Neue Zürcher Zeitung - 18.10.2019

(Barry) #1

26 WIRTSCHAFT Freitag, 18. Oktober 2019


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Ein Handy «made inAfrica»


Jungunternehmer willSmartphones komplett in Afrikafertigenlassen


CLAUDIA BRÖLL, KAPSTADT


Erst Rwanda, dann Südafrika: Ein in
Dubai ansässiges Konglomerat will
Smartphones erstmals komplett in
Afrika produzieren. Die Mara-Gruppe
hat am Donnerstag in der südafrikani-
schenKüstenstadtDurban eineFerti-
gungsstätte eröffnet, nur zehnTage nach
der Einweihung einer ähnlichenFabrik
in Kigali, der Hauptstadt Rwandas.
Der umtriebige Mara-Chef und
Gründer AshishThakkar sieht Markt-
chancen für Mobiltelefone in Afrika, die
«qualitativ hochwertig und erschwing-
lich sind». Er will damit aber auch die
wirtschaftliche Entwicklung auf einem
Kontinent vorantreiben, der bis anhin
als Standort für die globale IT-Industrie
kaum eineRolle spielt.


TechnologischerSprung


Mobiltelefone sind die Erfolgs-
geschichte schlechthin in Afrika. So gut
wie jeder hat mindestens eines. Schon
seit vielenJahren wirdnicht nur damit
telefoniertundgetextet. Afrikaner sind
internationaleVorreiter, wenn es um
mobileBankgeschäfte geht.Kenyaner
etwa überweisen via M-Pesa seit mehr
als zehnJahren Geld mit dem Handy.
Doch bis anhin ist man in Afrika auf
importierteTelefone angewiesen. Ein-
zelne Montageanlagen gibt es in Ägyp-
ten, Äthiopienund Südafrika,aber dort


werden dieTelefone aus importierten
Teilen zusammengesetzt.Das willThak-
kar ändern.«Wir sind die Ersten, die
Mobiltelefone fastkomplett in Afrika
herstellen», sagt er.
Die ersten Handys «madein Africa»
müssen sich gegenüber einer starken
Konkurrenz behaupten. Die drei gröss-
ten Anbieter von Smartphones in Afrika
sind die asiatischenKonzerneTr anssion,
Samsung und Huawei. Die breite afri-
kanische Bevölkerung nutzt einfache
internetfähige Handys, sogenannteFea-
ture-Telefone,die wenigerkosten als
die neuen Mara-Phones.Auch floriert
der Handel mit Secondhand-Telefo-
nen. Besserverdiener wiederum kaufen
Smartphones von Apple oder Samsung


  • auch als Statussymbole.
    Der 38-jährigeThakkar ist aberkein
    Typ,der sich abschrecken lässt. Er ist
    ein Senkrechtstarter unter AfrikasJung-
    unternehmern. Geboren in Grossbritan-
    nien und in Uganda aufgewachsen, ver-
    kaufte er schon als Schüler Computer-
    zubehöranKollegen.Aus einem kleinen
    IT-Betrieb entstand die Mara-Gruppe,
    die heute in 25 afrikanischenLändern
    vertreten und in verschiedenenWirt-
    schaftszweigen aktiv ist, von Immobi-
    lien über IT bis zurLandwirtschaft.Für
    internationalesAufsehen sorgte das
    Konglomerat 2013, als Bob Diamond,
    der frühere Chef derBarclays-Bank, mit
    Thakkar denFinanzdienstleister Atlas
    Mara gründete. Mittlerweile steckt die


Bank allerdings in Schwierigkeiten, Dia-
mond gab dieFührung unlängst ab.

«Der Löwe erwacht»


Der Eröffnung der ersten Smartphone-
Fabrik Südafrikaswohnte auch Staats-
präsident CyrilRamaphosa bei. Er wirbt
um Investoren und bemüht sich, dasVer-
trauen in die südafrikanischeVolkswirt-
schaft, das unter seinemVorgängerJacob
Zuma gelitten hat, wiederherzustellen.
Die Mara-Gruppe hat Investitionen von
umgerechnet 100 Mio. Fr. in den nächs-
ten fünfJahren versprochen. DieFabrik
liegt in einer Sonderwirtschaftszone
beim Flughafen vonDurban.Langfris-
tig soll sie mehr als 1500 Mitarbeiterbe-
schäftigen. Zunächst sind zwei Modelle
geplant, das MaraXund das MaraZ.Die
Fabrik in Rwanda sollWest- und Zentral-
afrika beliefern, diejenige inDurban den
südlichenTeil Afrikas.
AnKonferenzen wie demWeltwirt-
schaftsforum istThakkar, der sich vor ei-
nigenJahren einTicket für einen Flug
ins All mitVirgin Galactic kaufte,schon
jetzt ein häufiger Gast. Unermüdlich
trommelt er für Afrika, er hat auch ein
Buch geschrieben mit demTitel «Der
Löwe erwacht: Abenteuer in Afrikas
Wirtschaftswunder». Mit den Mara-
Telefonen kann er nun den Beweis da-
fürantreten.Auf derRückseite der Han-
dys prangt – wiekönnte es anders sein –
ein silberner Löwenkopf.

Qualitativ hochwertigund docherschwinglich sollen die Smartphones von Marasein. JEAN BIZIMANA / REUTERS


Gunvor zur Za hlung


von 94 Millionen Fran ken verurteilt


Mitarbeiter des Rohstoffkonzerns bestachen Amtsträgerin Kongo und Côted’Ivoire


tsf./(sda) · Die schweizerische Bun-
desanwaltschaft verurteilt den Roh-
stoffkonzern Gunvor zur Zahlung von
rund94 Mio. Fr., davon4Mio.Fr.als
Busse. Der Genfer Rohstoffhändler
habe nicht alle erforderlichen und zu-
mutbaren organisatorischenVorkehrun-
gen gegen möglicheKorruption getrof-
fen,so begründet die Behörde den Ent-
scheid.Konkret hätten dieVerantwort-
lichenin denJahren 2008 bis 2011 nicht
verhindert, dass Angestellte oderVer-
mittler Amtsträger bestachen, um Zu-
gang zu den Erdölmärkten vonKongo-
Brazzaville und von Côte d’Ivoire zu
erhalten. Nach Angaben der Bundes-
anwaltschaft entspricht die Summe von
90 Mio. Fr. dem Profit, den Gunvor auf-


grund der untersuchten Geschäftstätig-
keiten erwirtschaftete.
Der Strafbefehl ist laut der Bun-
desanwaltschaft ein Ergebnis der seit
Dezember 2011 laufenden Ermittlungen
im Zusammenhang mit den Geschäfts-
tätigkeiten von Gunvor in derRepublik
Kongo und in Côte d’Ivoire. Einehema-
liger Mitarbeiter desKonzerns wurde im
August vom Bundesstrafgericht wegen
Bestechung zu einer bedingtenFrei-
heitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.
Gegen weitere natürlichePersonen –
ehemalige Mitarbeiter des Unterneh-
mens oderFinanzintermediäre – wird
wegen desVerdachts der Bestechung
fremder Amtsträger, der Geldwäsche-
rei und der ungetreuen Geschäftsbesor-

gung ermittelt. Unter den bestoche-
nenPersonen befinden sich mehrere
Familienangehörige von Denis Sassou-
Nguesso, dem Präsidenten vonKongo-
Brazzaville. Die Zahlungen erfolgten
über Drittunternehmen aufKonten in
der Schweiz und China. Insgesamt gin-
gen an diekongolesischen Amtsperso-
nen über43 Mio. $.
Gunvor schreibt in einer Stellung-
nahme, das Unternehmen habe imVer-
fahren organisatorische Mängel zuge-
geben. Eine Beteiligung oder ein Mit-
wissen des Managements bestreitet der
Konzern jedoch. Zudem betont Gunvor,
es seienkeine noch amtierenden Mit-
arbeiter in laufendeRechtsstreitigkeiten
oder Ermittlungen involviert.

Berater stellen


Steuerreforminfr age


Pikante Kritik angeplanterVerrechnungssteuer


Die vom Bundesrat
vorgeschlagene Quellensteuer
auf Zinserträgen bringe mehr
Verwaltungsaufwand als Erträge.
Das sagt die Beratungsfirma
KPMG, die imAuftrag des
Bundes eine Studie zum Umbau
derVerrechnungssteuer verfasste.

HANSUELI SCHÖCHLI

Die SchweizerVerrechnungssteuer von
35% auf Zinsen und Dividenden soll
sicherstellen, dass Steuerpflichtige ihre
Finanzerträge und die betroffenenVer-
mögenkorrekt deklarieren.Wirtschafts-
vertreter und Expertenberichte fordern
aber seitlangem eineReform derVer-
rechnungssteuer auf Zinserträgen. So
gilt die SchweizerVerrechnungssteuer
als Hauptgrund, weshalb Schweizer
Konzerne ihreAnleihen meist imAus-
land herausgeben.
Der Bundesrat plantseit längerer
Zeit eineReform.In den vergangenen
Monaten hat er nun über deren Eck-
werteentschieden;diekonkreteVor-
lage soll im ersten Quartal 2020 in die
Vernehmlassungkommen.Beiden Divi-
denden ändert sich nichts. Geplant ist
hingegen die Abschaffung derVerrech-
nungssteuer auf Zinserträgen für aus-
ländische Anleger sowie für inländi-
sche juristischePersonen.Damit sollen
in der Schweiz herausgegebene Anlei-
henfür internationaleInvestoren attrak-
tiv werden.

Für vollständigeAbschaffung


NatürlichePersonen im Inland sollen
künftig dieVerrechnungssteuer nicht
nur auf inländischen Zinserträgen zah-
len, sondern auch auf Zinsen auslän-
discher Obligationen.Per saldorech-
net der Bundesrat ohne Berücksichti-
gung der erhofften Belebung des Kapi-
talmarkts mit Einnahmeneinbussen für
denFiskus von 200 Mio. Fr. proJahr.
Ein fünfköpfigesTeam der Bera-
tungsfirma KPMG hatte imAuftrag
des Bundes zunächst eine Studie über
die finanziellenAuswirkungen diverser
Reformvarianten erstellt, ohne Empfeh-
lungen abzugeben. Die Empfehlungen
holen die Berater nun nach. «Im heuti-
gen Umfeld mit dem tiefen Zinsniveau
und der stark gestiegenen Steuertrans-
parenz macht eine Quellensteuer auf
Zinserträgenkeinen Sinn mehr», sagt
Charles Hermann, Partner bei KPMG.
Erempfiehlt dem Bundesrat, dieVer-
rechnungssteuer auf allen Zinserträgen
abzuschaffen.
DerVorschlag des Bundesrats brächte
laut Hermann einen grossen adminis-
trativenAufwand bei nur geringen Er-
trägen. «AufBasis vonDaten für 20 18
schätzen wir die Gesamterträge einer

Verrechnungssteuer auf Zinsen auf rund
200 bis 300 Mio. Fr. proJahr. Mittel-
fristig werden diese auf unter 100 Mio.
Fr. sinken, weil allmählich die älteren
Obligationen mit höheren Zinscoupons
auslaufen.»
Gemäss Hermann dürfte der admi-
nistrativeAufwand einschliesslich der
Informatikinvestitionen der Banken
höher sein als die Erträge aus der ge-
planten Steuer. Die traditionelleVer-
rechnungssteuer wird vom Schuldner
eingezogen. Beim Bundesratsmodell
wären verschiedene Anlegergruppen in
Zukunft unterschiedlich zu behandeln;
für die Steuereinziehung kämen deshalb
am ehesten dieBanken infrage, da sie
di e Empfänger der Zinserträge bes-
serkennen, als dies die Schuldner tun.
Denkbar wäre auch, dass die Schweizer
Börse dieVerrechnungssteuer aufBasis
vonBankangaben einzieht.

Unerklärliche Differenz


Die Schätzungen der Beratungsfirma
zurVerrechnungssteuer auf Zinserträ-
gen liegen um einigestiefer als jene des
Bundesrats; dieserrechnet zwar infolge
seinesVorschlags mit ähnlichen Ein-
nahmeneinbussen, aber das Bundesrats-
modell enthältkeine vollständige Ab-
schaffung derVerrechnungssteuer auf
Zinserträgen.
Die Ursachen der Schätzdifferenzen
werden auch nachRückfragen bei den
Beteiligten nicht ganz klar. Eine mög-
liche Ursache liegt darin, dass die Bun-
desschätzungen auf älteren Zahlen be-
ruhen, die aufgrund höherer Zins-
niveaus entstanden sind. Die KPMG
hat für ihre Schätzungen überdies an-
genommen, dass dieRückforderungs-
quote bei derVerrechnungssteuer auf
Zinserträgen im Mittel etwa 85% be-
trägt und damit höher liegt als bei
den Dividenden. Bei den Dividenden
komme es öfter vor, dass nicht die ge-
samte Steuer rückforderbar sei.

Soll dasBankgeheimnis fallen?


Im Übrigen hängt einiges davon ab, wie
stark dievorgeschlageneVerrechnungs-
steuer die Hinterziehung dämpft.Der
Bundesrat setzt auf eine positiveWir-
kung, verzichtet aber auf eine Beziffe-
rung.Charles Hermann siehtbeieinem
Verzicht auf eineVerrechnungssteuer
jedochkeine Gefahr verstärkter Hinter-
ziehung,da sich eine solche angesichts
der tiefen Zinserträge gar nicht lohne.
Doch alleRechnungen zurVerrech-
nungssteuerkönntenrasch anders aus-
sehen, falls das Zinsniveau deutlich
steigt. Der KPMG-Experte Charles
Hermann offeriert dazu eine politisch
pikante Antwort: «Dann müsste man
die Abschaffung desBankgeheimnisses
im Inland diskutieren, ehe man wieder
eine Quellensteuer erhebt.»

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