National Geographic Germany - 10.2019

(vip2019) #1

haben er und sein Team nur wenige Minuten


Zeit, das Tier zu fangen und zu bändigen und


ihm dann ein Gegengift zu spritzen, damit es


nicht stirbt. Wenn die Giraffe dann noch den 800


Kilometer langen Umzug quer durch Niger über-


lebt, wird sie zu einer neuen Population eines


der seltensten Wildtiere der Welt gehören.


DIE GIRAFFEN, denen sie seit einer Woche hin-


terherjagen, sind die Nachkommen von etwa


50 Tieren, die Ende der Achtziger-


jahre auf der Flucht vor Dürre und


Krieg aus dem benachbarten Mali


nach Niger kamen. Sie waren Rich-


tung Süd-Südwest durch die Sahel-


zone gelaufen, am Niger entlang


und an Niamey vorbei, bevor sie


sich auf einer staubtrockenen


Hochebene in der Region Koure


niederließen. Der 76-jährige Fulani-


Hirte Amadou Hama erinnert sich, wie er vor
Jahrzehnten beim Viehhüten das erste Mal auf
eine Giraffe stieß: „Wir dachten, das ist der
Teufel, der lange Hals und die Hörner. Von
gefährlichen Tieren wie Löwen hatte ich gehört,
aber nie von Giraffen. Wir hatten Angst. Selbst
die Kühe hatten Angst.“
Die neu angekommenen Riesen gehörten zu
den letzten Überlebenden einer früher sehr gro-
ßen Population von „weißen Giraffen“, die an
der Wende zum vergangenen Jahr-
hundert in ganz Westafrika verbrei-
tet waren, von der Küste Senegals
bis nach Nigeria.
2016 kam ein Team von Wissen-
schaftlern zu einer neuen, aller-
dings immer noch umstrittenen
Erkenntnis: Der herkömmlichen
Auffassung zufolge gehörten alle
Giraffen einer einzigen Art an,

Vor der Skyline Nairobis
grasen Giraffen im
Nairobi-Nationalpark,
nur sechs Kilo meter
vom Zentrum der
Hauptstadt Kenias ent-
fernt. Über hundert
Säugetierarten leben
in dem Park. Er ist durch
das Wachstum der
Stadt jedoch gefährdet.

FOTO: PARAS CHANDARIA

GIRAFFEN 101
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