, sondern lässt dich einfach tragen
vom Rhythmus. Das war spielerisch, hilft
aber, wenn der Gegner etwas Unerwarte-
tes macht und man mit einer ungeplanten
Bewegung reagieren muss.
SPIEGEL:Sie spielen auch Saxofon. Hat
Sie diese Nummer dazu inspiriert?
Nowitzki: Ja, ich bin über Ernie dazu ge-
kommen. Ich habe gespielt, bis mir bei
einem Sommertraining zwei Schneidezäh-
ne eingeschlagen wurden. Um die Zähne
zu sichern, haben sie mir von hinten eine
Schiene darangebaut. Danach konnte ich
das Mundstück nicht mehr richtig anlegen.
Ich dachte, wenn das okay ist, fange ich
wieder an, aber da hatte ich dann schon
mit Gitarre begonnen. Mein Schwager hat-
te mir ein paar Songs beigebracht, dazu
habe ich ein bisschen gesungen.
SPIEGEL:Mathematik oder Musik – was
davon hat Ihnen im Basketball am meisten
geholfen?
Nowitzki:Wir haben immer viel darüber
philosophiert, wie ich Druck standhalte.
Druck, den ich mir selber mache, Druck,
der von außen kommt. Und in diesen Si-
tuationen trotzdem Leistung zu bringen.
Wir haben viele unterschiedliche Ansätze
ausprobiert, Hodge hat mir Bücher hin -
gelegt. Aber es war klar, ich muss da mei-
nen eigenen Weg finden, und das war über
die Musik. In den Play-offs habe ich ange-
fangen, bei wichtigen Freiwürfen zu sin-
gen, um nicht im Moment zu erstarren,
festzufrieren, sondern locker zu bleiben,
nicht an das große Ganze und die Würfe
zu denken, die ich gerade vergeigt hatte,
sondern nur an den nächsten Wurf.
SPIEGEL:Das Lied war damals »Mr. Jones«
von den Counting Crows.
Nowitzki:Ja, und ich weiß gar nicht, wa-
rum. Auf alle Fälle haben wir San Antonio
in dem Jahr in sieben Spielen geschlagen.
Den großen Bruder, der sonst auf uns drauf-
gehauen hat. Da haben sie mich alle gefragt,
was ich mache, wie ich in Drucksituationen
so locker bleibe. Und dann habe ich erzählt,
ich singe so ein Liedchen. Die Amerikaner
wussten, dass David Hasselhoff damals in
Deutschland sehr bekannt war. Und dann
hat einer gesagt: Du singst David Hassel-
hoff, oder? Und dann habe ich gesagt: ge-
nau, »Looking for Freedom«. Was natürlich
nicht stimmte, sondern nur ein Gag war.
SPIEGEL:Was für ein Imageschaden. Und
dann auch noch selbst kreiert.
Nowitzki:Der Witz ging ja noch weiter.
Daraufhin kam David Hasselhoff in der
nächsten Runde zu uns. Und als wir in

DER SPIEGEL Nr. 44 / 26. 10. 2019 129


FRANK ZAURITZ

Sportidol Nowitzki
Auf Auswärtsfahrten »Uno« gespielt
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